Leitartikel

„Einigkeit und Recht und keine Freiheit bei der Parkscheibe“

Einigkeit und Recht und keine Freiheit bei der Parkscheibe

Einigkeit und Recht und keine Freiheit bei der Parkscheibe

Flensburg
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Eine deutsche Parkscheibe: Sieht sie nicht so aus, ist sie nicht richtig. Foto: Ove Jensen/shz.de

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Auf einigen Parkplätzen muss angegeben werden, wann das Auto abgestellt wurde. Dafür nutzt man meist eine Parkscheibe. Gäste aus Dänemark können das aus Sicht der Stadtverwaltung Flensburg aber nicht richtig, weil ihre dänische Parkscheibe nicht der Straßenverkehrsordnung entspricht. Nun drohen Bußgelder. Eine Sonderregelung für Grenzregionen würde helfen, meint Gerrit Hencke.

In Anlage 3, Nummer 11 der deutschen Straßenverkehrsordnung (StVO) steht es unmissverständlich: Eine Parkscheibe (Zeichen 318) muss 110 mal 150 Millimeter groß und blau mit weißer Scheibe sein. Die Zeiteinteilung muss volle und halbe Stunden zeigen, Schrift und Ziffern auf der Parkscheibe müssen DIN 1451 entsprechen.

Auch digitale Parkscheiben sind in Deutschland zulässig. Diese müssen sich beim Halt des Autos selbstständig auf die nächste halbe Stunde einstellen und dürfen sich nicht automatisch weiterdrehen. Das Verkehrszeichen 314 ­− das Parkplatzschild − muss auf der Vorderseite zu sehen sein, außerdem muss „Ankunftszeit“ über dem Display stehen, das eine Zahlenhöhe von mindestens 2 Zentimetern aufweist. Ordnung muss eben sein. 

Damit ist auch klar: Wer in Deutschland wagt, eine nicht konforme Parkscheibe hinter seine Windschutzscheibe zu legen oder lediglich einen Zettel dort positioniert, der muss mit einem Bußgeld zwischen 20 und 40 Euro (150 und 300 Kronen) rechnen. So mussten sich schon in der Vergangenheit Autofahrende über ein Knöllchen ärgern, die etwa eine pinkfarbene Scheibe auslegten oder eine mit einem Werbeschriftzug auf der Vorderseite. Deutsche Ordnungshüterinnen und -hüter kennen da keine Gnade.  

Nun ist auch Flensburg aus dem Traum eines freien und toleranten Grenzlandes aufgewacht und nimmt ab sofort keine Rücksicht mehr auf die extraterrestrischen Parkscheiben von Besucherinnen und Besuchern aus Dänemark ­− der Gleichbehandlung wegen, wie die Stadt argumentiert. Deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer hätten sich beschwert, weil sie wegen ihrer nicht konformen Parkscheibe zur Kasse gebeten wurden, Autofahrende von nördlich der Grenze aber nicht.

Nein zu „Ankomst“ und Zeiger

Wer als Besucher aus dem Norden jetzt in den wenigen verbleibenden Parkscheiben-Zonen noch die dänische Variante benutzt, der wird in Flensburg künftig mit der strikten Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung Bekanntschaft machen. Denn diese entspricht logischerweise genauso wenig der StVO, wie eine pinkfarbene ­− egal, ob man die Uhrzeit ablesen kann oder nicht. „Ankomst“, was soll das schon bedeuten? Und bei der dänischen Uhr dreht man kein Zifferblatt, sondern einen Zeiger. Das geht so nicht. Die eingestellte Uhrzeit ist wenige Kilometer von der Grenze so schlicht nicht zu verstehen. Sicher, weil sie sich nicht aus DIN-konformen Zahlen zusammensetzt.

Während dem Regionskontor nun die Tür eingerannt wird, weil ein langjähriger Ladenhüter ­− eine doppelseitige deutsch-dänische Parkscheibe ­− zum Kassenschlager wird, schütteln viele den Kopf. „Führen wir jetzt Krieg gegen Dänemark?“, fragt ein Facebook-Nutzer unter einem Artikel zum Thema. Ein anderer schreibt: „So geht man nicht mit Freunden und Gästen um.“ Auf Twitter schreibt jemand: „Das ist das vereinte Europa.“ Auch in der Kommunalpolitik und sogar im Bundestag regt sich mittlerweile Kritik

Zeit für Sonderregelungen

Tatsächlich setzt die Stadt nur geltendes Recht um. In einem „Europa ohne Grenzen“, wie so oft betont wird, darf man sich aber schon fragen, warum es gerade bei solch profanen Dingen keine einheitlichen Standards gibt oder zumindest Sonderregelungen für Grenzregionen. Hier wäre eine Anpassung der StVO sinnvoll. In einer Grenzstadt wie Flensburg dürfte es aber zunächst weiterhin eine Duldung tun, um Gäste nicht zu vergraulen.

Denn es gäbe wichtigere Dinge, als eine etwas anders aussehende Scheibe zu bemängeln, die in jeder Form nichts anderes tut, als die Abstellzeit eines Autos anzuzeigen. Der Stadt wäre etwa ein zeitnahes Aufwachen zu wünschen, wenn es um das Parken auf Geh- und Radwegen geht oder das Sanktionieren des innerörtlichen Rasens. Auch ein klasse Thema wäre das entschiedene Vorgehen gegen illegale Müllablagerungen oder Hundekot auf den Gehwegen − ein ständiges Problem in Flensburg.

Offenbar ist auch der Stadt die Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung peinlich. Künftig gibt es zum Knöllchen nämlich einen dänischen Erklärtext dazu und, als entschuldigendes Geschenk sozusagen, eine echte deutsche Parkscheibe vom Regionskontor. Das aber nur, so lange der Vorrat reicht. Dann müssen dänische Autofahrerinnen und Autofahrer nur noch aufpassen, dass sie ihre Ankunftszeit exakt erfassen. Denn wer die Markierung nicht genau trifft, dem droht ein Verwarngeld. Wo kämen wir denn sonst hin?

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