Spendenaktion

Diese Fahrradhaudegen tüfteln für die ukrainischen Flüchtlinge

Diese Fahrradhaudegen tüfteln für die Flüchtlinge

Diese Fahrradhaudegen tüfteln für die Flüchtlinge

Tingleff/Tinglev
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Setzen gespendete Fahrräder für Flüchtlinge instand: (v. l.) Hans Werner Petersen, Per Nielsen und Peder Sørensen. Foto: kjt

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Drei Ruheständler bringen gespendete Fahrräder für Flüchtlinge aus der Ukrainer auf Vordermann. Getüftelt wird im ehemaligen Pflegeheim in Tingleff. In der Zweigstelle in Bollersleben schraubt Volodymyr, der mit Frau und Kind aus der Ukraine geflüchtet ist.

Per Nielsen hat ein Faible für Fahrräder. Der pensionierter Lehrer aus Tingleff werkelt gern an Drahteseln herum und hat sich unter anderem auch als Tandembauer einen Namen gemacht.

Der Ukrainekrieg und der Strom flüchtender Menschen, die unter anderem auch in Dänemark landen, haben den 66-Jährigen bewogen, zu helfen. Mit Fahrrädern.

Für geflüchtete Ukrainer wird das ehemalige Pflegeheim „Grønningen“ in Tingleff als vorübergehende Unterkunft genutzt und das ehemalige Pflegeheim „Midtpunkt“ in Bollersleben (Bolderslev) dient als Asylbewerberheim.

Damit die Menschen dort mal herauskommen, die Umgebung erkunden und einkaufen können, wären Fahrräder das geeignete Fortbewegungsmittel, so der Ansatz von Per Nielsen.

Er hat sich mit Tüftler-Kollege Hans Werner Petersen zusammengetan und schraubt seit geraumer Zeit an alten Fahrrädern herum, die für die ukrainischen Flüchtlinge gespendet wurden.

Werkstatt im Flüchtlingsheim

Über das Rote Kreuz können sie dabei auf Räume im Keller des alten „Grønningen“ zurückgreifen.

Die ehrenamtlichen Fahrradmonteure im Werkstattkeller: (v. l.) Hans Werner Petersen, Per Nielsen und Peder Sørensen Foto: kjt

Zu den ehrenamtlichen Fahrradmonteuren ist Peder Sørensen aus dem Raum Jündewatt (Jyndevad) dazugestoßen. Er engagiert sich auch für den Kleiderspenden-Shop, der ebenfalls im alten Pflegeheim von Freiwilligen eingerichtet wurde.

„Ich bekam mit, dass hier auch Fahrräder für die Ukrainer einsatzbereit gemacht werden. Da bin ich halt dazugekommen“, sagt der 63-Jährige, der als gelernter Automechaniker das handwerkliche Geschick für das Instandsetzen der Räder mitbringt.

Initiator Per Nielsen wollte die Fahrrad-Spendenaktion „giv en cykel“ (Gib ein Fahrrad) ursprünglich in Kooperation mit dem dänischen Verband der Radfahrer ins Leben rufen.

„Es wurde leider sehr kompliziert. Angedacht war ein Online-Format, über das dann auch die Flüchtlinge Fahrräder ordern sollten. Ich habe dann lieber diese Aktion hier vor Ort gestartet“, so Per Nielsen im Kellerraum des alten „Grønningen“, wo etliche gespendete alte Fahrräder eingereiht sind und auf eine Überarbeitung warten.

Noch größere Spendenbereitschaft

Schon während der Flüchtlingskrise im Kielwasser der kriegerischen Auseinandersetzung in Syrien vor rund acht Jahren hatte Per Nielsen sich um Fahrradspenden bemüht. Diesmal sind die überarbeiteten Zweiräder für die ukrainischen Flüchtlinge gedacht.

„Die Spendenbereitschaft ist diesmal erheblich größer, als zur Syrienkrise“, erwähnt Nielsen.

Es könnte daran liegen, dass die Menschen der Ukraine-Krieg nähergeht.

„Außerdem sind hauptsächlich Frauen mit Kindern auf der Flucht. In der Syrienkrise waren es vor allem Männer. Das spielt vielleicht auch eine Rolle“, so Nielsen.

Die Spendenbereitschaft ist diesmal erheblich größer, als zur Syrienkrise.

Per Nielsen

Schon über 100 Fahrräder jeder Größe und jeden Zustandes sind den Tüftler für die Ukrainer übergeben worden. 20 bis 30 sind für den täglichen Gebrauch einsatzbereit.

Jedes Rad willkommen

„Wir nehmen alle Fahrräder an, egal in welchem Zustand. Wenn Räder gar nicht mehr in Schuss zu bringen sind, nutzen wir sie als Ersatzteillager“, erwähnt Hans Werner Petersen.

„Der Rest kommt zum Schrotthändler. Die kleinen Einnahmen fließen dann in die Werkstatt“, ergänzt Per Nielsen.

Das Reparaturteam beim Werkeln im Keller des ehemaligen Pflegeheims. Dem Trio gehören Hans Werner Petersen, Per Nielsen und Peder Sørensen an (v. l.). Foto: kjt

Weitere Fahrräder, vor allem Damen- und Kinderfahrräder, werden gern entgegengenommen, betonen die Hobbyschrauber.

Man dürfe sich gern an sie wenden, so die Aufforderung. Per Nielsen ist telefonisch oder per SMS unter 60 14 96 93 und Hans Werner Petersen unter 22 33 74 02 zu erreichen.

„Wir nehmen auch gern Kindersitze entgegen, denn die meisten Flüchtlinge sind Frauen mit Kindern“, sagt Per Nielsen.

Auch Dreiräder und Gokarts sind gefragt.

Unterstützung

Nielsen und sein Kompagnon Hans Werner Petersen konnten sich über ein kleines Startkapital freuen.

Der Lionsclub Tingleff gibt 5.000 Kronen und das Apenrader Ortskomitee der Flüchtlingsorganisation „Venligboerne“ unterstützt des Fahrradprejekt ebenfalls, wie Nielsen mit Dank an die Förderer erwähnt.

Im Carport des ehemaligen Tingleffer Pflegeheims ist bereits ein kleiner Fahrrad-Fuhrpark für die ukrainischen Flüchtlinge zusammengekommen. Foto: kjt

In den Flüchtlingsunterkünften in Tingleff und Bollersleben gibt es einen ständigen Wechsel. Die Ukrainer wohnen übergangsweise dort. Fahrräder können bei einem Umzug mitgenommen werden.

„Für 300 Kronen. Wir wollen nicht dran verdienen, haben uns nach Rücksprache mit ukrainischen Kontaktpersonen aber dazu entschlossen, einen kleinen Obolus zu nehmen. Auch dieses Geld fließt in die Instandsetzung von Fahrrädern“, erläutert Per Nielsen.

Der Tingleffer hat auch Kontakt zum Asylbewerberheim in Bollersleben aufgenommen, um auch für die dortigen Flüchtlinge Fahrradspenden zu organisieren.

Filiale Bollersleben

Für die Außenstelle hat Nielsen zum Glück einen tüchtigen Werkstattleiter gefunden, mit dem er sich regelmäßig austauscht und dem er bei Bedarf auch Ersatzteile zukommen lässt.

Ein ständiges Hin- und Herpendeln bleibt ihm dadurch erspart.

In Bollersleben kümmert sich der 32-jährige Ukrainer Volodymyr Okunier um den Fuhrpark mit gebrauchten Rädern. Er ist aus Kakhovka in der südöstlichen Region Kherson  mit Frau und Kind geflohen und lebt seit rund vier Wochen in Bollersleben.

Er ist gelernter Grafikdesigner, kennt sich aber mit dem Reparieren und Warten von Fahrrädern ganz gut aus.

„In dem Ort, wo ich herkomme, gibt es keinen Fahrradladen mit Reparaturservice. Ich habe für Familie, Bekannte und Freunde Fahrräder in Schuss gebracht“, so der 32-jährige Ukrainer in gutem Englisch.

Chefmechaniker Per Nielsen (l.) und Filialleiter Volodymyr Okunier vor dem ehemaligen Pflegeheim in Bollersleben, das zurzeit als Asylbewerberheim genutzt wird. Foto: kjt

Dass über Per Nielsen ein kleiner Fuhrpark nach Bollersleben gekommen ist, habe ihn auf den Plan gerufen, so Volodymyr Okunier.

Abwechslung und Ablenkung 

„Die Tage hier an der Einrichtung sind lang. Da ist man froh, wenn man etwas zu tun hat“, sagt der 32-Jährige. Den Landsleuten mit dem Fahrraddienst zu helfen, sei eine zusätzliche Motivation.

Und es lenke von den schrecklichen Ereignissen in der Heimat ab.

Volodymyr Okunier ist mit Frau und Kind aus der Ukrainer geflohen Foto: kjt

„Meine Eltern sind noch in der Ukraine. Es ist ihnen nicht möglich, zu flüchten. Die Wege sind abgeschnitten und es fliegen ständig Raketen“, berichtete der junge Mann mit ernster Miene.

Er steht regelmäßig im telefonischen Kontakt mit den Eltern und hofft, dass ihnen nichts passiert und dass der Schrecken bald ein Ende nimmt.

Das Koordinieren der Fahrradherausgabe, die eine und andere Reparaturmaßnahme und der Austausch mit „Chefmechaniker“ Per Nielsen sorgen zumindest für etwas Ablenkung.

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