Königinbesuch

„Deutsch oder dänisch muss keine Wahl sein“

„Deutsch oder dänisch muss keine Wahl sein“

„Deutsch oder dänisch muss keine Wahl sein“

Sonderburg/Sønderborg
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Hinrich Jürgensen begrüßte Königin Margrethe in Sonderburg. Foto: Cornelius von Tiedemann

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Deutsches Museum: Im Schnelldurchlauf besuchten Königin, Bundespräsident und Regierungschefin den Neubau der Minderheit und pflanzten symbolisch eine deutsche Eiche und eine dänische Buche. Der Chef der Minderheit dankte – und entschuldigte sich.

Der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen, begann seine an Dänemarks Königin, Deutschlands Bundespräsidenten und Dänemarks Regierungschefin gerichtete Rede am Deutschen Museum in Sonderburg mit einem bemerkenswerten Statement: „Auf die Welt gekommen sind wir nicht freiwillig, denn die Volksabstimmung wurde 1920 als Niederlage angesehen und die Minderheit kämpfte für eine Grenzrevision. Ein Kampf, der auch zur Nazifizierung und Beteiligung am 2. Weltkrieg führte. Es ist eine Vergangenheit, auf die wir nicht stolz sind und für die wir uns entschuldigen, die aber zu unserer Geschichte gehört. Das zeigen wir auch in unserem Museum.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der BDN-Vorsitzende Hinrich Jürgensen und Königin Margrethe II in Sonderburg im Sommer 2021. Foto: Cornelius von Tiedemann

Identität muss keine Entscheidung zwischen zwei Alternativen sein

Jürgensen betonte, 101 Jahre nach der friedlichen Grenzziehung von 1920, dass die Frage nach Identität in der Minderheit ganz zentral sei, dass sie hier im deutsch-dänischen Grenzland aber nicht wie anderswo schwarz-weiß beantwortet werde: „Ich denke, dass die Angehörigen der Minderheit zeigen, dass man durchaus mit mehreren Identitäten leben kann, dass deutsch oder dänisch keine Wahl sein muss, sondern eine Ergänzung: Wir haben nicht nur eine Königin, sondern auch einen Bundespräsidenten.“

Um dies zu symbolisieren, „pflanzten“ die beiden Staatsoberhäupter gemeinsam eine „deutsche“ Eiche und eine „dänische“ Buche, mit einer blauen und einer gelben Schaufel, den Farben der deutschen Minderheit und Schleswigs.

Hnrich Jürgensen
Ein gefragter Mann: Auch bundesweite deutsche Medien berichteten aus Sonderburg. Foto: Cornelius von Tiedemann

Grella: Ein „Ritterschlag“

Museumsleiter Hauke Grella, der den hohen Besuch zuvor durch das Museum geführt hatte, sprach im Anschluss von einem Erfolg: „Ich konnte doch merken, dass das alle sehr interessiert hat. Sie haben auch die Blicke schweifen lassen auf das, was wir sonst noch zu bieten haben.“

Es wurde auch die eine oder andere Nachfrage gestellt – und das, obwohl der Zeitplan äußerst eng war. Für ein „verhältnismäßig kleines Museum“ und das Team, sei dieser Besuch wie „ein Ritterschlag“ gewesen.

Bisherige royale Besuche und Besuche von Bundespräsidenten bei der deutschen Minderheit in Nordschleswig

16. Juni 1979: Besuch von Bundespräsident Walter Scheel, Königin Margrethe kam aus diesem Anlass mit der “Danebrog” nach Apenrade und gab einen Empfang für den Bundespräsidenten und Vertreter der deutschen Minderheit
24. Juli 1986: Besuch von Königin Margrethe und Prinz Henrik.
27. April 1989: Besuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker.
29. Mai 1997: Besuch von Prinz Joachim und Prinzessin Alexandra.
20. Juli 1998: Gemeinsamer Besuch von Königin Margrethe und Bundespräsident Roman Herzog.
31. Juli 2008: Besuch des Kronprinzenpaares 




Die Rede von Hinrich Jürgensen im Wortlaut:

Es ist uns eine große Ehre und Freude, dass Sie am heutigen Tag auch die deutsche Minderheit besuchen.

Wir, die deutsche Minderheit, konnten im letzten Jahr unseren 100. Geburtstag feiern. Auf die Welt gekommen sind wir nicht freiwillig, denn die Volksabstimmung wurde 1920 als Niederlage angesehen und die Minderheit kämpfte für eine Grenzrevision. Ein Kampf, der auch zur Nazifizierung und Beteiligung am 2. Weltkrieg führte.


Es ist eine Vergangenheit, auf die wir nicht stolz sind und für die wir uns entschuldigen, die aber zu unserer Geschichte gehört. Das zeigen wir auch in unserem Museum.
Wir haben aber aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.


Dafür steht an zentraler Stelle die Loyalitätserklärung, die wir im November 1945 abgegeben haben. In dieser Erklärung beteuern die deutschen Nordschleswiger ihre Loyalität gegenüber Dänemark und – besonders wichtig – erkennen die Grenze von 1920 an. Es war unsere Art zu sagen „Auch wir gehören zu Dänemark“.


Die Loyalitätserklärung war der erste Schritt auf einem Weg von der Feindschaft zur Freundschaft.


Weitere wichtige Schritte waren die Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 und der Besuch Ihrer Majestät vom Juli 1986 sowie der gemeinsame Besuch mit Bundespräsident Herzog vom Juli 1998 und der Besuch des Kronprinzenpaares im Sommer 2008.

Das waren deutliche Zeichen zur Anerkennung der deutschen Minderheit. Dafür sind wir Ihnen, Majestät, von ganzem Herzen dankbar.


Auch die Einbindung der deutschen Minderheit in die Feierlichkeiten anlässlich des 75. Jahrestages der dänischen Wiedervereinigungsfeier und damit die Rede des damaligen BDN-Vorsitzenden Hans Heinrich Hansen war ein entscheidender Schritt. Er betonte damals, dass der Traum einer friedlichen Nachbarschaft in unserem Grenzland Wirklichkeit geworden ist.


Heute können wir sagen, dass aus Nachbarn Freunde geworden sind. Diese Erfolgsgeschichte möchten wir teilen. Deshalb haben wir uns gemeinsam mit den beiden Staaten um die Anerkennung des Zusammenlebens im Grenzland als immaterielles Kulturerbe der UNESCO beworben.


Umdrehungspunkt unseres neuen Museums ist Identität. Darum ging es 1920: Jeder wurde gezwungen sich für eine – und nur eine – Identität zu entscheiden: Deutsch oder Dänisch?
Aber muss man das heute immer noch? Ich denke, dass die Angehörigen der Minderheit zeigen, dass man durchaus mit mehreren Identitäten leben kann, dass deutsch oder dänisch keine Wahl sein muss, sondern eine Ergänzung: Wir haben nicht nur eine Königin, sondern auch einen Bundespräsidenten.


Als Symbol dafür und für die gute Nachbarschaft von Deutschen und Dänen möchten wir Ihre Majestät und Sie Herrn Bundespräsident bitten, diese beiden Bäume zu pflanzen: Die dänische Buche und die deutsche Eiche, mögen sie gemeinsam gedeihen.


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Leitartikel

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
„Roulette Royal“