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„Dürfen Inuit Eisbären jagen? Artenschutz und die Rechte indigener Völker“
Dürfen Inuit Eisbären jagen?
Dürfen Inuit Eisbären jagen?
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Westliche Umweltschützer wollen den Inuit ein weiteres Mal vorschreiben, wie sie leben sollen. Jan Diedrichsen erinnert an die schwerwiegenden Folgen der Seehund-Kampagne von Greenpeace. Der deutsche Nabu habe daraus nicht gelernt, meint er.
Seit Tausenden von Jahren kümmern sich indigene Gemeinschaften um die Umwelt, schützen ihr Land, respektieren die Tier- und Pflanzenwelt und nutzen ihr traditionelles, über Generationen tradiertes Wissen. Auch heute noch schützen sie einige der artenreichsten Gebiete der Erde. Fast 50 Prozent der weltweiten Landmasse (ohne die Antarktis) werden von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften bewohnt. Obwohl sie nur etwa 6 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, schützen sie 80 Prozent der weltweit noch vorhandenen biologischen Vielfalt. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist ein wichtiger Schlüssel zur Bewältigung der Klimakrise.
Müssen die indigenen Völker dem Umweltschutz weichen? Zwischen Umweltschützerinnen und Menschenrechtlern wird zum Teil heftig gestritten. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob im Zeichen des Klimaschutzes die Rechte und Traditionen der Minderheiten zu beschneiden sind. Zum Beispiel werden Naturreservate in Gebieten der Ureinwohner per Gesetz „verfügt“, und den Bewohnerinnen und Bewohnern wird ihr über Jahrhunderte ausgeübtes Recht auf die Bewirtschaftung ihrer Gebiete untersagt. Umweltschutz versus Rechte der Ureinwohner. Die Diskussion ist nicht neu, wird aber immer verbissener geführt.
Erinnern Sie sich noch an die Kampagne gegen das „Robben-Töten“; Brigitte Bardot, die sich mit Robben im Schnee wälzte? In den frühen 1980er Jahren hatte Greenpeace eine Kampagne gegen das grausame Massenabschlachten von Robben vor der kanadischen Ostküste in Neufundland gestartet. Die Bilder gingen um die Welt. Doch die Aktion hatte einen Kollateralschaden: die Inuit in Grönland. Unglücklicherweise hießen die Robben in Kanada Grönlandrobben, was fälschlicherweise eine Verbindung zu Grönland nahelegte.
Die Aktion bewirkte nicht nur ein Verbot, Felle von Robbenbabys in die Länder der Europäischen Union einzuführen, sondern hatte auch den fast vollständigen Zusammenbruch des Fellmarkts zur Folge. Das traf einige Inuit in Grönland hart. Der Verkauf von Fellen war die Haupteinnahmequelle vor allem der lokalen Gemeinschaften, die noch weitgehend die traditionelle Lebensweise, mit hohem Selbstversorgungsgrad beibehalten hatten. Die Einnahmen durch den Verkauf der Felle ermöglichten den Kauf von Ausrüstung, Munition und Benzin für die Jagd. Greenpeace hat die Folgen der Robbenbaby-Kampagne gegenüber den Inuit später bedauert und Fehler eingeräumt.
Hier unterhalb kannst du ein Video der Inuit-Sila-Kampagne aus dem Jahr 2016 sehen, das über die Robbenjagd in Grönland und die Folgen der EU-Gesetzgebung aufklärt:
Die deutsche Umweltorganisation Nabu hat aus der Grönland-Affäre von Greenpeace wenig gelernt und aktuell eine Unterschriftensammlung mit dem plakativen Titel „Stoppt den Abschuss der Eisbären“ gestartet. Im Kleingedruckten steht zu lesen, dass man die EU-Kommission dazu auffordert, sich dem Verbot des Handels mit Eisbärenfellen anzuschließen. Erneut wird suggeriert, dass die Inuit (diesmal in Kanada) die Artenvielfalt bedrohen, da sie Eisbären jagen. Diesem Bild widersprechen zahlreiche Expertinnen und Experten, die keine Unterpopulation des Eisbärenbestandes erkennen und gegen die Jagd nichts einzuwenden haben.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat bei den deutschen Naturschützern nachgehakt (Artikel vom 13. August 2022): „Nur weil man mehr Eisbären sieht, sind es nicht auch mehr Eisbären. Die Inuit kennen sich super aus mit den Polarbären, können sie aber nicht zählen“, wird eine Mitarbeiterin des Nabu in der Zeitung zitiert. Da fällt einem wahrlich nicht mehr viel ein.
Wir wollen, wir müssen das Klima retten. Per Naturschutzdekret den indigenen Gemeinschaften vorschreiben, wie sie mit ihrem Land umzugehen haben, ist jedoch an Arroganz und Ignoranz schwer zu überbieten. Als läge bei ihnen und ihrer Lebensweise das Problem. Die indigenen Gemeinschaften sind wichtige Verteidigerinnen der Artenvielfalt und ausgewiesene Umweltschützer, die wir dringend brauchen im Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimawandel.