PSYCHOLOGIN IM INTERVIEW

Andauerndes Homeoffice: Diese Gefahren drohen für die menschliche Psyche

Andauerndes Homeoffice: Diese Gefahren drohen für die menschliche Psyche

Andauerndes Homeoffice: Diese Gefahren drohen für die Psyche

Kim Patrick von Harling/shz.de
Hamburg
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Nicht für alle ist Homeoffice auf Dauer ein Segen. Foto: dpa

Während einige Homeoffice als angenehm empfinden, fällt anderen die Decke auf den Kopf.

Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Menschen angehalten, soziale Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Zudem beherrscht weiterhin die Ausgangsbeschränkung unseren Alltag. Die Situation beeinflusst auch unsere tägliche Arbeit, viele Menschen arbeiten von zu Hause aus – und das bereits seit einigen Wochen. Für viele Menschen ist das Homeoffice eine völlig neue Erfahrung. Ist diese Situation für die menschliche Psyche unbedenklich, gar angenehm, oder ist das Homeoffice eine Gefahr für uns? 

Psychologin Sandra Jankowski aus Berlin erklärt im Interview mit unserer Redaktion, welche Auswirkungen Homeoffice auf unsere Psyche haben kann, welche Menschen besonders große Probleme mit der Situation haben und weshalb sich die Persönlichkeit bei manchen Menschen völlig verändern könnte.

Frau Jankowski, wie ist es allgemein um die menschliche Psyche in Zeiten des Homeoffice bestellt?

Im Normalfall können wir uns im Homeoffice besser konzentrieren, wir sparen uns die Arbeitswege, sind in der Regel weniger Lärm ausgesetzt und können uns mehr zurückziehen – im Homeoffice sind wir mehr selbstbestimmt. Wir können den Tagesplan oft so gestalten, wie wir es gerne hätten.

Gilt das auch in der Corona-Krise?

Zurzeit ist das weniger möglich. Wir sind mehr auf uns gestellt und selbstverantwortlicher, viele Menschen sind das nicht gewohnt. Hier und da ist man mit technischen Problemen konfrontiert, die man vorher nicht hatte. Vielleicht wird man auch von anderen Familienmitgliedern, die auch zu Hause sind, abgelenkt. Die Isolation macht uns grundsätzlich auch zu schaffen.

Wie lange kann ein Mensch, der alleine lebt, eine solche Homeoffice-Situation psychisch ertragen?

Wenn wir nicht in einer Krise stecken würden, wäre das alles nicht so problematisch. Da wir jedoch gezwungen sind, in die Isolation zu gehen, wirkt die Situation wie ein kleines Trauma. Das ist keine Form von Selbstbestimmung, viel mehr kann das psychischen Stress auslösen, mit dem wir schwerer umgehen können – im Grunde sind wir traumatisiert. Stresssymptome tauchen oft verzögert auf, hier sprechen wir von rund einem Monat.

Was meinen Sie damit genau?

Die Symptome machen sich langsam bemerkbar, es wird von Tag zu Tag schlimmer. Hier ist aber auch jeder Mensch anders. Der eine braucht mehr soziale Kontakte, der andere weniger. Auch in Sachen Einstellung gibt es Unterschiede. Wer eh ein positiver Mensch ist, kommt in dieser Situation besser durch, als jemand, der grundsätzlich negativ denkt.

Sind bestimmte Menschen besonders in Gefahr, psychische Erkrankungen durch das Homeoffice zu bekommen?

Für Menschen mit psychischen (Vor-) Erkrankungen ist die derzeitige Krise definitiv gefährlicher. Solche angespannten und stressigen Situationen sind oft der Grund für das Entstehen von psychischen Störungen. Auch Menschen, die viele soziale Kontakte und viel Bestätigung von außen brauchen, trifft es härter.

Und welche Menschen könnten mit Blick auf die Psyche profitieren?

Diese Menschen gibt es sicherlich, Autisten zum Beispiel leiden eventuell auch weniger darunter. Es gibt ohnehin Menschen mit sozialen Kontaktschwierigkeiten, die haben sich vermutlich schon vor der Corona-Krise Wege gesucht, eher über das Internet zu kommunizieren. Zudem haben einige Menschen schon zuvor flexibel zu Hause gearbeitet, auch diese Gruppe wird sich einfacher anpassen können. Es gibt leider zu wenige wissenschaftliche Studien, die aussagen können: Dieser spezielle Menschentyp kann mit der Homeoffice-Situation besser umgehen.

Irgendwann wird vermutlich der Zeitpunkt kommen, an dem wir alle wieder „normal“ zur Arbeit fahren. Kann diese erneute Umstellung psychische Probleme bereiten?

Das wird es auch geben. Wir müssen ja grundsätzlich eine Anpassungsreaktion an veränderte Bedingungen zeigen: Wir müssen uns neu orientieren, wir sind gewisse Situationen gar nicht mehr gewohnt, den Tagesrhythmus müssen wir eventuell neu strukturieren. Jedes Mal, wenn sich etwas verändert, erfolgt bei uns diese Anpassungsreaktion. Der eine kann das gut meistern und besitzt über gewisse Ressourcen, andere haben mit diesen Umstellungen mehr zu kämpfen.

Ist davon auszugehen, dass Menschen, die diese Anpassungsreaktion nicht gut beherrschen, langfristige psychische „Schäden“ erleiden?

In solchen Fällen reden wir von einer Anpassungsstörung. Das kommt einem kleinen Trauma gleich, die Folgen beziehungsweise Symptome treten womöglich erst spät ein. Zuerst befindet man sich in einer Widerstandsphase: Man sucht sich alle Ressourcen zusammen, um durch diese Zeit gut hinwegzukommen, nach dem Motto „ich funktioniere jetzt einfach nur“. Zeitverzögert treten Schlafstörungen und Konzentrationsschwächen auf, man ist angespannt und findet keine Ruhe. Eine solche Anpassungsreaktion kann bis zu zwei Jahre dauern. Bei einem großen Trauma können Langzeitfolgen entstehen, in der sich die ganze Persönlichkeit verändert – in diesen Fällen ist diese Persönlichkeitsstörung ohne therapeutische Hilfe gar nicht mehr in den Griff zu bekommen.

Wie kann man solchen Störungen prophylaktisch entgegenwirken?

Wichtig ist, dass man seine Tagesstruktur einhält: Dann startet man mit Arbeit, dann gibt es Mittagessen, dann geht man zu Bett. Man sollte sich auf seine eigenen Stärken besinnen und sich ins Gedächtnis rufen, wie man andere Krisen bewältigt hat. Unbedingt sollte man sich – obwohl man zu Hause ist – bewegen. Auf Youtube zum Beispiel gibt es viele Videos mit Workouts, oder man schwingt sich aufs Fahrrad. Hier kann man sich sportliche Ziele setzen – auch langfristige. Bezogen auf den Arbeitsplatz ist es ratsam, sich mit den Kollegen und dem Vorgesetzten abzustimmen, was von mir konkret erwartet wird.

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