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Stefan Seidler: „Minderheitenpolitik ist Friedenspolitik“

Stefan Seidler: „Minderheitenpolitik ist Friedenspolitik“

Stefan Seidler: „Minderheitenpolitik ist Friedenspolitik“

Mögeltondern/Møgeltønder
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Stefan Seidler vor Schloss Schackenborg
Auf Schloss Schackenborg hielt der Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler (SSW) einen Vortrag über seine Arbeit in Berlin. Foto: Gerrit Hencke

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Im Interview mit dem „Nordschleswiger“ spricht Stefan Seidler über die Wahrnehmung der Minderheiten im politischen Berlin, die Grenzkontrollen und warum er entschlossenes Handeln beim Bus- und Bahnverkehr im Grenzland fordert.

Der Bundestagsabgeordnete des südschleswigschen Wählerverbandes (SSW), Stefan Seidler, hielt am Montagabend einen Vortrag auf Schloss Schackenborg in Mögeltondern über seine Arbeit in Berlin, seine Arbeit für das Grenzland und die in Deutschland ausgerufene „Zeitenwende“. „Der Nordschleswiger“ traf den 44-Jährigen vorab im Schlosspark auf ein kurzes Gespräch. 

Stefan, es gab ja anfänglich die Befürchtung, wenn ein Mitglied aus der Minderheit im Bundestag sitzt, dass sich die anderen Parteien zurücklehnen können und sagen: Ach, jetzt ist ja einer von der Minderheit da, der sich um Minderheitenpolitik kümmert, da müssen wir gar nichts mehr tun. Wie ist deine Einschätzung nach der ersten Zeit?

„Das Gegenteil ist der Fall. Aus meiner Sicht führt es zu deutlich mehr Beschäftigung mit Minderheitenpolitik im Parlament. Das sieht man zum Beispiel am interfraktionell besetzten Parlamentskreis Minderheiten, der sich in dieser Wahlperiode das erste Mal konstituiert hat und dem meine Kollegin Denise Loop von den Grünen und ich gemeinsam vorsitzen. So ein Parlamentskreis dient dem thematisch fokussierten Austausch der Abgeordneten neben den Themen, die im Plenum diskutiert werden. Es freut mich, dass der Parlamentskreis bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag regelmäßig auf großes Interesse stößt. Aber das ist nicht alles: Wir hatten im Bundestag in diesem Jahr auch eine Debatte zu 25 Jahren EU-Charta der Regional- und Minderheitensprachen, die bundesweit viel mediale Aufmerksamkeit erhalten hat. Die Debatte hat mir unter anderem die Möglichkeit gegeben, meine Rede im Plenum auf Dänisch, Friesisch und Platt zu halten. Das war schon ein besonderer Moment und ein wichtiges Zeichen des Parlaments. Gerade in diesen Zeiten, in denen der Krieg zurück nach Europa gekehrt ist, müssen wir uns immer wieder bewusst machen, dass Minderheitenpolitik Friedenspolitik ist.“

Jetzt bist du natürlich Vertreter der dänischen Minderheit, ich habe aber den Eindruck, dass du auch Einfluss auf die deutsche Minderheit hast, was die Bekanntheit angeht. Viele sehen immer nur die dänische Minderheit, aber dass es in Dänemark auch eine deutsche Minderheit gibt, ist vielen, glaube ich, gar nicht so bewusst. Inwiefern arbeitest du eigentlich für die deutsche Minderheit mit?

„Meine Wurzeln sind in der dänischen Minderheit. Das ist kein Geheimnis. Im Bundestag vertrete ich als Abgeordneter des SSW die dänische und friesische Minderheit. Politisch arbeite ich in Berlin für unser Grenzland. Menschen, die hier wohnen, wissen, dass es dafür keine klaren Linien gibt. Manche Themen betreffen deshalb auch die deutsche Minderheit in Dänemark. Ich freue mich, dass wir eine ausgezeichnete Zusammenarbeit haben. Der SSW hat über die Jahre hinweg auch eine tolle Zusammenarbeit mit der Schleswigschen Partei (SP) und dem BDN (Bund Deutscher Nordschleswiger) aufgebaut. Erst vor kurzem konnte ich mich bei einem Besuch davon überzeugen. Ganz allgemein ist es mir wichtig, die Sichtbarkeit von Minderheiten im politischen Diskurs zu erhöhen. Das bedeutet auch, als Ansprechpartner für Angelegenheiten von Minderheiten wahrgenommen zu werden.“

Ich habe dich in den vergangenen Monaten immer als Verfechter gegen die Grenzkontrollen erlebt. SSW und SP haben ja auch gemeinsam demonstriert. Jetzt soll es ab 12. Mai Lockerungen geben. Wie ist deine Einschätzung, wie geht das weiter?

„Also ich bin nach wie vor gespannt. Ich werde den Erfolg erst bemessen, wenn ich konkrete Ergebnisse an der Grenze erlebe. Natürlich haben wir zusammen hier im Grenzland, auf beiden Seiten der Grenze, intensiv für das Ende der rechtswidrigen Kontrollen gekämpft. Ich denke, es ist unser gemeinsamer Verdienst, dass sich jetzt etwas bewegt. Wir werden in den kommenden Wochen sehen, wie sich die Situation an der Grenze verändert. Unser Ziel ist und bleibt das komplette Ende der Kontrollen. Das habe ich bei meinen Besuchen in Kopenhagen immer wieder betont. Klar ist auch, bei der Zusammenarbeit der Polizei an der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark gibt es noch Luft nach oben. Jedes Mal, wenn ich in Kopenhagen bin, stoße ich bei Politikerinnen und Politikern diesbezüglich auf offene Ohren und auch auf Zustimmung. Da möchte ich dranbleiben.“ 

Es gibt eine Buslinie, die 110 nach Sonderburg, die grenzüberschreitend fährt. Die Stadt Flensburg finanziert diese für die kommenden zwei Jahre mit. Danach ist noch offen, was passiert. Es gibt den Wunsch, dass das Land Schleswig-Holstein in die Bresche springt, aber sollte die Linie eingestellt werden, wird es keinen grenzüberschreitenden ÖPNV mehr geben. Zusätzlich besteht ja der Wunsch nach einem Fernbahnhof in Weiche, damit das Grenzland in Zukunft nicht abgehängt wird.

„Wir haben ein riesiges Problem bei den öffentlichen Verkehrsmitteln im Grenzland. Das betrifft nicht nur den Bus, sondern auch den regionalen und internationalen Bahnverkehr. Das gesamte Grenzland droht in Zukunft abgehängt zu werden, denn Dänemark plant in ein paar Jahren die Neuordnung seines Bahnverkehrs. Wir erleben jetzt schon, dass internationale Züge bei uns in Flensburg ohne Halt vorbeirauschen. Die EU will zwar eine Stärkung des internationalen Bahnverkehrs erreichen, aber bisher ist keineswegs sicher, ob das Grenzland davon profitieren wird. Grenzüberschreitender Verkehr passt häufig nicht in die Standardlösungen, die in Berlin und Kopenhagen entworfen werden. Ich sehe es als meine Aufgabe an, darauf hinzuweisen und für zukunftsweisende, regionale Lösungen zu werben. So ist das ÖPNV-Angebot zwischen Flensburg und Sonderburg einfach nicht besonders attraktiv. Das muss sich ändern. Wir müssen die Verkehrswende grenzüberschreitend denken, visionärer sein und Dinge anstoßen. Wenn wir da zusammenarbeiten, profitieren alle. Ein zentraler Knoten für den internationalen Bahnverkehr in Flensburg-Weiche ist da ein Ansatz für das Grenzland. Es gibt noch weitere Optionen, die das Leben für die Menschen hier attraktiver machen können und auch für Touristen interessant sind. Gerade der Verkehrsbereich ist mir in meiner Arbeit eine Herzensangelegenheit. In den vergangenen Jahren ist der Norden oft vergessen worden. Das kann so nicht bleiben.“ 

Eine letzte Frage: Was wünschst du dir für den SSW zur Kommunalwahl im Mai?

„Natürlich wünsche ich mir ein super Ergebnis. Auf Landesebene in Schleswig-Holstein sind die aktuellen Umfragewerte des SSW sehr gut. Das gibt massiv Rückenwind für die Kommunalwahl. Natürlich haben Kommunalwahlen ihre eigenen Regeln, deshalb muss man das mit Vorsicht genießen. Aber wenn wir uns anschauen, wie es dem SSW im Augenblick geht, dann hoffe ich, dass die gute Arbeit, die wir im Land machen, die wir im Bund machen, und die wir bisher auf jeden Fall auch in den Kommunen gemacht haben, Früchte tragen wird und der SSW ein gutes Ergebnis erreichen wird.“

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