Leitartikel

„Bahnverkehr im Grenzland: Wie die Alternative zur Alternative wird“

Bahnverkehr im Grenzland: Wie die Alternative zur Alternative wird

Bahnverkehr: Wie die Alternative zur Alternative wird

Apenrade/Aabenraa
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Im Grenzland ist der öffentliche Personennahverkehr überschaubar. Damit sich das in Zukunft ändert, muss viel passieren. Foto: dpa

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Verantwortliche sollten sich fragen, unter welchen Bedingungen sie selbst das Auto für den ÖPNV stehen lassen würden, bevor sie Angebote für den grenzüberschreitenden Bus- und Bahnverkehr entwickeln, fordert Journalist Gerrit Hencke in seinem Leitartikel. Eine Alternative muss bequemer sein als das Auto.

Will man aus Südschleswig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln über die Grenze, ist das Angebot überschaubar. Pendeln, etwa von Flensburg nach Apenrade, das ist mit dem Zug gar nicht und mit dem Bus nur unter erschwerten Bedingungen möglich. In die andere Richtung sieht es ähnlich aus. Mit dem Zug zum Konzert in die Nachbarstadt oder gar nach Hamburg? Umständlich. Eine Alternative? Nein. Attraktiv? Nein. Eine Zeitersparnis? Nein. Es ist kein Wunder, dass die meisten auf individuelle Mobilität setzen und das Auto nutzen.

Dänemark, Deutschland, Schleswig-Holstein: Sie alle haben Klimapläne und -gesetze. Großes Einsparpotenzial beim CO2-Ausstoß bietet der Verkehrssektor. Doch das Angebot im regionalen und überregionalen Bahnverkehr ist im Grenzland spürbar gering und könnte in Zukunft sogar noch geringer ausfallen.

Fehlendes Interesse?

Geeignete Buslinien, die eine wirkliche und bequeme Alternative zum Pkw darstellen, gibt es ebenfalls kaum. Die unter anderem von der Stadt Flensburg subventionierte Buslinie 110 von Flensburg nach Sonderburg ist eine der wenigen Routen, die nicht in der nächsten Grenzstadt enden. Die Förderung endet spätestens 2026. Wie es dann weitergeht, ist offen. 

Süd- und Nordschleswig sind beim grenzüberschreitenden Verkehr noch lange nicht so zusammengewachsen, wie es in anderen Bereichen der Fall ist. Das liegt nicht allein an einem unterschiedlichen Bahnstromnetz und der Wirtschaftlichkeit einzelner Busverbindungen, sondern offenbar auch an fehlendem Interesse an entscheidenden Stellen.

Abgehängtes Grenzland

Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) fordert seit Jahren vehement einen attraktiven grenzüberschreitenden Verkehr mit attraktiver Taktung und in beiden Ländern geltenden Tarifen. Kürzlich rief der SSW den schleswig-holsteinischen Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen dazu auf, das Thema Grenzverkehr auf die Agenda ganz nach oben zu setzen.

Das Problem: Das Grenzland könnte bald ganz abgehängt werden, wenn Dänemark seinen neuen Zugplan umsetzt und die neuen Schienenfahrzeuge eingesetzt werden, die nicht im deutschen Stromnetz fahren können. Dann würde der ohnehin kaum vorhandene Grenzverkehr noch weniger werden.

Und auch im überregionalen Fernverkehr sieht es mau aus. Flensburgs Oberbürgermeister Fabian Geyer wünscht sich daher im Interview mit dem Nordschleswiger“ schnellstmöglich einen Fernbahnhof in Weiche, der das Grenzland mit einem Intercity in einem stündlichen Takt mit der Metropolregion Hamburg verbindet. Ein Halt, kürzere Fahrzeit. Das würde nicht nur einem modernen Arbeitsleben und der Mobilitätswende entgegenkommen, es wäre 2023 auch einfach ein dringend nötiger Schritt zu einem klimafreundlicheren Verkehr.

Der Schlüssel zur Alternative

Die bisherige Fahrzeit mit der Regionalbahn nach Hamburg beträgt zwei Stunden – Verspätungen nicht eingerechnet. Auch mit dem Auto braucht man ähnlich lange. Die Fahrzeit wird sich hier durch den geplanten Neubau der Rader Hochbrücke bei Rendsburg und die regelmäßigen Staus auf der A7 im Raum Hamburg künftig noch verlängern. Somit rückt die Metropolregion noch etwas weiter weg.

Ob das Grenzland die drohende Abwärtsspirale stoppen kann, entscheidet sich noch in diesem Jahrzehnt. Daher ist jetzt entschlossenes Handeln auf beiden Seiten der Grenze angesagt, wenn man an einer Verkehrswende wirklich interessiert ist. Dabei sollten sich die Entscheiderinnen und Entscheider auch fragen, unter welchen Bedingungen sie selbst das Auto für den ÖPNV stehen lassen würden. Der Schlüssel liegt in Preis, Taktung, Verfügbarkeit von Routen und Zeitersparnis. Alles andere ist keine Alternative. Der Mensch ist bequem, daher muss man ihm ein Angebot schaffen, das bequemer ist als ein Auto. 

 

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