Kontrollen

Halbes Jahr Shutdown: Grenze in den Köpfen bleibt

Halbes Jahr Shutdown: Grenze in den Köpfen bleibt

Halbes Jahr Shutdown: Grenze in den Köpfen bleibt

Nordschleswig
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Die Grenze wurde während der Corona-Krise wieder präsent. Foto: Claus Fisker/Ritzau Scanpix

Die sechs Monate lange Schließung der dänisch-deutschen Grenze wird auch längerfristig Folgen für die Region haben. So lautet die Einschätzung einer Dozentin am Institut für Grenzregionsforschung.

Am 11. März verkündete Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) auf einer historischen Pressekonferenz einen weitreichenden Beschluss. Ein großer Teil der dänischen Gesellschaft wurde geschlossen.

Zwei Tage später gab Außenminister Jeppe Kofod (Soz.) dann die Schließung der Grenzen ab dem 14. März bekannt. Zwei Tage danach machte auch Deutschland die Grenzen dicht.

Es hat fast ein halbes Jahr gedauert, bis die dänische Regierung am 3. September an der Grenze wieder so etwas wie Normalität eingeführt hat.

Grenze wurde wieder präsent

Die lange Zeit mit den geschlossenen Grenzen hat Spuren hinterlassen, meint Dorte Jagetic Andersen, Dozentin beim Institut für Grenzregionsforschung an der Süddänischen Universität (SDU) in Sonderburg.

„Die Menschen im Grenzland hatten sich über die Jahre daran gewöhnt, dass die Grenze im Alltag eigentlich nicht mehr existiert. Durch die Schließung wurden sie nachdrücklich daran erinnert, dass es die Grenze noch gibt“, lautet ihre Einschätzung.

Nationalismus

Am 15. Juni hat die deutsche Bundesregierung die Einreisekontrollen von Dänemark aus aufgehoben. Und gerade die Tatsache, dass man frei in die eine Richtung fahren konnte, aber nicht in die andere, sei vor allem auch südlich der Grenze negativ aufgefallen.

„Von Menschen auf der deutschen Seite hört man, es habe die Tendenz zum Nationalismus nördlich der Grenze verdeutlicht“, so die Forscherin.

Auch der Vorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen, hat erlebt, dass es auf deutscher Seite großes Unverständnis für das Festhalten an den geschlossenen Grenzübergängen gab und gibt.

„Die schleppende Öffnung hat viel kaputt gemacht. Durch meine regelmäßigen Kontakte südlich der Grenze, habe ich gesehen, dass es dort großes Unverständnis dafür gab, dass es so lange gedauert hat“, meint er.

„Es wurde hinterfragt, ob dies überhaupt noch etwas mit Corona zu tun hat.“

Langfristige Folgen

Nach Jagetic Andersens Einschätzung hat die lange Schließung südlich der Grenze die kritische Sicht auf die dänische Politik verstärkt.

„Die Tatsache, dass es zwei Modelle gab, hat den Nationalismus auf der dänischen Seite in Erinnerung gerufen“, meint sie.

Bereits im Jahr 2016 führte die damalige Venstre-Regierung als Reaktion auf die Flüchtlingskrise die temporären Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze ein. Die corona-bedingte Schließung habe jedoch für das Grenzland eine wesentlich größere Bedeutung gehabt, so die Einschätzung der Forscherin.

„Die temporären Kontrollen hab die Bürger des Grenzlandes nicht in gleiche Weise gespürt. Die Schließung während der Corona-Krise hat den Alltag der Bevölkerung und der Grenzpendler wesentlich direkter betroffen.“

Grenzen wie früher

„Dies wird auf alle Fälle auch langfristige Folgen für die Grenzregion haben. Und dies gilt meiner Auffassung nach nicht nur für das dänisch-deutsche Grenzland, sondern für Grenzregionen in ganz Europa, die Schließungen erlebt haben.“

Die Zeiten, in denen die Grenzen innerhalb des Schengenraums immer geringere Bedeutung hatten, könnten Vergangenheit sein, meint sie.

„Es ist durchaus denkbar, dass wir nach einer Periode mit einer liberalen Einstellung zu den Grenzen, eine Periode erleben werden, wo die Sicherheit wieder eine größere Rolle spielt. Geschieht dies, so wird es deutliche Konsequenzen haben. Die Grenzen bekommen wieder stärker ihre klassische Bedeutung.“

An Tradition der Zusammenarbeit anknüpfen

Der BDN-Vorsitzende meint, das für viele Menschen unverständliche Festhalten an den Kontrollen, habe die grenzüberschreitende Zusammenarbeit negativ beeinflusst.

„Viele sind dadurch verunsichert worden, und fragen sich daher, wann die Grenze das nächste Mal zugemacht wird. Wir werden jedoch alles tun, damit die Zusammenarbeit sich wieder positiv entwickelt“, so Jürgensen.

Und auch wenn die Expertin längerfristige Wirkungen befürchtet, meint sie, die Grenze in den Köpfen könne wieder abgebaut werden.

„Die Voraussetzungen sind im deutsch-dänischen Grenzland besser als anderswo. Hier haben wir eine lange Tradition der engen Zusammenarbeit. Wenn daran gearbeitet wird, kann das Trennende wieder überwunden werden – hoffentlich zumindest“, meint Jagetic Andersen.

Das Institut für Grenzregionsforschung arbeitet an einer Studie darüber, welche Folgen die Corona-Schließungen für die Bevölkerungen in den Grenzregionen Europas gehabt hat.



 

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