Museumsarbeit transparent gemacht

NS-Raubkunst, Forschung und Liebermann: Wie kostbare Bilder nach Föhr kommen

NS-Raubkunst, Forschung und Liebermann: Wie kostbare Bilder nach Föhr kommen

NS-Raubkunst, Forschung und Liebermann

Anna Goldbach
Föhr
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Ausstellung im Mkdw auf Föhr. Foto: Anna Goldbach/shz.de

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Eine unleserliche Unterschrift auf der Rückseite eines Bildes, der Vorwurf bei dem Werk handele es sich um NS-Raubkunst und vier Jahre Forschung – was all das mit Max Liebermann zu tun hat, zeigt die neue Ausstellung im MKdW.

„Liebermanns Bild taucht auf der Insel Föhr auf“ lautete der Titel eines Berichts der Frankfurter Rundschau am 12. Mai 2017. Ihm vorangegangen war ein Artikel des Journalisten Andreas Förster, der die These aufstellte, dass es sich bei dem Gemälde „Wäschetrocknen – Die Bleiche“ von Max Liebermann um NS-Raubkunst handele. Dass die Nationalsozialisten das Werk dem jüdischen Besitzer Moritz Ury also unrechtmäßig entzogen hätten. Außerdem, so berichtete Förster, sei das Bild nachdem es 2005 bei eine Münchener Auktion aufgetaucht war, wieder verschwunden. Der Kunsthandel würde blockieren und Auskunft über den Verbleib verweigern.

Eine Leserin meldete sich. Sie habe das Bild bei ihrem Aufenthalt auf Föhr im Museum Kunst der Westküste (MKdW) gesehen. Was damit losgetreten wurde, welche Bemühungen und Geschichten hinter dem Liebermann-Bild stecken und was mit dem Werk zwischen 1931, als Moritz Ury es der Ausstellung „Neue Meister aus Leipziger Privatbesitz“ zur Verfügung stellte, und 1981 als es im Kunsthandel wieder auftauchte, geschah, zeigt die neue Ausstellung „Provenienzgeschichten – Max Liebermann im Fokus“ auf eindrucksvolle und etwas andere Art.

Vier Jahre Forschung stecken in der Ausstellung, wie Prof. Dr. Ulrike Wolff-Thomsen erzählt. Wenn die Museumsleiterin über die Ausstellung spricht, ihre eigenen Erfahrungen und Gedanken teilt, ist spürbar, wie wichtig sie für Wolff-Thomsen ist. Immer wieder spricht sie von Verantwortung – auch dafür, das an jüdischen Mitbürgern begangene Unrecht weiter aufzuarbeiten und dafür die Geschichte sichtbar zu machen.

Man habe sich bewusst für den Titel „Provenienzgeschichten“ statt „Provenienzgeschichte“ entschieden, da jedes Werk seine eigene individuellen Hintergrund hat. Unter Provenienzforschung versteht man die wissenschaftliche Erforschung der Herkunft und Besitzerverhältnisse eines Kunstwerks. Häufig sei diese mit Familienforschung verbunden, so Ulrike Wolff-Thomsen. Gerade im Zusammenhang mit Kunstrauben, wie in der NS-Zeit und im Kolonialzeitalter, ist die Geschichte eines Werkes und seines Besitzers entscheidend.

Geschichte der Werke im Fokus

So stehen diesmal weniger die Inhalte der Werke im Fokus, sondern viel mehr die Geschichten dahinter. „Viele der ausgestellten Bilder hier aus unserer Sammlung sind den Besuchern schon bekannt – diesmal beleuchten wir aber die Hintergründe“. Wie kann es beispielsweise sein, dass „Friesin im Winde stehend“ von Otto H. Engels in Alkersum entstand und 100 Jahre später im argentinischen Kunsthandel wieder auftauchte? Und wie kam Jozef Israëls in Den Haag entstandenes „Der kleine Jan. Der erste Schritt“ nach Australien?

Im zweiten Saal steht, wie auch im Untertitel der Ausstellung, Max Liebermann im Fokus. Erklärende Texte, die es diesmal mehr als sonst gibt, erläutern Liebermanns Rolle und die seiner Kunst in der NS-Zeit. Wie wurde damit umgegangen? Warum wechselten die Titel der Gemälde und welchen Einfluss hat das auf die Provenienzforschung? „Trotz all dem lässt sich auch seine stilistische Entwicklung toll nachvollziehen“, so Wolff-Thomsen.

Der dritte Saal widmet sich schließlich der Geschichte von Moritz Ury und „Wäschetrocknen – Die Bleiche“ und den Hintergründen. Spannend, nachvollziehbar, sensibel wird hier die Arbeit aus vier Jahren gezeigt – und auch, dass es noch immer offene Fragen gibt. Nicht aber die, ob es sich bei dem Werk nun um NS-Raubkunst handelt. Das tut es nicht – und so kann es weiterhin im MKdW verbleiben.

Der Provenienzforschung der Werke der MKdW-Sammlung werde man sich weiterhin widmen. Auch das sei Museumsarbeit, wie Wolff-Thomsen sagt und die Ausstellung, die vom 3. Juli 2022 bis 19. März 2023 zu sehen ist, eindrucksvoll transparent macht.

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