Gesundheitswesen

Nur noch ein Ärztehaus in Tingleff: Wohin mit den Patienten?

Nur noch ein Ärztehaus in Tingleff: Wohin mit den Patienten?

Nur noch ein Ärztehaus in Tingleff: Wohin mit den Patienten?

Tingleff/Tinglev
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Die Ärztinnen und Praxisinhaberinnen Marie Werngreen (l.) und Helle Jack stoßen bei der Anzahl der Patientinnen und Patienten an die Grenzen. Foto: kjt

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Mit der angekündigten Schließung des Ärztehauses am Centerplatz in Tingleff schauen viele auf die Gemeinschaftspraxis am Bahnhof, gilt es doch, rund 2.600 Patientinnen und Patienten irgendwo unterzubringen. Bedingungslos in die Bresche springen kann die Praxis allerdings nicht, denn der akute Ärztemangel macht zum Leidwesen der beiden Praxisbetreiberinnen auch dort nicht halt.

Erst die Arztpraxis in Bülderup-Bau (Bylderup-Bov), demnächst auch das Ärztehaus am Centerplatz in Tingleff: Zwei Arztpraxen werden aus Gesundheits- und Altersgründen nicht weitergeführt.

In Bülderup-Bau hat der niedergelassene Arzt als Alleinkämpfer der hohen Belastung und dem Stress Tribut zollen müssen. Sein Kompagnon trat 2017 in den Ruhestand. In Tingleff musste zuletzt auch Steen Rubow ohne „Mitstreiter“ auskommen. Es setzt sich mit Ausgang des Jahres nun mit 70 zur Ruhe. Ihm ist es nicht geglückt, die Praxis in andere Hände zu geben.

Während in Bülderup-Bau zumindest eine Betreibergesellschaft die Praxis mit wechselnden Ärztinnen und Ärzten weiterführt, ist für die Tingleffer Centerplatzpraxis keine Nachfolge in Sicht. Die Region Süddänemark steht vor dem Problem, rund 2.600 Menschen aus Tingleff und Umgebung anderweitig unterbringen zu müssen.

Verteilung unklar

Erste Adressaten sind da die Praxis am Bahnhof in Tingleff (Lægerne Ved Banegården) und das Ärztehaus in Bülderup-Bau. Es gibt eine einfache Rechnung: 1.300 Patientinnen und Patienten übernimmt die Tingleffer Praxis von Helle Jack und Marie Werngreen, und die anderen 1.300 kommen in Bülderup-Bau unter.

Die Tingleffer Praxis hat laut Verteilerschlüssel bei drei Arztstellen theoretisch noch Kapazitäten. 1.600 Personen werden einer Einheit (eine Arztstelle) zugeordnet. Bei 1.300 neuen Patientinnen und Patienten läge man bei einer freien Einheit sogar noch unter der Richtzahl.

Ganz so einfach ist die Rechnung allerdings nicht, wie die beiden Ärztinnen und Praxisinhaberinnen aus Tingleff in einem Gespräch verdeutlichen.

Würden den Ärztemangel in Tingleff und Umgebung zu gern lösen: Helle Jack (l.) und Marie Werngreen. Foto: kjt

Das Problem: Das Ärztehaus ist auf drei Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner normiert, versucht seit etlichen Jahren aber vergeblich, eine feste dritte Vollzeitkraft anzustellen. Helle Jack und Marie Werngreen müssen die Versorgung der Menschen zusammen mit ihrem Mitarbeiterstab zu zweit „wuppen“.

Sie sind in der ähnlichen Situation wie die Kollegen in Bülderup-Bau und in der unmittelbaren Nachbarschaft am Centerplatz, wo keine weiteren oder neuen Ärzte zu finden waren.

Am Limit

Man habe im ständigen Austausch mit der Region gestanden, mit dem Ziel, die Vollzeitstelle zu besetzen. Leider ohne Erfolg.

„Wir wollen auch weiterhin gern mit der Region sprechen, um das Problem bei der Patientenbetreuung in Tingleff zu lösen“, betont Marie Werngreen.

Die Zeit drängt. „Wir liegen jetzt schon bei rund 3.500 Patientinnen und Patienten, und es kommen fast täglich weitere dazu. Wir wollen bei der schwierigen Ausgangslage gern helfen, stoßen aber an unsere Grenzen“, ergänzt Kollegin Helle Jack.

Räumlich wären mehr Patientinnen und Patienten in der Einrichtung am Bahnhof nicht das Problem, ohne dritte Kraft wäre die Belastung auf Dauer aber zu groß, so die beiden Medizinerinnen unisono.

„Wir wussten um das Problem mit fehlenden Ärztinnen und Ärzten in Tingleff und haben allerhand unternommen, um den laufenden Betrieb zu verbessern. Das Personal ist aufgestockt und die Aufgabenfelder sind neu strukturiert worden“, so Helle Jack.

Wir liegen jetzt schon bei rund 3.500 Patientinnen und Patienten und es kommen fast täglich weitere dazu. Wir wollen bei der schwierigen Ausgangslage gern helfen, stoßen aber an unsere Grenzen.

Helle Jack

Auch wenn es gelänge, eine dritte Kraft für die Praxis am Bahnhof zu finden und damit einer Richtzahl von 4.800 Patientinnen und Patienten zu entsprechen, wäre die sofortige Übernahme von etwa 1.300 Personen ein schwieriges Unterfangen.

„Sämtliche Daten dieser Menschen müssen durchgegangen werden. Es sind ganz unterschiedliche Krankenakten, in die man sich einarbeiten muss. Es muss zudem ein Vertrauensverhältnis zu den Patientinnen und Patienten aufgebaut werden. Das braucht Zeit“, gibt Marie Werngreen zu bedenken.

Land kontra Stadt

„1.300 Patienten sind auch nicht gleich 1.300 Patienten“, stellt Werngreen eine weitere Rechnung auf, die offenbar nicht aufgeht. „Es gibt Menschen mit ganz unterschiedlicher Krankengeschichte und ganz unterschiedlichem Betreuungsbedarf. Da spielt unter anderem auch das Alter eine Rolle.“

Kollegin Jack gibt ein Beispiel: „Wenn ein Arzt in Aarhus 2.000 Patientinnen und Patienten hat und damit weit über der Kapazität von 1.600 liegt, darunter aber viele Studentinnen und Studenten sind, dann kann es weniger beanspruchend sein als bei einem Arzt im ländlichen Raum mit weniger Patienten, wenn diese einen viel höheren Behandlungsbedarf haben.“    

Mit der Stellenbesetzung am Bahnhof wäre es allein nicht getan, so die Quintessenz der beiden Ärztinnen. Werngreen und Jack wünschen sich daher eine weitere Niederlassung in Tingleff. Von Konkurrenz könne da keine Rede sein. Im Gegenteil.

„Wir würden uns über jede Ärztin und jeden Arzt freuen, die sich hier niederlassen. Wir haben in den vergangenen Jahren auch ein kollegiales Verhältnis zu den umliegenden Praxen gehabt und mit ihnen gut zusammengearbeitet“, betont Helle Jack.

Region verweist auf umliegende Praxen

Sie wollen nach wie vor ihres dazu beitragen, die Patientenversorgung in Raum Tingleff zu gewährleisten und würden ungern auf einen konsequenten Aufnahmestopp zurückgreifen. Allein können sie das Problem aber nicht lösen, so die beiden Praxisinhaberinnen.

Kann eine angemessene Lösung für die Patientenübernahme in Tingleff gefunden werden? Helle Jack (l.) und Marie Werngreen würden es sehr begrüßen. Das Foto zeigt beide vor ihrer Gemeinschaftspraxis am Bahnhof. Foto: kjt

Was gedenkt die Region zu tun, um das Problem zu lösen?

Die Antwort aus dem Verwaltungssitz in Vejle an den „Nordschleswiger“: „Patientinnen und Patienten, die dem Ärztehaus angeschlossen sind, das bald schließt, müssen eine Hausärztin oder einen Hausarzt in einer existierenden Praxis in der Umgebung wählen. Der Wechsel ist für die Patientinnen und Patienten kostenlos. Es gibt Kapazitäten in Pattburg (Padborg), Rothenkrug (Rødekro), Apenrade (Aabenraa) und Bülderup-Bau.“

Die Praxis am Bahnhof ist (noch) nicht genannt.

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