Kommentar

„Traurig für alle in Apenrade: Die Atmosphäre im Stadtrat ist vergiftet“

Traurig für alle in Apenrade: Die Atmosphäre im Stadtrat ist vergiftet

Traurig: Vergiftete Atmosphäre im Apenrader Stadtrat

Apenrade/Aabenraa
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Der Haushaltsentwurf für 2024 und folgende Jahre hat nicht die Zustimmung aller Stadtratsmitglieder. Foto: kjt

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Eigentlich gäbe es Grund zum Jubeln in Apenrade: Der Rotstift muss 2024 nicht gezückt werden. Im Gegenteil: Es ist im Haushalt sogar noch Luft für Investitionen. Dennoch war die Stimmung im Stadtratssaal alles andere als friedlich. Ein Kommentar von Lokaljournalistin Anke Haagensen.

Wenn der Trog leer ist, beißen sich die Pferde, besagt ein dänisches Sprichwort. Warum allein der Tagesordnungspunkt „1. Haushaltslesung“ in der Kommune Apenrade am Mittwoch fast vier Stunden dauerte, mit über 40 zum Teil sehr wütenden Wortmeldungen, kann eigentlich nur damit erklärt werden, dass die Messer für den Wahlkampf bereits jetzt scharf gewetzt sind. Vielleicht sind auch die Wunden vom Wahlabend 2021 nicht verheilt?

Die Kommune steht finanziell eigentlich ganz gut da.

Während in vielen Nachbarkommunen im kommenden Jahr zum Teil heftige Sparmaßnahmen bei Kultur und kommunaler Fürsorge greifen müssen, damit der Haushalt ausgeglichen ist, kann Apenrade sogar ein paar Investitionen tätigen. Und doch streiten sich die Stadtratspolitikerinnen und -politiker, was das Zeug hält!

Andresen gegen Jakobsen

Ganz besonders vergiftet ist die Atmosphäre offensichtlich zwischen dem früheren Bürgermeister Thomas Andresen (Venstre) und seinem Nachfolger Jan Riber Jakobsen (Kons.). Das wurde am Mittwochabend im Stadtratssaal deutlich.

Letztlich ging es bei dem Streit zwischen den beiden Seiten weniger um Politisches, sondern um, ja, um was eigentlich? Als neutrale Person ist man geneigt, „um verletzte Eitelkeiten“ zu sagen.

Allerdings scheinen der amtierende Bürgermeister und sein Adjutant Rasmus Elkjær Larsen der Gegenseite gegenüber, tatsächlich auch reichlich „dusselig“ gehandelt zu haben, um es umgangssprachlich auszudrücken.

Wenn man (sprich: Bürgermeister Jan Riber) vergisst, den Fraktionsvorsitzenden der Oppositionspartei (sprich: Thomas Andresen) zur zweiten Verhandlungsrunde einzuladen und diese Einladung nur an dessen Adjutantin und Adjutanten verschickt, dann ist das tatsächlich nicht besonders günstig für das Klima untereinander.

Ex-Bürgermeister Andresen nutzt einen solchen Fauxpas seines Nachfolgers natürlich aus. Da nützt auch die Entschuldigung von seinem konservativen Widersacher nichts. Dass Andresen – obwohl seine Partei weiterhin die größte Fraktion im Apenrader Stadtrat ist – die Bürgermeisterkette an den Konservativen abgeben musste, hat er ganz offensichtlich nicht verwunden.

Gewohnter Ablauf

Bei der 1. Haushaltslesung wurde nahezu der ganze Haushaltsprozess von der Opposition infrage gestellt. Dabei war der Ablauf nicht großartig anders als zu Zeiten Andresens.

Der gesamte Ablauf war zudem im Februar vom Ökonomieausschuss (dem Thomas Andresen angehört) abgesegnet worden. Damals hatte auch niemand empfunden, dass die Zeit zwischen Haushaltsseminar (28. und 29. August) und Deadline der Verhandlungen (4. September) zu gering war.

Mit mehr politischem Fingerspitzengefühl hätte Jan Riber Jakobsen sich an die beschlossenen Fristen gehalten und hätte so die Opposition vielleicht mit ins Boot holen können. Vielleicht!

Wahrscheinlich aber auch nicht, denn wenn Venstre einen Haushaltsvergleich wirklich gewollt hätte, dann hätte sich das Verhandlungsteam auch nicht durch eine versäumte Einladung an Thomas Andresen abhalten lassen.

Warum Jan Riber Jakobsen die Deadline auf den Freitag, 1. September, 18 Uhr, vorverlegt hat, kann den neutralen Beobachtenden nur verwundern. Wollte er der Gegenseite bewusst weniger Zeit einräumen, dem Etat ihren Stempel aufzudrücken?

So hat er der Opposition natürlich noch mehr Angriffsfläche geboten. Und die hat ihre Rolle der „beleidigten Leberwurst“ dann dankend angenommen.

Alternativer Haushaltsentwurf

Venstre hat in Zusammenarbeit mit der Dänischen Volkspartei und mit Hans-Christian Gjerlevsen (Neue Bürgerliche) einen eigenen Etatentwurf erstellt und diesen nicht der Gegenseite unterbreitet, sondern ihn in sozialen Medien veröffentlicht. Im Großen und Ganzen unterscheiden sich die beiden erarbeiteten Haushaltsentwürfe nur in Nuancen.

Für neutrale Außenstehende ist deshalb nicht wirklich ersichtlich, warum hier kein Konsens gefunden werden konnte. Eine mögliche Erklärung ist, dass die beiden Seiten keinen Konsens finden wollten.

Dass die Zwei-Mann-Fraktion der Neuen Bürgerlichen in Bezug auf den Haushalt zudem in zwei Lager geteilt ist, macht die ganze Situation noch vertrackter.

Versteckte Drohung

Wenig hilfreich für das künftige Arbeitsklima im gesamten Stadtrat war auch die Aussage des sonst so eloquenten Rasmus Elkjær Larsen, dass sich die Opposition durch ihre Ablehnung des Haushaltsentwurfs bei der Umsetzung der Beschlüsse selbst ins Abseits manövriert habe.

Philip Tietje (Venstre) erinnerte daraufhin die Gegenseite daran, dass die Opposition in einigen Ausschüssen die Mehrheit habe. Das konnte durchaus als Drohung verstanden werden.
 

Wenn das bis zu den Kommunalwahlen 2025 der künftige Ton in der politischen Arbeit in Apenrade sein wird, dann kann einem um die Kommune nur angst und bange werden.

Anke Haagensen, Lokaljournalistin

Wenn das bis zu den Kommunalwahlen 2025 der künftige Ton in der politischen Arbeit in Apenrade sein wird, dann kann einem um die Kommune nur angst und bange werden.

Das ist traurig – für die Zusammenarbeit im Stadtrat und für die Bürgerinnen und Bürger in der Kommune. Denn es wird kaum ausbleiben, dass die vergiftete Atmosphäre auch auf die Entscheidungen abfärbt.

Nachzutragen wäre: Der Etatentwurf wurde in 1. Lesung von der Mehrheit gutgeheißen. Die 2. Lesung findet am 11. Oktober statt.

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