Debatte

Heißes Eisen „Nordschleswiger“

Heißes Eisen „Nordschleswiger“

Heißes Eisen „Nordschleswiger“

Tingleff/Tinglev
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Chefredakteur Gwyn Nissen Foto: Karin Riggelsen

Auf dem Deutschen Tag in Tingleff ist das Medium, das sich normalerweise auf das Berichten beschränkt, selbst Thema gewesen. Denn: 2021 wird „Der Nordschleswiger" als Papierzeitung zum letzten Mal erscheinen, danach nur noch digital. Es gab Diskussionsbedarf – worüber sich eine Person sehr freute.

„Glaubt nicht, dass wir uns die Entscheidung leicht gemacht haben. Mit diesen Worten  hat der Chefredakteur der Tageszeitung Der Nordschleswiger, Gwyn Nissen seinen Vortrag während des Informationsgesprächs in Verbindung mit der Festveranstaltung zum Deutschen Tag 2018 in Tingleff eingeleitet. Er  unterstrich dabei den Beschluss der Spitzengremien der Deutschen Minderheit in Nordschleswig  zur Einstellung der täglichen Papierausgabe  der Zeitung der deutschen Nordschleswiger im Februar 2021. Verbunden mit einer großformatigen Leinwandprojektion der digitalen Nordschleswiger-Zukunft begründete Nissen die Entscheidung  zur kompletten Umstellung des 2021 vor 75 Jahren gegründeten Sprachrohrs der Minderheit mit Hinweisen auf die Abkehr der jüngeren Angehörigen der Minderheit vom Medium Papierzeitung.  Die frühere Leserschaft in allen Organisationen und Einrichtungen der Minderheit gebe es nicht mehr.

Doch trotz der  eindringlichen  Darlegung, gerade das Internet als Medium sei „generationenübergreifend“, und die sinkende Papierauflage lasse keine Alternative zum Übergang in ein Online-Medium zu,   entzündete  der Vortrag eine lange Diskussion, sodass  das Informationsgespräch weit länger als im Programm vorgesehen dauerte.

Inhalte am wichtigsten 

„Die Inhalte sind am wichtigsten“, unterstrich Gwyn Nissen und erläuterte die angelaufene  Neuausrichtung der redaktionellen Arbeit  beim Nordschleswiger, die bereits jetzt  die Web-Ausgabe des Mediums an die erste Stelle rücke.

„Wir werden mit den heutigen Lesern und Nutzern reden und nach guten Lösungen für die älteren Leser  suchen“, versprach der Chefredakteur und unterstrich: „Es ist nicht nur ein Technologieprojekt, es geht auch um Menschen.“ „Wir stellen uns beim Nordschleswiger in den Köpfen um“, betonte er und berichtete über die Fortbildungsaktivitäten mit Koryphäen  der digitalen Medien. Und als ganz wichtigen Aspekt nannte Nissen die Entscheidung, dass die digitalen Angebote des Nordschleswigers kostenlos geboten werden und man davon ausgehe, dass ein viel breiterer Personenkreis  als die heutige Leserschaft  erreicht und über das  deutsch-dänische   Grenzland und die Aktivitäten der  deutschen Minderheit informiert werde.

 

 

Hans Heinrich Hansen Foto: Karin Riggelsen

Kritik an Basta-Politik

In der Aussprache zu den Ausführungen über die Zukunft  des Nordschleswigers ging der frühere  BND-Hauptvorsitzende  Hans Heinrich Hansen hart mit der Beschlussfassung zur Einstellung der Papierzeitung ins Gericht. Mit der Papierausgabe ziehe man sich nicht nur aus der Öffentlichkeit zurück, es gehe auch  die dauerhafte Dokumentation  des Geschehens in Nordschleswig verloren, so Hansen und nannte die Reaktionen auf kritische Leserbriefe bezüglich des Endes der Papierzeitung als Ausdruck einer „Basta-Politik“. „Dein Vortrag war gut und vielfach überzeugend“, sagte Hansen an Chefredakteur Gwyn Nissen gerichtet, „aber es wirkte wie ein Glaubensbekenntnis“. Und er kritisierte, dass es keine ausreichende Diskussion mit der Basis gegeben habe. Man verzichte auf „ein zentrales, nach außen gerichtetes  Organ, ohne nötigen Grund“, so Hansen.

Zweifel und Bedenken

Der frühere Kreispräsident des Kreises Schleswig-Flensburg, Johannes Petersen  (CDU),   sagte, dass er nicht auf die Papierzeitung verzichten wolle. Bei ihm blieben „Zweifel und Bedenken“, so Petersen und  erklärte, für ihn sei der Nordschleswiger immer ein wichtiger Begleiter   gewesen, eine „wichtige Stimme und Meinungsträger im Grenzland“.  Er sehe nicht das Ende des Mediums gedrucktes Papier.

Der Senior der Pastoren der Nordschleswigschen Gemeinde, Matthias Alpen, brachte den Vorschlag ins Spiel, die Entscheidung über den Übergang zur Digitalisierung  und die Möglichkeit, statt eines Monatsmagazins eine Wochenzeitung herauszugeben, noch einmal zu überdenken. Er setze ein Fragezeichen hinter die Allmacht der Digitalisierung.

Chefredakteur Gwyn Nissen entgegnete, dass  es keine Alternative zur Umstellung auf ein Webmedium gebe und lobte die mutige Entscheidung des Hauptvorstandes, denn die Auflage sei als „kritische  Masse“ zu niedrig für ein Überleben als Papierzeitung und eine Papierwochenzeitung sei finanziell nicht tragbar.
Olaf Hansen, stellvertretender BDN-Hauptvorsitzender, äußerte sich zur Präsentation des digitalen Nordschleswigers. Er stellte die Frage, ob es nicht günstiger wäre, anstelle des gewählten Portals auf eine E-Zeitung zu setzen. Diesen Weg schlage gerade die TAZ in Deutschland ein.

Andrea Kunsemüller
Andrea Kunsemüller Foto: Karin Riggelsen

Kritik an Art und Weise

Andrea Kunsemüller kritisierte die Art und Weise der Diskussion, die der Entscheidung zum Aus der Papierzeitung vorausgegangen ist, und stellte die Frage, was aus den Mitarbeitern  wird.    Lobend über die Präsentation der digitalen Zeitung äußerte sich die Schulleiterin der Deutschen Schule Buhrkall, Ute Eigenmann, die angesichts der geringen Reichweite des Nordschleswigers Veröffentlichungen in der kostenlosen dänischen Wochenzeitung als ratsam nannte – und fügte hinzu, dass sie sich selbst als Quereinsteigerin in der deutschen Minderheit verstehe. Sie hoffe, dass es mit der digitalen Zeitung gelinge, die Kluft zwischen Älteren und Jüngeren zu schließen.

Gwyn Nissen unterstrich, dass fair mit den Mitarbeitern der Zeitung umgegangen werde, die redaktionellen Mitarbeiter   z. B. in den Lokalredaktionen behielten ihre wichtige Rolle. Anneliese Bucka, frühere Vorsitzendes des Sozialdienstes Nordschleswig,    sprach sich für den Wechsel zur rein digitalen Zeitung aus, man müsse positiv an diese Notwendigkeit herangehen. Edlef Bucka-Lassen kritisierte, dass  in der Debatte das Thema   Entscheidungsfindung  mit dem der künftigen Gestaltung der Internetausgabe des Nordschleswigers vermengt werde. Lasse Tästensen als Mitarbeiter des Deutschen Jugendverbandes erläuterte, dass in seinem Umfeld eine Zeitung offenbar völlig überflüssig angesichts der eigenen Live-Stream-Facebook-Aktivitäten sei.

Aber auch Freude

Als „großer Freund  der Papierzeitung“ erklärte Sozialdienstvorsitzender Gösta Toft, dass er dennoch im Hauptvorstand des BDN für das Ende der Papiertageszeitung gestimmt habe. „Die Digitalisierung nehmen wir an“, so Toft.
Gwyn Nissen schob die Bemerkung ein, dass er sich über die kontroverse Diskussion freue, denn diese zeige, dass der Minderheit „der Nordschleswiger nicht egal“ sei.

„Wir brauchen ein Produkt, das für uns maßgeschneidert ist."

Hinrich Jürgensen, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger

Beifall erntete Arno Knöpfli für seine Aussage, dass der Nordschleswiger „gute Arbeit“ macht und erklärte dann anhand seiner zeitungslosen Familie, dass die Entscheidung zur Digitalisierung des  Nordschleswigers richtig sei.  Er nannte als Zukunftsperspektive, dass  man sich mithilfe der Technik den Web-Nordschleswiger sogar vorlesen lassen könne.  Dem hielt Rechtsanwalt Peter Meyer entgegen, dass er nicht glaube, dass sich alle jungen Menschen  von der Papierzeitung verabschiedeten.

Die Diskussion schloss der BDN-Hauptvorsitzende Hinrich Jürgensen mit der Aussage ab, dass  man die Entscheidung zur Zukunft des Nordschleswigers nicht verfrüht getroffen habe. Und zur erforderlichen Vorlaufzeit meinte er: „Wir können das Produkt nicht von der Stange kaufen. Wir brauchen ein Produkt, das für uns maßgeschneidert ist.“ Man werde alles unternehmen, um den älteren Lesern mit Beratung zur digitalen Zeitung weiterzuhelfen. Und er fügte unter Hinweis auf die finanziellen Gegebenheiten  darauf hin, dass es wichtig sei, dass „wir die Entscheidungen treffen, bevor es andere tun“.

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