Anke Spoorendonk

Abschied der ersten SSW-Ministerin

Abschied der ersten SSW-Ministerin

Abschied der ersten SSW-Ministerin

shz.de/Martin Schulte
Flensburg
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Die ehemalige schleswig-holsteinische Europaministerin Anke Spoorendonk (SSW) galt stets als Bindeglied nach Dänemark. Foto: Archiv: Riggelsen

Die Amtszeit der ersten SSW-Ministerin Anke Spoorendonk endet. Spuren hat sie vor allem im Kulturbereich hinterlassen.

Die Amtszeit der ersten SSW-Ministerin Anke Spoorendonk endet. Spuren hat sie vor allem im Kulturbereich hinterlassen.

Es ist ihr letzter Tag in diesem Büro. Hier, im 1. Stock des Justizministeriums, hat Anke Spoorendonk fünf Jahre gesessen, ein großer heller Raum mit Blick auf den Kleinen Kiel. In diesem Raum wird heute ihre politische Karriere enden; es ist eine Karriere, die auch eine historische Komponente hat.

Denn in der sogenannten Küstenkoalition war erstmals der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) an der Regierung beteiligt, Spoorendonk war die erste Ministerin der Partei der dänischen Minderheit, in einem Bündnis mit SPD und Grünen. Jetzt ist die Küstenkoalition abgewählt und mit ihr auch die erste Ministerin des SSW. Spoorendonk hatte allerdings schon vorher ihren Rückzug aus der Politik bekannt gegeben. Sie wird im September 70 Jahre alt, und sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihr das Privatleben wichtig ist. Spoorendonk hat zwei Kinder und sechs Enkel. „Es ist der richtige Zeitpunkt für den Rückzug“, sagt sie.

Und es war der richtige Zeitpunkt für den Eintritt in das Kabinett des Ministerpräsidenten Torsten Albig, damals vor fünf Jahren. „Minderheitenpolitik darf nicht nur Interessensvertretung sein, man muss auch den Willen zur Gestaltung haben.“ Damals war die Minderheit in Aufruhr, weil die Zuschüsse des Landes gekürzt worden waren, auch für die dänischen Bildungseinrichtungen in Schleswig-Holstein. „Unsere Kinder sind auch 100 Prozent wert“, lautete der wütende Protest-Slogan der Minderheit, und Spoorendonk sorgte nach ihrem Amtsantritt als Ministerin für Justiz, Kultur und Europa schnell dafür, dass diese 100 Prozent wieder erreicht wurden. Das wird in Erinnerung bleiben – und was noch?

Der Zuschnitt ihres Ministeriums mutete immer etwas sperrig an, Kultur und Justiz und Europa sind heterogene Themen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammenpassen. Da widerspricht Spoorendonk energisch, sie richtet sich dabei in ihrem Stuhl auf: „Ich wollte diese Themen, deshalb hat die Kombination für mich auch immer gepasst.“ Man muss es ihr glauben.

Als Justizministerin blieb sie unauffällig, würde man es unfreundlich formulieren wollen, dann könnte man auch sagen: Sie blieb blass – bis auf die Situationen, in denen sie in der Kritik stand. Das galt besonders für den Fluchtversuch von zwei Häftlingen der JVA Lübeck am Heiligen Abend des Jahres 2014. Die Häftlinge nahmen einen Justizvollzugsbeamten als Geisel, sie wurden früh gestoppt, aber schnell war von einem Skandal die Rede, auch weil die Polizei erst einen Tag später von der versuchten Flucht erfuhr.  „Diese Kritik hat mich maßlos geärgert, weil sie deutlich unter die Gürtellinie ging“, sagt Spoorendonk. Aber sie räumt auch eigene Fehler ein, gerade in der Kommunikation der Hintergründe. „Ich habe diese Zeit damals für mich schwieriger gestaltet, als es nötig gewesen wäre.“ Trotzdem, so sagt sie, möchte sie ihre Arbeit als Justizministerin nicht missen.

Eine sachliche Aussage, die im Kontrast steht zu der Leidenschaft, mit der sie über ihre Zuständigkeit für die Kultur spricht. „Das war ein ganz anderes Thema, weil wir da bei Null angefangen haben. Der Kultur fehlte das Fundament.“ In der Tat war die Stimmung in der schleswig-holsteinischen Kulturlandschaft schlecht, unter dem FDP-Minister Ekkehard Klug fehlte alles: Kommunikation, Vertrauen, Geld. Spoorendonk wusste das, und sie tat das Naheliegende: Sie sprach mit den Beteiligten, hörte viel zu und bot einen ehrlichen Dialog. Kurz: Sie kümmerte sich.

Spoorendonk initiierte den Kulturdialog, in unzähligen Runden wurden Leitbilder für die Kultur in Schleswig-Holstein formuliert. Was soll gefördert werden? Wie müssen sich die Organisationen miteinander vernetzen? Es wurde vieles zu Papier gebracht, umfangreiche Konzepte entstanden. Nicht alles war sinnvoll, der Nutzen der sogenannten Kulturknotenpunkte ist bis heute umstritten.

Aber all diesen Bemühungen war eines gemein – die Beteiligten fühlten sich wahr und vor allem: ernst genommen. „Ich rechne allen hoch an, dass sie sich auf den Kulturdialog eingelassen haben“, sagt Spoorendonk, deren Abgang viele Verantwortliche im Kulturbereich bedauern. Die Ministerin ist keine besonders talentierte Rednerin, aber eine geduldige Zuhörerin. Sie wirkt manchmal unsicher, aber sie ist verlässlich und, selten genug in der Politik: Sie ist nicht eitel. Sie hat keine langfristigen Zukunftskonzepte geschrieben, aber in einigen echten Problembereichen tragfähige Lösungen präsentiert. Mit dem Theaterkonzept hat sie schon relativ früh in ihrer Amtszeit den Erhalt der drei großen Bühnen  vorerst gesichert. Sie hat das Geld für die Sanierung der Lübecker Musik- und Kongresshalle aufgetrieben und Bundesmittel für den Umbau  des Innenbereichs von Schloss Gottorf. Dieser Einsatz wird ihr angerechnet: Wo man sich umhört, sind die Reaktionen überwiegend positiv.

Und ein Blick in den Koalitionsvertrag des Jamaika-Bündnisses zeigt, dass die Kulturpolitik der Vorgängerregierung so schlecht nicht war. „Dieser Vertrag führt weiter, was wir beschlossen haben“, sagt Spoorendonk. Darüber hinaus äußert sie die Hoffnung, dass die Kultur auch unter der neuen Ministerin Karin Prien als eigenständiger Bereich und nicht als ministerielles Anhängsel wahrgenommen werde. Denn Schule und Bildung, das weiß die ehemalige Lehrerin für Deutsch und Geschichte, werden als dominierende Wahlkampfthemen einen Großteil der Kapazitäten binden.

Anke Spoorendonk wird das künftig aus einer anderen Perspektive beurteilen. Heute, nachdem sie den Schlüssel für ihr Ministerium abgegeben hat, wird sie kurz heimfahren und dann in Flensburg ein Sinfoniekonzert besuchen. Nicht als Ministerin, wie in den Jahren zuvor – sondern als Rentnerin.

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