Vergleich zu Dänemark

Warum Lockerungen für Christian Drosten erst ab Ostern realistisch sind

Warum Lockerungen für Christian Drosten erst ab Ostern realistisch sind

Drosten: Lockerungen erst ab Ostern realistisch

SHZ
Berlin
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Christian Drosten ist nur bedingt optimistisch, was zu schnelle Lockerungen von Corona-Maßnahmen angeht. Foto: www.imago-images.de/shz.de

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Die Aufhebung von Corona-Maßnahmen wie aktuell in Dänemark oder Großbritannien ist Christian Drosten in Deutschland zufolge frühestens ab Ostern sinnvoll. Warum der Virologe im Vergleich zu einigen Experten eher noch vorsichtig mit möglichen Öffnungsperspektiven ist.

Nachbarland Dänemark ist seit Anfang Februar mit großen Schritten zurück in ein Leben vor der Corona-Pandemie zurückgekehrt. Keine Maske mehr im Supermarkt, kein Impf- oder Genesenennachweis im Restaurant oder der Bar – und das trotz einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 5200. Warum Deutschland noch viele Wochen von umfangreichen Lockerungen der Regelungen entfernt sei und eine zu schnelle Aufhebung der Schutzmaßnahmen unklug seien, erklärt Virologe Christian Drosten in der aktuellen Folge des NDR-Podcasts „Coronavirus-Update“.

Drosten: Deutschlands größtes Problem ist nach wie vor die große Impflücke

Mit Blick auf das Nachbarland Dänemark oder nach Großbritannien werden auch in Deutschland die Rufe nach Öffnungsperspektiven immer lauter. Zwei Wochen vor der nächsten Bund-Länder-Runde zur Corona-Lage stellte unter anderem Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) die Rücknahme vieler Corona-Beschränkungen für März in Aussicht. „Ich hoffe, dass im März viele Schutzmaßnahmen zurückgenommen werden können“, sagte der FDP-Politiker der „Rheinischen Post“. Voraussetzung dafür sei, dass die Inzidenzen ab Mitte Februar, wie vom Robert Koch-Institut prognostiziert, wieder sinken.

Virologe Christian Drosten gibt sich beim Blick auf Lockerungsschritte eher zurückhaltend und plädiert für einige weitere Wochen der Geduld, in denen die aktuellen Maßnahmen noch beibehalten werden sollten. Als Grund nennt der Wissenschaftler der Berliner Charité auch mit Blick auf das nordische Nachbarland vor allem die nach wie vor bestehende Impflücke in Deutschland.

„Deswegen ist keine Entwarnung für Deutschland zu geben, wie das in Dänemark vielleicht möglich ist, mit dieser enorm hohen Impfquote. Das ist weiter unser Problem. Wir haben diese Impflücke, gerade bei den erwachsenen Älteren“, mahnt Drosten. Zum Vergleich: In Dänemark sind mittlerweile mehr als 81 Prozent der Bevölkerung zweifach geimpft, mehr als 61 Prozent haben bereits eine Booster-Impfung erhalten. In Deutschland sind erst rund 74 Prozent zweifach geimpft und etwas mehr als 53 Prozent geboostert.

Inzidenz in älterer Bevölkerungsgruppe könnte bald stark ansteigen

Vor allem in den älteren Gesellschaftsgruppen der deutschen Bevölkerung sei dies besonders gefährlich. In der Gruppe der über 60-Jährigen sei nach wie vor jeder Zehnte ungeimpft. Da sich Omikron aktuell sehr stark in der jüngeren Bevölkerung ausbreite, bestehe die Gefahr, dass sich die ansteckendere Variante des Coronavirus, auch begünstigt durch die winterlichen Temperaturen der kommenden Wochen, noch in den älteren Personengruppen ausbreite. „Bis Ostern muss man aufpassen, dass sich die Inzidenz nicht so umverteilt, dass wir dann doch wieder ganz volle Intensivstationen bekommen. Das ist leider einfach die Gefahr in Deutschland“, sagte Drosten.

Das Osterfest Mitte April nennt der Leiter der Virologie an der Berliner Charité als realistischen Zeitpunkt für eine mögliche Entspannung der Pandemie-Lage in Deutschland. „Das ist sicherlich ein guter Anhaltswert, ab dem dann auch die Temperaturen wieder viel günstiger werden. Das heißt, man kann sich so überlegen, dass man das Ganze jetzt bis Ostern noch durchhalten muss“, sagte Drosten. Zu Ostern habe man laut Drosten einige Faktoren, die auch Lockerungen in Deutschland rechtfertigen könnten: Es gebe dann einen auf die Omikron-Variante angepassten Impfstoff, den sich viele Menschen noch einmal verabreichen lassen würden und somit die Immunität in Deutschland verbessert werde. Zudem würden durch die Osterferien noch einmal die „Übertragungsnetzwerke durchbrechen“, da aktuell sehr viele Infektionen über den Schulbetrieb nachgewiesen werden, so Drosten. „Und da werden spätestens die Osterferien den Riegel vorschieben“.

Virologe warnt vor der „Impfung durch die Hintertür“

Nach Ostern werde die Sieben-Tage-Inzidenz, auch in Begleitung mit den immer weiter steigenden Temperaturen, wahrscheinlich nicht mehr so stark an Fahrt aufnehmen. Ob bis dahin die Omikron-Variante BA.2 auch in Deutschland komplett das „Feld übernommen“ habe, sei schwer vorhersehbar. In Deutschland liegt der Anteil des Subtyps derzeit erst bei 2,3 Prozent, in Dänemark oder auch Großbritannien ist es bereits die dominierende Variante. Auf Basis neuer Daten aus Dänemark nehme er an, dass BA.2 möglicherweise einen sogenannten Fitnessvorteil und damit eine gesteigerte Übertragungsfähigkeit haben könnte.

Im Podcast warnte Drosten nochmals die Gruppe der Ungeimpften davor, auf eine milde Infektion mit Omikron zu hoffen und damit das Thema Corona abgehakt zu haben. Diesbezüglich zitierte er Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): „Omikron als schmutzige Impfung ist keine Alternative zur Impfpflicht.“ Lauterbach hatte zu Beginn des Jahres im Interview mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ erklärt, dass die geplante Impfpflicht nicht durch eine hohe Durchseuchung überflüssig werde und dies zudem sehr gefährlich sei. Auch mit Blick auf den kommenden Winter hätten Omikron-Infizierte nur eine bedingte Sicherheit, da sich dann wieder mit einer anderen Variante wie Delta anstecken könnten. Dann bestünde erneut das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs. Die Rechnung mit einer „Impfung durch die Hintertür“ gehe nicht auf. Die Leute, die dreifach geimpft sind, seien hingegen schon sehr gut gegen einen schwereren Verlauf, eine Krankenhausaufnahme und erst recht gegen einen tödlichen Verlauf geschützt.

Drosten sagte, die „ideale Immunisierung“ sei der vollständige Impfschutz durch drei Impfdosen, auf deren Boden man sich dann einmal oder auch häufiger mit dem Virus infiziere und dadurch solch eine starke Immunität, eine sogenannte Schleimhautimmunität, entwickle, „ohne dabei schwere Verläufe in Kauf nehmen zu müssen“. Wer dies durchgemacht habe, „der ist dann irgendwann wirklich über Jahre belastbar, immun und wird sich nicht wieder reinfizieren“, sagte Drosten. 

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