Diese Woche in Kopenhagen

„Die Grenze wird nur einen Spaltbreit geöffnet“

Die Grenze wird nur einen Spaltbreit geöffnet

Die Grenze wird nur einen Spaltbreit geöffnet

Kopenhagen
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Vieles spricht dagegen, dass Mette Frederiksen die Schlagbäume vor den Sommerferien noch ganz hochziehen wird, meint Walter Turnowsky, Korrespondent in Kopenhagen.

Eigentlich ist es ein dankbarer Job, wenn man sich wie ich, als politischer Kommentator – oder sollte es „Wahrsager“ heißen?– betätigt.

Bekommt man in seinen Vorhersagen recht, zeigt es wie tiefen Einblick man in die politischen Prozesse hat. Stellt sich dagegen heraus, dass man daneben lag, dann haben sich eben die politischen Voraussetzungen geändert und neue Entwicklungen haben dazu geführt, dass das Ergebnis ganz natürlich ein anderes werden musste. So behält man in gewisser Weise immer recht.

Politischer Beschluss

Daher stürze ich mich jetzt auch furchtlos in die nächste Vorhersage: Die Grenze wird diesen Sommer nicht vollständig geöffnet werden. Sicher wird es die von Mette Frederiksen (Soz.) angekündigten Erleichterungen für Sommerhausgäste geben. Auch kann es zu weiteren Erleichterungen für Familienangehörige kommen.
Wer jedoch darauf hofft, dass die Staatsministerin bis zum 1. Juni erklären wird, die Grenzkontrollen verschwinden, der muss sich wohl auf eine Enttäuschung einstellen. Es wird weiterhin einen triftigen Grund brauchen um von Deutschland, Norwegen und Schweden aus einzureisen.

Wie ich zu dem Ergebnis komme?

Als Erstes ist es wichtig daran zu erinnern, dass die Schließung der Grenzen ein politischer Beschluss ist. Auf gleiche Weise ist das Festhalten an den geschlossenen Grenzen ein politischer Beschluss.

Dies ist in den vergangenen Wochen deutlich vorgeführt worden. Zwar beschwören Mette Frederiksen und Justizminister Nick Hækkerup gerne das Bild von neuen Infektionsketten, ausgelöst durch Besucher, herauf. Eine eigentliche gesundheitliche Dokumentation für diese Behauptung fehlt jedoch. Gewiss gibt es Virologen, die in den Medien vor einer Grenzöffnung gewarnt haben. Andere jedoch sehen darin kein Problem, zumindest nicht Richtung Deutschland, Norwegen und zum Teil auch Schweden. Um eine Beratung von den Gesundheitsbehörden oder vom Serum Institut um zu klären, welche Einschätzung richtig ist, hat die Regierung nicht gebeten.

Wird in der Frage des Risikos von auswärts nachgehakt, verweist die Regierung dann auch selber darauf, dass es sich um einen politischen Beschluss handele.

Und hier passen die geschlossenen Grenzen nur allzu gut in das Bild, dass Mette Frederiksen von sich pflegt, nämlich die Landesmutter, welche die Bevölkerung vor Bedrohungen schützt. Auch ist es ihr sicher nicht unrecht, dass sie damit der ohnehin schon stark bedrängten Dänischen Volkspartei weiter das Wasser abgräbt.

Politischer Druck

Mit anderen Worten es braucht politischen Druck, um den politischen Beschluss zu ändern.

Mittlerweile gibt es auch Druck von verschiedener Seite. Auf Christiansborg drängen vor allem Radikale und Venstre unterstützt von der Liberalen Allianz und den Konservativen auf eine Öffnung. Doch das ist noch keine Mehrheit; DF ist nur für eine kleine Öffnung und die linken Parteien SF und die Einheitsliste sind der Grenzfrage weitgehend abgetaucht und wollen auch nur eine kleine Öffnung.

Es wird somit bei den Verhandlungen an diesem Mittwoch thematisiert werden, aber Mette Fredriksen wird ein weiteres Mal, auf den Termin 1. Juni verweisen. Und Außenpolitik liegt letztendlich in der Verantwortung der Regierung.

Druck gibt es auch von der Tourismus-Industrie und den Menschen in Nordschleswig. Erstere wird Frederiksen durch die Lösung Sommerhausgäste ins Land zu lassen beschwichtigen. Die Anliegen der Nordschleswiger spielen auf Christiansborg keine große Rolle.

Seehofers Vorstoß

Und dann ist da natürlich der große Nachbar südlich der Grenze. Wenn Innenminister Horst Seehofer sagt, er erwarte eine Lösung mit Dänemark innerhalb weniger Tage, dann ist dies natürlich ein recht deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung dänische Regierung.

Nur: Bislang hat sich Frederiksen von diesem Wink herzlich wenig beeindruckt gezeigt.

Die Frage ist, wie die Bundesregierung auf den dänischen Widerwillen reagieren wird. Seehofer hat zwar erklärt, er möchte eine gemeinsame Lösung mit Dänemark, aber man sollte nicht ganz ausschließen, dass Deutschland zumindest teilweise öffnet, sollte eine gemeinsame Lösung nicht zustande kommen.

Sollte sich nun herausstellen, dass Frederiksen doch noch eine umfassende Öffnung der Grenzen bekannt gibt, dann werde ich eben nächste oder übernächste Woche sagen, dass der politische Druck in der Zwischenzeit doch noch deutlich gewachsen ist. 

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