Krieg in der Ukraine

Herzergreifende Begegnungen mit ukrainischen Flüchtlingen

Herzergreifende Begegnungen mit ukrainischen Flüchtlingen

Herzergreifende Begegnungen mit ukrainischen Flüchtlingen

Bau/Bov  
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Sind ehrenamtlich als Dolmetscher für das Rote Kreuz im Flüchtlingsregistrierungscenter in Bau im Einsatz: Ira und Jurij Bogovic. Foto: Karin Riggelsen

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Bibliothekarin Ira Bogovic kann Russisch und versteht Ukrainisch. Sie hat sich als Aushilfsdolmetscherin für das Rote Kreuz im Flüchtlings-Registrierungscenter in Bau zur Verfügung gestellt. Obwohl sie noch nicht oft im Einsatz war, hat sie bereits viele herzergreifende Momente erlebt und ist vom Einsatz der Polizisten vor Ort angetan.

Ira Bogovic ist Bibliothekarin an der Deutschen Zentralbücherei Apenrade (Aabenraa), lebt in Nordschleswig und ist mit einem Mann aus Belarus verheiratet.

Sie hat vor dem Studium zur Bibliothekarin Betriebswirtschaftslehre in der Ukraine studiert, kennt Osteuropa auch als ehemalige DDR-Bürgerin gut, spricht Russisch und versteht die ukrainische Sprache.

Mit den Sprachkenntnissen könne sie doch helfen, wenn Ukrainer, die vor dem Krieg in ihrem Land und vor der Invasion Russlands flüchten, in Dänemark ankommen, sagte sich die Bibliothekarin.

Ursprünglich wollte sie in ihrer Heimatkommune in Sonderburg (Sønderborg) helfen und wandte sich an das Rote Kreuz.

Die Hilfsorganisation fragte aber, ob sie auch im Registrierungscenter in Bau in unmittelbarer Grenznähe tätig sein könnte, da dort Dolmetscher dringend gebraucht würden.

Ganz spontan im Hilfseinsatz

„Das stand für mich außer Frage. Ich habe mich auf die Liste eintragen lassen mit dem Vermerk, dass ich am besten von 16 bis 20 Uhr einsatzbereit bin. Es kam am Dienstagfrüh dann bereits ein Anruf mit der Frage, ob ich am Vormittag schon kommen könnte. Als ich Claudia Knauer (Büchereidirektorin, red. Anm.) von der Anfrage erzählte, stellte sie mich sofort frei, und ich bin dann los“, berichtet Ira Bogovic von ihrem allerersten Einsatz im Registrierungscenter.

Ira Bogovic Foto: Karin Riggelsen

Auch ihr Mann Jurij, Doktor der Medizin, hat sich als Helfer und Dolmetscher zur Verfügung gestellt.

Ira Bogovic sprach mit den Menschen, vermittelte zwischen Polizei und Ukrainern und half, die Flüchtlinge in Empfang zu nehmen und sie mit Kaffee, Tee und Lebensmitteln zu versorgen.

„Es waren vor allem Frauen und Kinder, die zum Teil vier Tage lang oder noch länger unterwegs gewesen waren. Sie konnten nur das Nötigste mitnehmen. Einige hatten nur eine große Tüte bei sich“, so Bogovic über ihren ersten Einsatz.

Aus Personenschutzgründen dürfe sie nicht ins Detail gehen, und da Presse im Center nicht zugelassen ist, kann man ihr bei ihrem Einsatz nicht über die Schulter schauen.

Denkwürdige Augenblicke

Ein wenig kann sie aber teilhaben lassen an den zum Teil herzergreifenden Begegnungen und Wortwechseln, die sie bislang gehabt hat.

So stimmte nachdenklich, was eine Ukrainerin über den Krieg und die absurde Lage in Europa von sich gab.

„Sie sagte, dass wenn ihr Großvater noch leben würde, der den Zweiten Weltkrieg mitbekommen hatte, und man ihm sagen würde, dass Russland die Ukraine angreift und unter anderem Deutsche flüchtenden Ukrainern helfen, dann wäre er vom Glauben abgefallen.“

Die Presse hat zum Registrierungscenter keinen Zutritt. Foto: Karin Riggelsen

Bei der Betreuung der ankommenden Flüchtlinge in Bau hatte Ira Bogovic noch einen anderen Moment, der unter die Haut ging und der die tragische Situation und die Notlage flüchtender Ukrainer widerspiegelte.

„Da war ein Mädchen im Teenageralter, die, wie viele andere, kaum Gepäck mitnehmen konnte. Sie hatte eine kleine Tasche dabei. Als sie sie öffnete, war da eine Katze drin. Wir haben im Aufnahmecenter dann auch eine Katze mit Nahrung und Wasser versorgt“, berichtet Ira Bogovic. Es war offensichtlich die Katze der Familie, die das Mädchen retten wollte.

Mitfühlend

„Das Mädchen sagte noch, dass ihre Familie in einem schönen Haus wohnte und dass sie es nie verlassen hätte, wenn der Krieg nicht ausgebrochen wäre.“

Man fühle da mit den Menschen, so die Aushilfsdolmetscherin.

In den Gesichtern vieler Flüchtlinge waren das Entsetzen und die Angst um Angehörige und um die Zukunft des Landes abzulesen.

Das Mädchen sagte noch, dass ihre Familie in einem schönen Haus wohnte und dass sie es nie verlassen hätte, wenn der Krieg nicht ausgebrochen wäre.

Ira Bogovic

Anzumerken war den Menschen aber auch die Dankbarkeit über die Hilfe, die sie auf der Flucht jetzt in Dänemark bekommen und zuvor in anderen Ländern bekommen haben.

„Vor allem das Land Polen hoben viele hervor. Die Unterstützung sei trotz großer Menschenmengen hervorragend gewesen“, so Bogovic.

Als Nachbarland ist Polen die erste Anlaufstelle für Ukrainer, die in Richtung Westen fliehen.

Doch auch in Bau kurz hinter der deutschen Grenze sind Behörden und Organisationen bemüht, die Flüchtlinge so zuvorkommend wie möglich zu empfangen.

Rücksichtsvolle Polizisten

Ukrainer hätten ihr immer wieder zurückgemeldet, dass die Polizeibeamten sehr nett sind, immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen haben und sogar helfen, das Gepäck zu tragen, so Ira Bogovic.

Auch sie lasse auf die Beamten nichts kommen, wie sie sagt.

„Sie tun alles, um den Flüchtlingen die Angst zu nehmen und ihnen beizustehen.“

Beamte hätten wiederholt betont, dass niemand getrennt wird. Auch Familien, bei denen einige einen biometrischen Pass haben und andere nicht, würden zusammenbleiben können. Das sei immer wieder gesagt worden. 

„Als das mitgeteilt wurde, war eine große Erleichterung zu spüren“, berichtet Ira Bogovic.

Dass ukrainische Flüchtlinge wegen unzureichender Dokumente nicht weiter in Richtung Norden konnten und vorübergehend in Flensburg strandeten, habe sie nicht mitbekommen.

Einsatz fortsetzen

Wie ihr Mann, der großer Gegner der pro-russischen Regierung seines Heimatlandes Belarus ist und das Handeln Russlands verurteilt, möchte sie ihre Dienste weiter zur Verfügung stellen.

Wenn akut Hilfe benötigt wird, würde sie auch ihren Dienst schieben, so die Bibliothekarin.

Am Donnerstag war Ira Bogovic, wie ihr Mann auch, erneut im Aufnahmecenter in Bau, um mit Rat und Tat und Sprachkenntnissen bei der Entgegennahme der Flüchtlinge zu helfen.

Auch an dem Tag gab es viel zu tun, und es habe auch wieder kleine Lichtblicke mit Polizeibeamten gegeben, die das Leid der Flüchtlinge für einen Augenblick vergessen machten.

„Von den Familien werden Gruppenfotos zur Registrierung gemacht. Ab und zu drucken Beamte ein Foto aus und schenken es den Familien mit einem Lächeln. Der Kontakt zu den Flüchtlingen ist wirklich nett und oft sogar rührend“, so Ira Bogovic mit Anerkennung für die Beamten vor Ort.

Motivierende Momente

„Eine kleine alte Frau stand vor einem sehr großen Polizisten und schaute ihn von unten an. Sie wollte ihm etwas sagen. Ich bin zum Übersetzen dann hingegangen. Ob er nicht mindestens zwei Meter groß sei, war die Frage an ihn. Er erwiderte mit einem Lachen, dass da leider noch ein, zwei Zentimeter fehlen. Der kleine Austausch hatte etwas ganz Liebes.“

Solche Momente motivieren zum solidarischen Helfen. Man müsse einfach zusammenstehen und hoffen, dass das kriegerische Vorgehen Russlands ein Ende nimmt.

Die Angst bleibe aber „bei so einem Verrückten“, so Bogovic.

Den Namen des berüchtigten Kriegstreibers spricht sie gar nicht erst aus. Den kennt die ganze Welt.

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