Geschichte

Aus drei Kreisen wird einer: So kam Nordfriesland zu seinem Wappen

Aus drei Kreisen wird einer: So kam Nordfriesland zu seinem Wappen

So kam Nordfriesland zu seinem Wappen

Thomas Steensen/shz.de
Husum
Zuletzt aktualisiert um:
Die Kreisflagge mit dem Kreiswappen weht im Wind. Foto: Thomas Steensen/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Vor einem halben Jahrhundert gaben sich die Nordfriesen ein Wappen. Kurz vorher war aus den Kreisen Südtondern, Husum und Eiderstedt der Kreis Nordfriesland geworden. Und obwohl sie sich auf ein Wappen einigen konnten, gibt es heute ein weiteres inoffizielles.

Der endgültige Segen kam aus Kiel: Am 10. Juli 1972 genehmigte das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein dem Kreis Nordfriesland ein Wappen. Vorausgegangen waren grundsätzliche Auseinandersetzungen. Worum ging es?

Mit der Kreistagswahl am 26. April 1970 war der Kreis Nordfriesland aus der Taufe gehoben worden. Bald wurde über ein Wappen als Erkennungszeichen der neuen Gebietskörperschaft diskutiert. Für die Landschaft Nordfriesland gab es bereits das sogenannte Grütztopf-Wappen, das jedoch im Vergleich mit anderen solcher Embleme recht jung war. Etwa 1830 war es im Zeitalter der liberalen und nationalen Strömungen entstanden, um damit friesische Identität zum Ausdruck zu bringen.

Bei der Gestaltung ließ man sich damals zum Teil von Motiven leiten, wie sie in nordfriesischen Familienwappen verwandt wurden. Das Wappen griff auf die friesische Geschichte zurück und versinnbildlichte zugleich allgemein-menschliche Ideale. Der halbe Reichsadler symbolisiert die „friesische Freiheit“, die einst von Kaisern des mittelalterlichen deutschen Reichs den Friesen zugestanden wurde.

Die Krone könnte ebenfalls auf jene Kaiser hindeuten, aber auch auf die des dänischen Königs, der als Herzog von Schleswig auch Landesherr in Nordfriesland war. Der Grütztopf steht wohl, so fand der Regionalgeschichtsforscher Albert Panten heraus, für brüderliche Gemeinschaft und Gleichheit in dem Sinne, dass einst alle aus einem Topf aßen. Bald schon allerdings wurde er mit einer erdichteten Sage verbunden: Friesische Frauen hätten Feinde – und hier dachte man zu aller erst an die Dänen – mit heißer Grütze in die Flucht geschlagen, als die Kampfkraft ihrer Männer erlahmte.

Das Wappen erhielt damit im Zeichen der nationalen Auseinandersetzung eine anti-dänische Stoßrichtung, die ursprünglich nicht beabsichtigt war. Gerade dies nun sorgte ab 1970 für Diskussionen, ob der neue Kreis dieses Wappen übernehmen sollte. Zudem folgte es in Farbgebung und Symbolik nicht den strengen heraldischen Regeln. Dennoch setzte sich der Nordfriesische Verein nach einer Befragung der ihm angeschlossenen Gruppen und im Einvernehmen mit dem Schleswig-Holsteinischen Heimatbund entschieden für die Übernahme des Grütztopf-Wappens ein, denn es sei „über die Landschaftsgrenzen hinaus bekannt und geachtet“.

Abgelehnt wurde es von den Nationalen Friesen, die mit der dänischen Minderheit zusammenarbeiteten, und auch vom Nordfriesischen Institut. Die Friesen Nordfrieslands waren sich also, wieder einmal, nicht einig. Die Kreisverwaltung sondierte nun die widerstreitenden Meinungen und prüfte auch andere eingegangene Vorschläge. Namentlich der erste gesamtnordfriesische Landrat Dr. Klaus Petersen, der sich in seiner juristischen Doktorarbeit mit einem Thema der nordfriesischen Geschichte befasst hatte, machte seinen Einfluss geltend.

Der von der Kreisverwaltung entwickelte Entwurf orientierte sich sodann an dem Wappen der Landschaft und des Kreises Eiderstedt. Dieses stammte bereits aus dem Jahr 1613, war also viel älter als das Grütztopf-Wappen. Es zeigte drei Koggen und symbolisierte damit die drei Lande Everschop, Utholm und Eiderstedt, die zu einer Einheit geworden waren. Genau dies traf auch auf den neuen Kreis Nordfriesland zu: Aus den drei Kreisen Südtondern, Husum und Eiderstedt war ja, erstmals in der nordfriesischen Geschichte, eine Einheit geworden.

Das Eiderstedter Vorbild wandelte man nun für die neuen Verhältnisse um. Auf die goldenen Segel der drei Koggen setzte man rote Beizeichen, die traditionelle Wirtschaftsformen der Nordfriesen symbolisieren, nämlich Pflug, Fisch und Stierkopf. Sie entstammen teils den Wappen der drei alten Kreise: Den Pflug übernahm man von den Goesharden des Kreises Husum, den Stierkopf von Eiderstedt und den Hering aus dem ebenfalls jahrhundertealten Siegel der Insel Sylt. Der blaue Grund unterstreicht die Bedeutung des Meeres für Nordfriesland. Das Wappen nahm also die Farben der nordfriesischen Trikolore Gold-Rot-Blau auf, jedoch unter Beachtung der heraldischen Regeln.

Eiderstedter Wappen diente als Inspiration

Die Kreisverwaltung lud die verschiedenen beteiligten Vereine und Einrichtungen sowie die Kreistagsfraktionen zu einer Aussprache ein. Die Meinungsverschiedenheiten bestanden fort, aber der Vorschlag der Kreisverwaltung fand letztlich doch die größte Zustimmung. Den Vertretern Eiderstedts dürfte es gefallen haben, dass der neue Kreis ihr altes Symbol aufnahm.

Der endgültige Beschluss fiel bei einer Kreistagssitzung am 22. Oktober 1971 in Nebel auf Amrum. Landrat Klaus Petersen warb eindringlich für den Vorschlag: „Das Eiderstedter Wappen aus dem Jahre 1613, entstanden anlässlich der Eindeichung des Dreilandenkooges, symbolisiert mit seinen drei friesischen Koggen die Dreiheit, die zu einer Einheit geworden ist.“ Das neue Wappen nehme dies auf und stehe zudem für Nordfriesland als Insel- und Halligkreis, „in dem sich die Menschen seit Jahrhunderten mit dem Meere auseinandersetzen mussten“, ob nun hinter den Deichen oder als Seefahrer und Walfänger.

Bei nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung beschloss der Kreistag daraufhin die Hauptsatzung des Kreises mit dem Passus: „Das Kreiswappen zeigt in blau drei goldene, dreimastige Schiffe im Stil des 16. Jahrhunderts, in der Stellung 2:1 mit goldenen Segeln und roten Wimpeln; auf den Großsegeln je ein rotes Beizeichen (1. Pflug, 2. Fisch, 3. Stierkopf).“ Auch die Kreisflagge zeigt das neue Wappen. Die Genehmigung durch den Innenminister war nach alledem nur noch eine Formsache.

Das neue Wappen mit den drei Koggen ziert auch das nach nur dreizehnmonatiger Bauzeit im Oktober 1972 eröffnete Kreishaus, in dem die drei Verwaltungen eine neue Bleibe fanden. Nahe des Haupteingangs erinnern drei Grenzsteine an die ehemaligen Kreise und ihre alten Wappen.

Grütztopf-Wappen noch heute sehr beliebt

Das Grütztopf-Wappen hat dennoch von seiner Beliebtheit nichts eingebüßt. Es weht auf der gold-rot-blauen Flagge an vielen Fahnenmasten, ist auch zum Beispiel an Häuserfronten, am Bug von Schiffen oder auf Gedenksteinen zu sehen. Aber auch die Kreisflagge mit den drei Koggen wird gern gehisst. So stehen für Nordfriesland gleich zwei Wappen, was in Deutschland einmalig sein dürfte.

Mehr lesen