Diskussionsrunde

Sexismus: Jetzt wird endlich darüber geredet

Sexismus: Jetzt wird endlich darüber geredet

Sexismus: Jetzt wird endlich darüber geredet

Nordschleswig
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Über 40 Gäste nahmen am Donnerstagabend am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig an einer Diskussion über Sexismus teil. Foto: Gwyn Nissen

Es war eine wichtige Debatte über Sexismus, die am Donnerstagabend am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig geführt wurde. Nicht alle Männer sind Teil des Problems – aber sie sind Teil der Lösung, sagte der DGN-Schüler Linus Clausen.

Sexismus ist in Dänemark neben der Corona-Krise das Gesprächsthema schlechthin. Am Donnerstagabend wurde das Thema auch in der deutschen Minderheit angesprochen, als der Verband Deutscher Büchereien Nordschleswig gemeinsam mit dem Deutschen Gymnasium für Nordschleswig bei einer Diskussionsveranstaltung das Thema auf die Tagesordnung setzte.

Professor Fabian Lamp von der Fachhochschule Kiel stellte zu Beginn der Veranstaltung fest, „dass nicht feststeht, wo Sexismus anfängt und wo er aufhört“. Deshalb werde so sehr darüber gestritten – „weil es verschiedene Perspektiven gibt“, so Lamp.

Sexismus, so die Definition, ist ein Sammelbegriff für verschiedene Formen der Übergriffigkeit und Herabwürdigung des anderen Geschlechts. Die Bandbreite geht von Mord und Vergewaltigung bis hin zur sexistischen Sprache und zu sexistischen Witzen.

„Wenn Frauen weiterhin davon berichten, dass sie permanent mit Herabwürdigungen leben müssen, dann brauchen wir eine Sensibilisierung im Alltagsleben. Es geht um die Verdinglichung und Verletzung der Individualität“, sagte Fabian Lamp über den Sexismus im Alltag. Frauen würden sich oft nicht wehren können, und Männer könnten sich zu selten zügeln, die Frau zum Objekt zu machen.

Sexismus: Erkennen, benennen, stoppen.

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Foto: Gwyn Nissen

Ein relevantes Thema

Moderator Jan Martensen führte mit seinen relevanten und konkreten Fragen hinein in eine rege Diskussion mit Tiefgang. Für die Studierende Sofie Knauer, Aarhus, eine von drei Podiumsteilnehmenden, sei das Thema Sexismus stets relevant gewesen.

„Nur hat es bisher eher genervt, und Leute hat es nicht interessiert, aber es freut mich, dass wir jetzt darüber reden können, denn Sexismus ist überall“, sagte Sofie Knauer.

„Wir fangen jetzt die Diskussion an. Das bedeutet nicht, dass wir von heute auf morgen frei von Sexismus sein werden, aber wir können den richtigen Weg gehen und besser werden.“

Außerdem müsse man, so Knauer, neuen Generationen beibringen, was nicht in Ordnung sei.

Alltags-Sexismus ansprechen

„Nordschleswiger“-Journalistin Sara Wasmund, Blans, nannte die Diskussion über das Miteinander im Alltag fast wichtiger als die Debatte über MeToo. Dort sei es um konkrete Taten gegangen, während der Alltags-Sexismus überhaupt erst die Grundlage und den Nährboden für solche sexuellen Übergriffe bilde.

„Es ist wichtig, darüber zu reden und zu reflektieren“, so Wasmund. Außerdem müssten Frauen besser darin werden „Stopp" zu sagen.

Für sie sei die TV-Moderatorin Sofie Linde keine Heldin (so wie sie Chefredakteur Gwyn Nissen in einem Leitartikel beschrieben hatte). Linde habe vor einigen Wochen zwar die Sexismus-Debatte in Dänemark angestoßen, doch für Wasmund seien die wahren Heldinnen die Frauen, die sich in der Situation trauen und den Mut aufbringen würden, sich nicht belästigen oder erniedrigen zu lassen.

Sie appellierte an die Frauen, sich den männlichen Strukturen nicht anzupassen und sich nicht daran zu gewöhnen. „Es ändert sich nichts, wenn wir weiterhin nur einstecken.“

Sofie Knauer meinte dazu, dass es erst gar nicht zur Situation kommen dürfe, dass sich Frauen verteidigen müssten.

„Das wäre eine Traumwelt, wenn es so wäre. Ich glaube aber, es wird immer wieder solche Situationen geben“, so die Journalistin.

Männer sind Teil der Lösung

DGN-Schüler Linus Clausen sagte aus dem Plenum heraus, dass die meisten Männer in der privilegierten Situation seien, eben nicht sexuell belästigt zu werden. 

Und auch wenn einige Männer nicht Teil des Problems seien, so „sind sie doch ein Teil der Lösung“, meint Clausen. „Ich habe eine Verantwortung dafür, dass Sexismus keinen Raum bekommt.“

Auch wenn man nicht selbst zu den Aktiven gehöre, müsse man sexistische Sprüche nicht tolerieren, sondern ansprechen. „Ich glaube, einige Männer tun es, um gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen. Wenn sie entdecken, dass sie das Entgegengesetzte erreichen, dann hört es auch auf“, glaubt Linus Clausen.

 

Foto: Gwyn Nissen

Im Anschluss an die Gesprächsrunde gab der Moderator dem Publikum das Wort. Viele Anwesende ergriffen die Gelegenheit, und es kam zu einem intensiven Austausch von Ansichten und Meinungen.

Bitte nicht alle Männer unter Generalverdacht stellen, so eine Wortmeldung aus dem Publikum. Generalverdacht nein, doch alle haben eine Verantwortung, Sexismus zu benennen, so eine Schlussfolgerung.

Kein einfaches Thema

Von der Frage, ob es einen bestimmten Männertyp gibt, von dem Sexismus ausgeht (nein, Sexismus betrifft alle Schichten und Typen, so Fabian Lamp), über die Feststellung, dass auch Frauen Sexismus ausüben und dass es am Ende um das respektvolle Miteinander unter Menschen geht – der Diskussionsabend endete mit dem angenehmen Empfinden, dass man durchaus verschiedener Meinung sein und eine gute Diskussion führen kann.

Und dass es umso wichtiger ist, darüber miteinander zu reden. Respektvoll und wertschätzend. Denn Sexismus ist, das zeigte sich im Laufe des Abends immer wieder, wirklich kein einfaches Thema. Und eine breite Diskussion nötiger denn je.

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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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