Gustav Schröder

Zivilcourage auf hoher See

Zivilcourage auf hoher See

Zivilcourage auf hoher See

Hadersleben/Haderslev
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Archivleiter Bent Vedsted Rønne und Sara Hai Abildtrup beim Aufbau der Ausstellung in Von Oberbergs Haus. Sara Hai hat ein digitales Spiel unter dem Namen „Dilemma“ entwickelt. Pädagogisch aufbereitet, zeigt es Schröders Optionen und Folgen auf. Unter Dilemma.dk kann man es auch von zu Hause aus spielen. Und: Der bekannte Autor Daniel Kehlmann feierte Anfang September in Wien Premiere mit seinem neuen Theaterstück „Die Reise der Verlorenen“, in dem er die Fahrt der „St. Louis“ für die Bühne inszenierte. Foto: Ute Levisen

Das Historische Archiv zeigt bis zum 11. November in Von Oberbergs Hus eine Sonderausstellung über Gustav Schröder, der 937 Juden das Leben rettete.

Die vergangenen anderthalb Monate hatten es in sich für Sara Hai Abildtrup und Bent Vedsted Rønne. Die Kulturvermittlerin am Historischen Archiv der Kommune Hadersleben und ihr Chef legten bis zur letzten Minute Hand an die Sonderausstellung über einen Haderslebener, der in aller Welt bekannt ist – nur in seiner Heimatstadt nicht.

Das soll sich ändern: mit einer Sonderausstellung in Von Oberbergs Haus über Kapitän Gustav Schröder, der im Schicksalsjahr 1939 mehr als 900 Juden vor dem sicheren Tod rettete, und mit einer Gedenktafel an seinem Geburtshaus an der Großen Straße 9. Die wenigsten Haderslebener hatten bis vor Kurzem etwas von diesem leisen Helden aus ihrer Stadt, wie er im Ausland genannt wird, gehört. Nicht so Bent Vedsted Rønne. Er beschäftigt sich sei 1987 mit der Person Schröder: „Ich habe damals auch die Verfilmung seiner Schiffsreise gesehen“, erinnert sich der Archivleiter.

Seither hat er sich immer wieder mit  dem Kapitän beschäftigt, denn ein Großteil der Literatur befasst sich mit der abenteuerlichen Fahrt seines Schiffs, der St. Louis,  weniger mit der Persönlichkeit Schröders. „Das ist auch gar nicht so einfach. Er war offenbar ein sehr in sich gekehrter Mensch, die nie viel Wesens um sich gemacht hat“, sagt Bent Vedsted. Der Beinamen leiser Held passt daher sehr gut.“

 

Jürgen Glaevecke reagierte angetan auf die Gestaltung der Sonderausstellung, die bis zum 11. November zu sehen sein wird. Foto: Ute Levisen

Geleitet von humanistischem Menschenbild

  Davon wusste auch der  Dichter und Schriftsteller Hans Leip ein Lied zu singen: Der Verfasser des berühmten Soldatenliedes „Lili Marleen“ war mit dem Kapitän befreundet und würdigte in einem Nachruf das stille Wesen des Verstorbenen, der sich – ungeachtet seiner Mitgliedschaft in der Partei der Nationalsozialisten – nicht von deren menschenverachtender Ideologie leiten ließ, sondern stets von seinem humanistischen Menschenbild. Zeitzeugen bescheinigen es dem „leisen Helden“.  Zu jenen Menschen, die Schröder seinerzeit vor dem sicheren Tod bewahrte, gehört auch die Familie Joel. „Billy Joels Familie“, sagt Bent Vedsted Rønne.

Wohl sei Gustav Schröder Mitglied der Nazi-Partei gewesen: „Das musste er auch, wollte er als Kapitän zur See fahren.“ Und: Der Kapitän hatte einen behinderten Sohn, dem, so grotesk es klingt, das Parteiabzeichen zumindest eine Zeitlang   Schutz geboten habe.

Carsten Leth Schmidt im Gespräch mit Israels Botschafter Benny Dagan während der Eröffnung der Sonderausstellung am Donnerstag. Foto: Ute Levisen

Von Hollywood verfilmt

Schröder war nicht nur Kapitän, sondern auch Buchautor: Sechs an der Zahl hat er geschrieben. Seefahrts- und Tierbücher. Seine Erlebnisse hat er ebenfalls zu Papier gebracht. In den 70er Jahren verfilmte Hollywood frei nach seinen Erinnerungen die Fahrt der „St. Louis“ unter dem deutschen Titel „Reise der Verdammten“.

„Gern hätten wir diesen Film gezeigt“, so Rønne, aber es habe Probleme mit den Rechten gegeben. Stattdessen wird im Rahmen der Sonderausstellung nun die NDR-Dokumentation „Kapitän Schröder und die Irrfahrt der St. Louis – Erinnerungen an ein Drama auf See“ gezeigt.

Der Sender und sein Autor stellen den Haderslebenern auf Initiative des Großneffen des Kapitäns, Jürgen Glaevecke, ihre Dokumentation ohne   Wenn und Aber zur Verfügung  und freuen sich über das Interesse aus Dänemark.   Es habe bereits zahlreiche Voranmeldungen von Schulklassen gegeben, die dieses Thema im Geschichtsunterricht aufarbeiten wollen.

Archivleiter und Historiker Bent Vedsted Rønne bedauert die Entscheidung seiner Parteikameraden (Archivbild). Foto: Ute Levisen

Gedenktafel und Broschüre

Eine Gedenktafel am Geburtshaus erinnert seit dieser Woche an die Tat des gebürtigen  Haderslebeners. Ebenso eine Broschüre auf Deutsch und Englisch von Bent Vedsted Rønne, die die Ausstellung mit ihren ausschließlich dänischen Texten ergänzen wird.

Der Archivleiter hofft, dass Schröder damit die Anerkennung zuteil wird, die ihm beispielsweise Israel mit der Verleihung des Titels „Gerechter und den Völkern“ längst angedeihen ließ.

„Gustav Schröder“, so sagt Bent Vedsted, „ist ein gutes Beispiel dafür, dass es damals auch ein anderes Deutschland gegeben hat.“

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