Geschichte

Gegen das Vergessen: Viele Schulen machen mit

Gegen das Vergessen: Viele Schulen machen mit

Gegen das Vergessen: Viele Schulen machen mit

Fröslee/Frøslev
Zuletzt aktualisiert um:
Foto von einer Deportation in ein Konzentrationslager des Hitler-Regimes. An der Ermordung von Juden und anderen Bevölkerungsgruppen durch die NS-Diktatur waren auch Personen aus Dänemark beteiligt. Foto: Nationalmuseet

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Mit Ausgangspunkt Fröslevlager findet am Auschwitz-Tag – dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers in der NS-Zeit – eine groß angelegte Infoveranstaltung für Schulen statt. Der Fokus liegt auf dänischen Kriegsverbrechern, die sich dem NS-Regime anschlossen. Beim Event virtuell dabei ist das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig.

Die Gräueltaten der Nazi-Diktatur sind auch fast 80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im damals besetzten Polen kaum fassbar.

Am 27. Januar 1945 wurde das berüchtigte Vernichtungslager nach Ende des Zweiten Weltkrieges befreit. Mehr als eine Million Menschen, meist Juden, sind vom NS-Regime dort ermordet worden.

Der Jahrestag der Befreiung – dem Auschwitz-Tag – wird am 27. Januar auch im Museum Fröslevlager zum Anlass genommen, die Schreckenstaten des Hitler-Regimes in Erinnerung zu rufen.

Im ehemaligen Internierungslager der Wehrmacht an der deutsch-dänischen Grenze bei Pattburg (Padborg) und späteren Gefangenenlager für Landesverräter und Sympathisanten Hitlerdeutschlands (Faarhuslager) ist eine Infoveranstaltung für Schulen vorbereitet worden. Nach Angaben des Fröslevlagers sind etwa 3.600 Jugendliche aus rund 100 Schulen für das kombinierte Live- und Online-Event angemeldet.

Der Schwerpunkt liegt auf dänischen Kriegsverbrechern, die für Deutschland unter anderem in KZ-Lagern tätig, und an der Ermordung von Menschen beteiligt waren, einer angemessenen Strafe aber entgingen.

 

In mahnender Erinnerung an das Auschwitzlager und an die Gräueltaten des Hilter-Regimes hat das Museum Fröslevlager eine Online-Informationsveranstaltung für Schulen vorbereitet. Foto: Frøslevlejr/Nationalmuseet

Besonderer Winkel

Dass bei der Kampagnenaktion „Gegen das Vergessen“ in Fröslee ein besonderer Winkel auf dänische Kriegsverbrecher und deren lückenhafte Rechtsverfolgung gelegt wird, ist ein ebenso neuer wie besonderer Ansatz.

Unter den teilnehmenden Schulen ist auch das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig aus Apenrade (Aabenraa). Die Schülerinnen und Schüler des dritten Jahrgangs werden in der Aula virtuell dabei sein, bestätigt Schulleiter Jens Mittag.

Die Jugendlichen werden unter anderem erfahren, dass 99 ehemalige SS-Freiwillige aus Dänemark als KZ-Mitarbeiter oder in anderer Funktion am Holocaust beteiligt waren. Laut Informationen aus dem Fröslevlager gehörten von diesen erfassten Personen etwa die Hälfte der deutschen Minderheit an.

Bei der Veranstaltung, die in Zusammenarbeit mit der Firma „Batavia Media“ durchgeführt wird, geht es aber nicht um diese Unterscheidung.

„Natürlich werden die Deutsche Minderheit und deren Rolle während der NS-Zeit und danach zur Sprache kommen. Es geht aber nicht darum, zwischen dänischen Kriegsverbrechern und denen aus der Volksgruppe zu unterscheiden“, betont Museumsinspektorin Gry Scavenius Bertelsen, die am Infotag des Fröslevlagers aktiv beteiligt sein wird.

Ungereimtheiten bei der Rechtsverfolgung

Es gehe auch nicht darum, die unfassbaren Schreckenstaten in den Vernichtungslagern mit Beschreibungen und Bildmaterial im Detail vor Augen zu führen, gleichwohl der Völkermord ein zentrales Thema der Veranstaltung ist.

Der Fokus liege nicht auf brutalen Einzelheiten des Völkermordes, sondern auf die, aus heutiger Sicht, mangelnde Rechtsverfolgung von dänischen Kriegsverbrechern, so die Museumsinspektorin.

Warum wurden sie in Dänemark nicht angemessen oder gar nicht für ihre Taten bestraft? Wurde von dänischer Seite überhaupt ausreichend nach Kriegsverbrechern aus dem eigenen Land gesucht?

Auch die Frage, wie es zum Völkermord kommen konnte, ist eine Kernfrage, die die Teilnehmenden zum Nachdenken und Diskutieren anregen soll. Zur Infoveranstaltung ist eine Themaseite im Internet erstellt worden, die Schulen für den Geschichtsunterricht nutzen können.

Noch immer ein Tabu

Sie als Historikerin sowie Kolleginnen und Kolleginnen in Dänemark befassen sich seit geraumer Zeit mit dänischer NS-Unterstützung bis hin zu Kriegsverbrechen. Es habe sie überrascht, „dass es offensichtlich immer noch ein Tabu in der dänischen Gesellschaft ist“, bemerkt Bertelsen.

Ein ähnliches Phänomen hat die deutsche Volksgruppe bei der jüngsten Aufarbeitung der eigenen Geschichte erlebt.

Der Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Dänemark stieß nicht nur auf Ablehnung, sondern wurde Teilen der Bevölkerung auch bejubelt. Foto: Nationalmuseet

Während das Gros der Volksschul- und Gymnasiumklassen über das Internet bei der Infoveranstaltung dabei ist, Filme und ein interaktives Programm geboten bekommt, werden rund 200 Jugendliche vor Ort sein und live teilnehmen.

Überlebender berichtet

Beim Zusammentreffen wird der dänische Holocaustüberlebende Ib Katznelson über seine Erlebnisse in den KZ-Lagern Ravensbrück und Theresienstadt erzählen. Er hat ein Buch über seine Erlebnisse verfasst und ist von der Bundesrepublik Deutschland kürzlich mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet worden.  

Gry Scavenius Bertelsen, die auch in den kurzen Filmbeiträgen mitwirkt, wird ebenfalls sprechen und dabei die Geschichte des Fröslevlagers und den Völkermord der Nazis aufgreifen – alles für die klare Botschaft  „Gegen das Vergessen“.

Mehr lesen
Amelie Petry, Wencke Andresen

„Mojn Nordschleswig“

Jetzt im Podcast: Mit 18 nach Brüssel und die Trophäe aus Barcelona

Apenrade/Aabenraa Cornelius von Tiedemann begrüßt die Politik-Juniorinnen Amelie Petry und Wencke Andresen, die ihm von ihrer Reise nach Brüssel berichten – und Chefredakteur Gwyn Nissen, der aus Katalonien eine Überraschung mitgebracht hat. Walter Turnowsky befragt die Glaskugel nach dem Termin für die nächste Folketingswahl, und Helge Möller fordert Hannah Dobiaschowski in „Wer hat’s gesagt?“ heraus.

Diese Woche In Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Hurra, der Kindersegen ist ausgeblieben!“