Sexuelle Belästigung

Weiterhin Unruhe um Kopenhagener Oberbürgermeister

Weiterhin Unruhe um Kopenhagener Oberbürgermeister

Weiterhin Unruhe um Kopenhagener Oberbürgermeister

wt/ritzau
Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Frank Jensen nach der Krisensitzung am Sonntag. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Trotz Anschuldigungen wegen sexueller Belästigung hat eine Mehrheit der Kopenhagener Sozialdemokraten Frank Jensen ihr Vertrauen ausgesprochen. Es kommt weiterhin Kritik, sowohl aus den eigenen Reihen als auch von außerhalb.

Nach einer vierstündigen Krisensitzung Sonntagabend bei den Sozialdemokraten der dänischen Hauptstadt haben 22 der 32 Anwesenden zweimal die Hand gehoben. Ja, sie haben weiterhin Vertrauen in Frank Jensen als Oberbürgermeister, und ja, er soll auch im kommenden Jahr als Spitzenkandidat der Partei in Kopenhagen antreten.

Der Jugendverband der Partei, DSU, zählt allerdings nicht zu denen, die Jensen unterstützen.

„Frank Jensen soll nicht bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr an der Spitze der Partei stehen. Der Fall endet nicht hier“, sagte Cecilie Sværke Priess, Vorsitzenden von DSU in Kopenhagen, nach der Sitzung zu „TV2 News“.

Auch Staatsministerin Mette Frederiksen will ihm noch keinen Freispruch erteilen. Sie betrachte den Fall als sehr ernst, sagt sie. Auch sei noch kein Fazit gezogen worden. Jensen ist zweiter Vorsitzender der Partei.

Die Anschuldigungen

Zwölf Fälle von sexueller Belästigung durch Frank Jensen sind bislang bekannt geworden.

  • 2004: Frank Jensen, damals Fraktionssprecher der Sozialdemokraten. Er muss sich bei einer Studentenkraft der Partei entschuldigen, nachdem er bei einem Julefrokost einen grenzüberschreitenden Annäherungsversuch gemacht hatte.
  • 2011: Bei einem Julefrokost im Rathaus hat der OB mehrere Frauen belästigt. Andere Teilnehmer versuchten ihn zu bremsen.
  • 2012: Nach einem Seminar geht eine Gruppe Sozialdemokraten in eine Kneipe. Hier legt Frank Jensen die Hand auf den Schenkel der damaligen 23-jährigen Organisationssekretärin Marie Gudme und lässt die Hand unter das Kleid gleiten.
  • 2017: Eine Gruppe Politiker trifft sich zu einem Bier im Rathaus. Jensen belästigt eine Politikerin einer anderen Partei.
  • „Jyllands-Posten“ berichtet am Sonntag von weiteren acht Fällen. Sieben der betroffenen Frauen wenden sich an den Anwalt, der Sexismus bei den Sozialdemokraten untersucht.

Eine Reihe von Fällen

Jensen war ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, nachdem erneut Fälle von sexueller Belästigung durch ihn bekannt geworden waren. „Jyllands-Posten“ berichtete, der OB habe das heutige Mitglied des Regionalrates, Maria Gudme (Soz.) sowie ein anonymes Kopenhagener Stadtratsmitglied einer anderen Partei belästigt.

Am Sonntag konnte die Zeitung dann berichten, weitere sieben sozialdemokratische Mitglieder hätten sich an einen Anwalt gewandt, den die Sozialdemokraten mit der Aufdeckung von Sexismus in der Partei beauftragt haben, und von Belästigungen durch Jensen in der Zeit zwischen den 90ern und 2019 berichtet. Bereits 2004 und 2011 waren Fälle von Belästigung bekannt geworden.

„Teil einer Kultur“

Nach den Berichten von „Jyllands-Posten“ zeigte der OB sich reumütig und bezeichnete sich selbst als „Belästiger“ (krænker), der Teil einer „Machokultur“ gewesen sei.

„Diese Kultur, die eine Art des Umgangs geschaffen hat, an der ich Anteil hatte, ist Kultur. Der, der die konkreten Handlungen begeht, trägt eine persönliche Verantwortung. Die trage ich auch, obwohl ich Teil dieser Kultur war“, schreibt er auf Facebook.

Es sind jedoch nicht nur die jungen Sozialdemokraten, die sich von Jensens Reue wenig beeindruckt zeigen. Der Vorsitzende des Kreisverbandes Innenstadt und Christianshavn, Carlo Søndergaard, meint, die Abstimmungsform durch Handzeichen auf der Sitzung könne es einigen Teilnehmern erschwert haben, frei abzustimmen.

„Es war eine Sitzung, die Frank Jensen einberufen hatte, und wo er auch entschieden hatte, wer teilnehmen kann“, fügt er hinzu.

Blitzanalyse:

Frank Jensens Stuhl wackelt kräftig

Auch wenn Frank Jensen sich zunächst ein wenig Luft verschafft hat, so ist er noch lange nicht aus dem Schneider
Er muss nämlich immer noch mehrere Gruppen davon überzeugen, dass er der weiterhin richtige Spitzenmann für die Hauptstadt ist.


1. Da sind zunächst die Parteikameraden der Hauptstadt. Auch, wenn ihm vorläufig eine Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen hat, gibt es noch erhebliche Unruhe.
2. Der Jugendverband DSU. Die Nachwuchssozialdemokraten sind als Wahlhelfer von entscheidender Bedeutung. Die Kopenhagener Vorsitzende scheint entschlossen, Frank Jensen kippen zu wollen.
3. Die Landespartei. Mette Frederiksen hat am Montag Frank Jensen nicht unterstützt. Ihr fehlt allerdings bisher die geeignete Alternative. Denn auch wenn lokal entschieden wird, wer OB-Kandidat der Partei ist, so wird intern Druck gemacht, wenn es um die größte Stadt des Landes geht.
4. Die übrigen Parteien. Die Unterstützerparteien gehen auf Distanz zu Jensen. Mit ihm an der Spitze laufen die Sozialdemokraten die Gefahr, dass diese mit eigenem Kandidaten antreten.
5. Und dann sind da natürlich noch die Wählerinnen und Wähler, die am 16. November 2021 ihr Kreuzchen setzen werden. Walter Turnowsky

Mißtrauen der Anderen

Die übrigen Parteien im Stadtrat fordern eine unabhängige Untersuchung durch einen Anwalt. Mehrere von ihnen fordern, der OB solle sich für die Dauer der Untersuchung beurlauben lassen.

„Wenn derart schwerwiegende Anklagen gegen einen Mitarbeiter erhoben werden, ist es üblich, denjenigen nach Hause zu schicken, bis der Fall untersucht worden ist. Daher fordern wir Frank Jensen auf, sich beurlauben zu lassen“, sagt Sisse Marie Welling (SF), Gesundheits- und Sozialbürgermeisterin der Stadt.

Gleiche Aufforderung kommt von Radikale Venstre und der Einheitsliste. Alle drei Parteien hatten Jensen bei der Wahl zum Oberbürgermeister unterstützt.

Frank Jensen hat für 12.00 Uhr eine Pressekonferenz einberufen. 

Mehr lesen

Diese Woche In Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Hurra, der Kindersegen ist ausgeblieben!“

Leserbrief

Meinung
Allan Søgaard-Andersen
„Bekymret for det ekstreme højre“