Bauprojekt

Deutsches Museum: Ortsbesuch auf der Dachterrasse

Deutsches Museum: Ortsbesuch auf der Dachterrasse

Deutsches Museum: Ortsbesuch auf der Dachterrasse

Sonderburg/Sønderborg
Zuletzt aktualisiert um:
Ein Museum mit Aussicht: Der Blick von der Dachterrasse aus Foto: Sara Wasmund

Die große Eröffnungsfeier mit der Königin ist zwar abgesagt, doch Bau und Einrichtung am Deutschen Museum in Sonderburg gehen nahtlos weiter. Hier kommt ein erster Blick in die Räumlichkeiten – inklusive exklusivem Blick von ganz oben.

Sieh an, ein Sprung in der Scheibe. Museumsleiter Hauke Grella fallen beim Gang über die Baustelle täglich neue Dinge auf. Der Riss zieht sich durch ein großes Fenster im Zwischenbau. „Die muss dann wohl noch mal ausgetauscht werden“, stellt Grella fest. Alltag auf einer Baustelle.

Ansonsten fällt Grella vor allem eines auf, wenn er durch das neue Museum geht: Es geht reibungslos voran, und das Ergebnis wird überwältigend.

Das Deutsche Museum besteht aus einem Neubau und dem Altbau, der noch weiß ist. In Kürze wird er einen neuen Anstrich bekommen. Foto: Sara Wasmund

Ein Rundgang durch das neue, im Bau befindliche Museum macht schon in dieser letzten Aprilwoche deutlich: Dieses Haus wird das Museum der deutschen Minderheit auf ein völlig neues Level heben.

Wortwörtlich auf einem neuen Niveau liegt der Versammlungsraum im zweiten Stock, der den deutschen Vereinen und Gruppen in Sonderburg zur Verfügung stehen wird. Tagen mit Blick auf Sonderburg – das hat was.
Ein erster Gang über die Dachterrasse zeigt: Der Blick von hier oben kann sich sehen lassen.

Museumsleiter Hauke Grella auf der Dachterrasse Foto: Sara Wasmund

„Der Versammlungsraum inklusive Dachterrasse kann von allen deutschen Vereinen und Einrichtungen genutzt werden, egal ob Turnerbund, Frauenbund oder BDN“, sagt Grella, während er auf der Terrasse steht und Richtung Marienkirche schaut. Eine kleine separate Küche ist dem Raum angeschlossen, ein Fahrstuhl ebenfalls.

Blick aus dem Versammlungsraum auf die Außenterrasse Foto: Sara Wasmund

Doch was erlebt der Besucher, wenn er ins Museum kommt? Die Eingangshalle wird einen Empfangsthresen umfassen – und bietet etwa bis zu 100 Personen Raum.

Der Besucher wird im Eingangsbereich in das Thema deutsche Minderheit in Nordschleswig eingeführt, die eigentliche Ausstellung beginnt aber im Altbau, den man über das mit Glas überdachte Treppenhaus betritt.

Die Bauarbeiten im Eingangsbereich sind noch in vollem Gang. Foto: Sara Wasmund

Im ersten Raum entfalten sich eingangs persönliche Geschichten von Menschen aus der Minderheit. Die Besonderheiten des Alltags, die ganz eigene Identität.

Uniformen erzählen von Kriegen

Im zweiten Raum sind die Wände bereits schwarz und türkisblaugrau gestrichen. Hier erhält der Besucher anhand von Ausstellungsstücken einen geschichtlichen Überblick. Uniformen erzählen von Kriegen zwischen Ländern und Landesteilen, die filigrane und komplexe Verflochtenheit von Landesteilen, Königreich Dänemark und deutsch-dänischen Herzogtümern wird in der Rückschau deutlich gemacht.

Die Räume im Altbau werden in den kommenden Wochen mit Exponaten bestückt. Foto: Sara Wasmund

Im dritten Raum kann man die Volksabstimmung von 1920 nachvollziehen – und mit den Abstimmungsergebnissen spielen. „Wir stellen die Orte und Besonderheiten der Volksabstimmung dar“, sagt Hauke Grella, während er auf den alten Holzdielen im Raum steht, dessen Boden erst noch verlegt wird.

Erleben, wie anders die Grenze hätte verlaufen können

Warum stimmten so viele Bürger in Hoyer/Højer und Tondern/Tønder pro Deutsch, während das Ergebnis in Mögeltondern/Møgeltønder eindeutig zugunsten Dänemarks ausfiel? Der Besucher kann sich auf eine Entdeckungsreise begeben und sehen, wie die Grenze ganz anders hätte verlaufen können.

„Es wird einem dann deutlich: Es fehlte nicht viel, und die Grenze hätte ganz anders ausgesehen“, so Grella.

Die Heizkörper in den Räumen werden jeweils in der vorherrschenden Raumfarbe gestrichen. Foto: Sara Wasmund

Im vierten Ausstellungsraum soll die Geschichte der Minderheit während des Nationalsozialismus dargestellt werden. Schonungslos ehrlich, aber ebenso nuanciert. Schwarz-Weiß-Malerei wird es nicht geben, verspricht Grella.

„Wir zeigen, welche Begeisterung damals für den Nationalsozialismus herrschte, aber auch, warum der Gedanke so modern und anziehend schien. Dass man sich die Verschiebung der Grenze erhofft hat, beispielsweise“, erzählt Grella.

„Wir werden nichts verstecken“

„Wir werden nichts verstecken und zeigen, dass sich hier im Landesteil besonders viele freiwillig für den Kriegsdienst gemeldet haben. Aber wir zeigen eben auch auf, in was für Zeiten die Menschen gelebt haben, und dass alle handelnden Personen verschiedene Beweggründe und Facetten hatten.“

In diesem Raum wird das Schulmuseum seinen Platz finden. Foto: Sara Wasmund

Auch zeigt die Ausstellung, dass viele Flüchtlinge aus den deutschen Gebieten im Osten in Nordschleswig von der deutschen Minderheit aufgenommen wurden – in deutschen Schulen oder beispielsweise im Haus Adalbert in der Sonderburger Helgolandsgade.

Raum fünf zeigt die Folgen des Zweiten Weltkrieges für die Minderheit. Die Internierungen im Faarhuslager, die Haderslebener Erklärung und die Gründungserklärung des Bundes Deutscher Nordschleswiger. Der Raum endet hell – als symbolisches Licht am Ende des Tunnels, verrät Grella.

Laternelaufen, Rudern, Bierkultur

Raum sechs wird dem Vereinsleben der deutschen Minderheit gewidmet. Ein halbes Ruderboot an der Wand, Vitrinen erzählen von Faustball und Laternelaufen, Bräuchen und Bierkultur, generell von Sport und Kultur innerhalb der Minderheit.

Im „Kulturkabinett“ im siebten Raum erzählen Gegenstände auf Knopfdruck – beziehungsweise auf Touchscreenberührung – ihre eigene Geschichte.

In Raum Nummer acht – man befindet sich mittlerweile im zweiten Stock – wird das Schulmuseum eingerichtet. So war Schule in der Vergangenheit – die alten Schulbänke laden zum Verweilen – und Eintauchen ein.

Die Ausstellungsräume im Altbau sind in unterschiedlichen Wandfarben gehalten. Foto: Sara Wasmund

Raum neun ist dem Knivsberg und seiner Geschichte gewidmet, Raum Nummer zehn greift abschließend das Thema Identität der Minderheit auf – und schließt den Rahmen zur Frage, was das Leben in einer Minderheit ausmacht mit einer Perspektive auf Europa und auf die Jugend, die in der deutschen Minderheit aufwächst.

Noch sind die Räume leer – doch die Vitrinen und Ausstellungsinstallationen sind bereits in der Produktion.

Im Dachboden sind bereits die Büros für die Angestellten und die rund sieben freiwilligen Mitarbeiter des Museums entstanden. „Die Ehrenamtlichen werden durch den schönen Raum und den neuen Rahmen nun auch ganz praktisch für ihre immense Arbeit der vergangenen Jahre wertgeschätzt “, sagt Grella.

Hier auf dem Dachboden entstehen Arbeitsplätze für die frewilligen Mitarbeiter. Foto: Sara Wasmund

Ins Museum zieht auch das Archiv/Historische Forschungsstelle der deutschen Volksgruppe mit seinem Leiter Frank Lubowitz ein, das derzeit in Apenrade im Haus Nordschleswig angesiedelt ist. Das Archiv wird im Untergeschoss des Neubaus angesiedelt.

Das neue Äußere – und Innere – des Museums wird sich ganz sicher auf die Besucherzahlen auswirken, schätzt Hauke Grella.

Beschriftungen auf Deutsch, Dänisch und Englisch

Vor ihm liegen arbeitsreiche Wochen. Im „Zwischensitz“ in der Sonderburger Kaserne gilt es, die finale Liste der Ausstellungsstücke zu erstellen – und dann müssen für alle Gegenstände Texte geschrieben werden. Alle Beschreibungen wird es auf Deutsch, Dänisch und Englisch geben.

Hier geht es zum Dachboden - zu den Arbeitsbereichen. Foto: Sara Wasmund

Wie und wann das Museum eröffnet, kann derzeit niemand sagen. „Das hängt ja davon ab, welche Ansagen die Regierung macht“, so Grella.

Eigentlich hätte Königin Margrethe das Museum am 11. Juli eröffnen sollen. Doch wegen der Corona-Restriktionen ist die Veranstaltung abgesagt worden.

„Wir müssen abwarten. Derzeit kann niemand sagen, wann Museen eröffnen dürfen – und wie viele Menschen gegebenenfalls zur Eröffnung kommen dürfen“, so der Museumsleiter. „Wir folgen unserem Zeitplan, und dann sehen wir, wie es im Juli aussieht.“

Auch für uns in der Minderheit wird es spannend sein, die eigene Geschichte neu kennenzulernen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.

Hauke Grella, Museumsleiter

 

Natürlich könne man enttäuscht sein, dass die Eröffnung im großen Stil nicht stattfinden kann. „Aber wir können stattdessen lieber drauf schauen, was wir hier erhalten, was hier gerade entsteht. Wir kriegen hier einen Rahmen, von dem wir nur haben träumen können. Was wir hier erhalten, das bleibt. Und das ist doch das Entscheidende.“

Landesteil wird um eine Attraktion reicher

Wie auch immer die Eröffnung aussehen wird, schon jetzt schon fest: Die gesprungene Scheibe wird bis dahin ausgetauscht sein. Und Landesteil und Minderheit werden um eine Attraktion reicher sein, die vielen Menschen die deutsche Minderheit in Nordschleswig näherbringen wird.

„Und auch für uns in der Minderheit wird es spannend sein, die eigene Geschichte neu kennenzulernen und sich mit ihr auseinanderzusetzen“, so der Museumsleiter.

Der Eingangsbereich am Neubau, links entsteht die Feuertreppe. Foto: Sara Wasmund
Mehr lesen