Pandemie

Virologen überrascht über viele Corona-Tote in Deutschland

Virologen überrascht über viele Corona-Tote in Deutschland

Virologen überrascht über viele Corona-Tote in Deutschland

Kopenhagen/Kiel/Berlin
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In Deutschland ist eine Ansteckung mit dem Coronavirus immer noch deutlich tödlicher als in Dänemark. Foto: Handout/Reuters/Ritzau Scanpix

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Trotz deutlich niedrigerer Infektionszahlen sterben aktuell in Deutschland anteilmäßig mehr als viermal so viele Menschen mit einer Corona-Infektion wie in Dänemark.

Obwohl die Anzahl der Neuinfizierten im Laufe des Sommers in Dänemark deutlich gestiegen ist, bleibt die Anzahl der Menschen, die nach einer Corona-Infektion sterben, gering.

Acht Tage lang gab es sogar keinen einzigen Corona-Todesfall, in dieser Woche hat es wieder ein paar gegeben.

Das Europäische Zentrum für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (ECDC) registriert die Anzahl der Corona-Todesfälle in Europa.

Demnach sind in Dänemark 0,86 Personen pro 1 Million Einwohner innerhalb von 14 Tagen gestorben (Stand 22. 7.).

Experte verwundert

In Deutschland sieht das anders aus. Hier liegt der Wert bei 3,99. Mit anderen Worten sind, unter Berücksichtigung Bevölkerungszahl, in Deutschland viereinhalb mal so viele Menschen nach einer Infektion gestorben.

Die Zahlen überraschen Hans Jørgen Kolmos, Professor für Mikrobiologie an der Universität Süddänemark.

„Das hätte ich jetzt nicht erwartet, denn das Gesundheitssystem in beiden Ländern funktioniert meines Wissens in etwa gleich gut“, sagt er dem „Nordschleswiger“.

Virologe erwartete Gegenteil

Hinzu kommt, dass die Infektionszahlen in Dänemark deutlich höher sind als in Deutschland. Am Mittwoch meldet das Staatliche Serum Institut (SSI) eine siebentägige Inzidenz von 101. Laut Robert Koch-Institut (RKI) liegt der entsprechende Wert in Deutschland bei 16.

Daher rätselt man südlich der Grenze zunächst nicht weniger über den Unterschied.

„Ich hätte eher gedacht, dass es umgekehrt ist und es in Dänemark mehr Todesfälle gibt“, sagt Professor Helmuth Fickenscher, Professor für Infektiologie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, als „Der Nordschleswiger“ ihm die Zahlen präsentiert.

Impfschutz als Erklärung 

Des Rätsels Lösung findet sich möglicherweise in den Unterschieden bei den Fortschritten der Impfkampagnen. Zwar hat in Deutschland wie in Dänemark ungefähr die Hälfte der Bevölkerung den zweiten Stich bekommen, beim ersten hinkt Deutschland nur ein wenig hinterher.

Sieht man sich die Zahlen im Detail an, springt jedoch ein Unterschied ins Auge. In Dänemark sind fast alle in den Risikogruppen geimpft worden, in Deutschland ist das nicht der Fall.

„Das kann den Unterschied durchaus erklären. Denn die Impfungen schützen vor schweren Erkrankungen und Tod“, sagt Professor Kolmos.

In Dänemark sind laut SSI 95,3 der Menschen in Risikogruppen fertig geimpft, in der Gruppe der 60- bis 64-Jährigen sind es 90,6 Prozent.

„Die Zustimmung zu den Impfungen ist auch in Deutschland bei den Risikogruppen hoch, aber so hoch ist sie nicht. Daher kann das durchaus Teil der Ursache sein“, pflichtet Professor Fickenscher seinem dänischen Kollegen bei.

Kritik an deutscher Impfkampagne

Das RKI erfasst die Impfdaten nicht genauso detailliert wie das SSI. Aus den Zahlen geht jedoch hervor, dass in Deutschland 78 Prozent der Personen ab 60 Jahre fertig geimpft sind, also ein deutlich geringerer Anteil als die über 90 Prozent in Dänemark.

Der Kieler Virologe bemängelt, dass die Impfungen in Pflegeheimen nicht systematisch genug organisiert seien.

„Am Anfang der Kampagne kamen die Impfzüge in die Pflegeheime, aber nun ist alles den praktizierenden Ärzten überlassen. Keiner hat den Überblick“, so Fickenscher.

Der hohe Impfschutz der Risikogruppen ist in Dänemark von Experten und Politikern als Argument dafür angeführt worden, dass man es sicher sei, die Restriktionen zu lockern und zum Beispiel die Masken weitgehend fallen zu lassen. 

Schweden hat die wenigsten aktuellen Todesfällen

Mit zum Gesamtbild gehört, dass die Anzahl der aktuellen Todesfälle in Schleswig-Holstein ähnlich gering ist wie in Dänemark. Auch dort gab es im Juli etliche Tage, an denen das RKI keinen Todesfall vermeldet hat.

Noch besser als in Dänemark sieht es momentan in Norwegen und Schweden aus. In Norwegen haben sich laut ECDC innerhalb von 14 Tagen 0,37 Todesfälle pro 1 Million Einwohner ereignet, in Schweden sind es lediglich 0,19.

Dänemark und SH ähnlich

Blickt man auf die gesamte Pandemie, schneidet Norwegen am besten ab. Dort sind 799 Menschen nach einer Corona-Infektion verstorben (Stand 28. 7.). Das ergibt 150 Todesfälle pro 1 Million Einwohner (Berechnung des „Nordschleswigers“).

In Dänemark liegt der entsprechende Wert bei 439. Schleswig-Holstein gleicht in dieser Beziehung Dänemark; dort sind 563 Personen pro 1 Million Einwohner verstorben.

Deutlich schlechter sieht es aus, wenn man Deutschland insgesamt betrachtet. Der Wert liegt da bei 1.103. Damit nähert sich Deutschland dem regelmäßig kritisierten Schweden, wo 1.437 Personen pro 1 Million verstorben sind.

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