Gedenken

Ihr Bruder wurde auf dem Alsensund hingerichtet

Ihr Bruder wurde auf dem Alsensund hingerichtet

Ihr Bruder wurde auf dem Alsensund hingerichtet

Sonderburg/Sønderborg
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Der Bruder von Hilde Ritz und Ida Gatz wurde am 4. Mai 1945 auf dem Alsensund hingerichtet. Gustav Ritz wurde nur 22 Jahre alt. Foto: Karin Riggelsen

Hilde Ritz und Ida Gatz enthüllten den Gedenkstein, der in Sonderburg für ihren Bruder und zehn weitere Marinesoldaten errichtet worden ist. Er war ein liebenswerter Mensch, erinnern sich die beiden Schwestern.

Sie sahen sich zum letzten Mal im Herbst 1943, als ihr Bruder in der Heimat Urlaub machte. Und als die Familie Ritz nach Polen geflüchtet war, gab es noch einen letzten Brief von Gustav Ritz: „Schön, dass ihr gut angekommen seid. Dann sehen wir uns bald wieder.“ Doch aus dem Wiedersehen wurde nichts: Gustav Ritz wurde am 4. Mai 1945 auf dem Alsensund vor Sonderburg hingerichtet und seine Leiche über Bord geworfen.

Die Schwestern Hilde Ritz und Ida Gatz waren am Mittwoch in Nordschleswig dabei, als ein Gedenkstein für Gustav Ritz und zehn weitere Marinesoldaten an der Sonderburger Hafenfront enthüllt wurde.

Für die Familie Ritz – von den insgesamt zwölf Geschwistern leben noch vier – sei der Gedenkstein wichtig, so die beiden Schwestern.

Gustav ist verunglückt

Hilde war kurz vor Kriegsende gerade zehn Jahre alt geworden, als ein Freund ihres Bruders der Familie in einem Brief die traurige Nachricht von Gustav Ritz´ Tod vermittelte.

„Er sei verunglückt, hieß es in dem Brief“, erinnert sich Hilde (85) noch, und auch als der Vater den Freund des Bruders im zerbombten Hamburg besuchte, sprach dieser immer noch von einem Unglück.

„Er hat sich nicht getraut, die Wahrheit zu sagen, um die Familie zu schonen“, erzählt Ida (87) am Kaffeetisch im Hotel Alsik. Von dort sind es nur wenige hundert Meter zur Bucht, wo die Marinesoldaten wegen angeblicher Meuterei hingerichtet wurden.

Erst viel später, als ihre Schwestern mit dem Roten Kreuz kommunizierten, kam die Wahrheit heraus.

Ida Gatz schaut sich den Gedenkstein an der Sonderburger Hafenfront genau an, während sie ein Foto ihres Bruders in der Hand hält. Foto: Karin Riggelsen

Harter Schlag für die Mutter

„Für unsere Mutter war das ein harter Schlag. Gustav war ihr erstgeborener und außerdem verlorenen wir auch einen Bruder an der Front in den Ardennen“, erinnert sich Ida Gatz.

In den 70er Jahren besuchte die Familie die Gräber der Brüder und Ida war vor 25 Jahren zu einer kleinen Gedenkstunde veranstaltet vom Berliner Historiker Jürgen Karwelat ein weiteres Mal in Sonderburg. Später habe sie auch dem Fernsehen über das Schicksal ihres Bruders in Sonderburg berichtet.

Mit 18 in den Krieg

Gustav Ritz wurde mit 18 Jahren eingezogen.

„Gustav war einfach unbezahlbar. Er war ein liebenswerter Mensch, der nur Gutes in sich hatte“, erinnert sich Ida Gatz.

Der Bruder sei beim Aufbau der Familie unentbehrlich gewesen.

„Wir hatten es in unserer Familie nicht leicht. Meine Eltern mussten viermal in ihrem Leben von vorn anfangen und mussten sogar in einem Erdloch wohnen“, erzählt die 87-jährige Ida, die mit ihrer deutschen Familie in der Ukraine aufgewachsen ist.

Ida Gatz: „Vorbildliche Eltern“

Die Eltern wurden während der Russischen Revolution nach Sibirien verschleppt. Später mussten die Eltern dann aus der Ukraine flüchten. Die Familie Ritz stand mitten in der Weltgeschichte und wurde hin- und hergerissen.

„Aber sie waren vorbildliche Eltern und haben uns viel mitgegeben“, sagt Ida Gatz.

Der Familie werde heute noch nachgesagt, sie hätte ein „Helfer-Syndrom“ – was auch für die neuen Generationen gelte, so Ida. Die noch lebenden Brüder würden sich zum Beispiel für die Hilfsarbeit in der Ukraine engagieren und waren auch nach der Atom-Katastrophe von Tschernobyl sozial engagiert.

„Meine Schwester und ich waren beide im Gesundheitswesen aktiv. Es liegt uns einfach nahe, anderen zu helfen“, erzählt die 87-Jährige.

Donnerstag kehrt sie mit ihrer Schwester zurück in ihre neue Heimat nach Helmstedt – mit der Gewissheit und der Genugtuung, dass ihr Bruder und seine Kameraden von der M612 nie vergessen werden.

 

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