Königinbesuch

Deutsche Minderheit entschuldigt sich für Nazi-Zeit

Deutsche Minderheit entschuldigt sich für Nazi-Zeit

Deutsche Minderheit entschuldigt sich für Nazi-Zeit

Apenrade/Sonderburg
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Hinrich Jürgensen entschuldigte sich vor der Königin für die Rolle der Minderheit, die diese in der Nazi-Zeit einnahm. Foto: Cornelius von Tiedemann

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Der Hauptvorsitzende der deutschen Minderheit hat sich für die Rolle der Minderheit in der Nazi-Zeit entschuldigt. Warum dies ein Novum ist und warum Hinrich Jürgensen die Worte so wählte – der Hauptvorsitzende und ein Historiker geben Antworten.

Hinrich Jürgensen, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), hat sich am Sonntag in seiner Rede vor der dänischen Königin und dem deutschen Bundespräsidenten für die Rolle der Minderheit in der Nazi-Zeit entschuldigt. Eine direkte Entschuldigung bei einem solchen Anlass gab es nach Wissen des Nordschleswigers bislang nicht.

Ich habe das Wort Entschuldigung gewählt, um in der Kürze der Zeit etwas deutlich zu machen.

Hinrich Jürgensen, BDN-Hauptvorsitzender

„Ich habe das Wort Entschuldigung gewählt, um in der Kürze der Zeit etwas deutlich zu machen“, so Hinrich Jürgensen.

Die Königin bereiste den Landesteil im Zuge des verschobenen Grenzjubiläums, das Dänemark als „Genforening“ (Wiedervereinigung) feiert. Eigentlich waren für die Feierlichkeiten vier Tage im vergangenen Jahr angesetzt. Nun war 2021 ein Tag angesetzt und das Programm entsprechend komprimiert. Die Kürze der Zeit habe längere Ausführungen nicht erlaubt, er habe eine Kurzform wählen müssen. Diese Wahl sei bewusst gefallen, so Jürgensen. „Ich habe mich dafür entschieden“.

Resonanz hat es nach den Worten des Hauptvorsitzenden bereits gegeben – aus der dänischen Mehrheitsbevölkerung und auch aus der Minderheit. Diese sei sehr positiv ausgefallen, berichtet Jürgensen.

Historiker: Beeindruckendes Statement

Jon Thulstrup, aus der Minderheit stammend, promoviert an der Syddansk Universitet. Sein Thema ist der Wandel der Erinnerungskultur in der deutschen Minderheit. Auch der Historiker sieht in dem Gesagten ein Novum, das ihm nach eigener Aussage direkt aufgefallen ist. Die Worte, die der Hauptvorsitzende gewählt habe, seien bemerkenswert, beeindruckend. „Die Sätze haben es in sich. Hinrich Jürgensen hat mit dem kurzen Text viel gesagt und viel Neues gesagt. Es ist ein beeindruckendes Statement“, so Thulstrup.

Die Sätze haben es in sich.

Jon Thulstrup, Sydansk Universitet

Er gibt zu bedenken, dass diese Sätze vor 35 bis 40 Jahren undenkbar gewesen wären. Seinem Studium der Quellen nach ist die Mentalität noch damals eine andere gewesen. Die Ansicht, Geschehenes als eine Pflicht gegenüber Deutschland zu sehen, sei verbreitet gewesen, so Thulstrup.

„Der Diskurs hat sich in den vergangenen Jahren total verändert“, so Thulstrup. Es werde anders auf die Geschichte geschaut. Nun sei es spannend zu beobachten, inwieweit Hinrich Jürgensens Rede vor der Königin und dem Bundespräsidenten in der dänischen Mehrheitsbevölkerung aufgenommen wird.

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