Flüchtlingspolitik

Dänemark wegen Menschenrechtsverletzung verurteilt

Dänemark wegen Menschenrechtsverletzung verurteilt

Dänemark wegen Menschenrechtsverletzung verurteilt

Ritzau/nb
Kopenhagen/Straßburg
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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Foto: dpa

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Ein Arzt aus Syrien war 2015 nach Dänemark geflüchtet, konnte jedoch aufgrund einer neu eingeführten dänischen Regel seine Familie nicht nachholen. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Dänemark in dem Fall verurteilt.

Der syrische Arzt Mosalam Albaroudi kam im Jahr 2015 auf einem Lastwagen von Syrien über die Türkei und Griechenland nach Dänemark. Nach fünf Monaten stellte er einen Antrag auf Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau. Dieser Antrag wurde abgelehnt, doch die Ablehnung steht im Widerspruch zu den Menschenrechten.

Urteil mit 16 zu 1 Stimme gefällt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat am Freitag ein Urteil in der Angelegenheit gefällt. Die Richterinnen und Richter haben mit 16 zu 1 Stimme gegen die Entscheidung Dänemarks votiert. Damit hat Dänemark den Fall verloren.

Der Fall dreht sich um eine umstrittene Gesetzesänderung aus dem Jahr 2015. Im Zeichen großer Flüchtlingsströme, bei denen Menschen unter anderem auf dänischen Autobahnen marschierten, beschloss das Folketing die Einführung einer sogenannten „Dreijahres-Regel“.

Dreijährige Karenzzeit seit 2016

Mit der Regel wurde eine Karenzzeit von drei Jahren eingeführt, während derer Flüchtlinge keinen Antrag auf Familienzusammenführung stellen können.

Mosalam Albaroudi erhielt unter Verweis auf die neue Regel einen Ablehnungsbescheid auf seinen Antrag für eine Aufenthaltserlaubnis seiner Frau. Die Entscheidung landete vor dem Östlichen Landgericht und dem Obersten Gericht (Højesteret). In beiden Instanzen wurde die Klage des Arztes aus Syrien abgewiesen.

Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Jedoch waren er und sein Anwalt, Christian Dahlager, der Auffassung, dass die Entscheidung eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention darstelle. Die Konvention gilt für die Mitgliedsstaaten des Europarates, und Dänemark hat diese seit 1992 in seine nationale Gesetzgebung eingearbeitet.

Die Konvention besagt, dass jeder das Recht auf Privatleben und Familienleben hat, und dass eine Behörde dieses Recht nur dann beschränken kann, wenn es im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft erforderlich ist, um eine Reihe an wesentlichen gemeingesellschaftlichen Interessen zu schützen.

Keine ausreichende Balance gefunden

In seinem Urteil stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass der dänische Staat anhand der dreijährigen Wartezeit für Albaroudi keine „ausreichende Balance gefunden hat zwischen – auf der einen Seite – dem Interesse des Antragstellers, mit seiner Frau in Dänemark familienzusammengeführt zu werden und – auf der anderen Seite – dem Interesse der Gesellschaft als Ganzes, die Einwanderung in Hinblick auf den ökonomischen Schutz des Landes und der Sicherstellung einer effektiven Integration und der Bewahrung des Zusammenhaltes in der Gesellschaft zu kontrollieren“.

Der Gerichtshof hat Albaroudi zudem eine Wiedergutmachung über 75.000 Kronen zugesprochen.

Das besagen die Dreijahres-Regel zur Familienzusammenführung und die Menschenrechtskonvention

Bestimmte Flüchtlinge müssen eine Karenzzeit von drei Jahren einhalten, ehe sie einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen können. Früher betrug die Frist ein Jahr.

Die Drejahres-Regel besagt:

  • Ausländer, die in Dänemark Asyl erhalten haben, haben grundsätzlich einen Anspruch auf Familienzusammenführung mit ihren minderjährigen Kindern und ihrem Ehepartner oder Lebenspartner.
  • Das Gesetz definiert drei Klassifikationen, nach denen ein Recht auf Asyl bestehen kann: Konventionsstatus (auch Flüchtlingsstatus genannt), Schutzstatus und vorübergehender Schutzstatus.
  • Sofern einem Asylantrag in Form eines vorübergehenden Schutzstatus stattgegeben wurde, beispielsweise aufgrund von Krieg im Heimatland der Ausländerin oder des Ausländers, gelten verschärfte Bedingungen für eine Familienzusammenführung.
  • Die Ausländerin oder der Ausländer kann grundsätzlich erst nach einem dreijährigen Aufenthalt eine Familienzusammenführung mit den Kindern oder der Ehepartnerin/dem Ehepartner beantragen.
  • Die Regeln erlauben es jedoch, dass eine Familienzusammenführung bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen kann, sofern die Ehepartnerin oder der Ehepartner beispielsweise behindert ist oder von der hier wohnenden Ausländerin oder dem hier wohnenden Ausländer versorgt wird, oder in Fällen, bei denen die Kinder im Heimatland schwer erkrankt sind.

Die Menschenrechtskonvention besagt:

  • Die Europäische Menschenrechtskonvention aus dem Jahr 1953 wurde von Dänemark noch im selben Jahr ratifiziert. 1992 wurde die Konvention formal in die dänische Gesetzgebung eingearbeitet.
  • Die Konvention sichert unter anderem jedermann das Recht auf Respekt des Familienlebens zu. Der Staat darf nur bis zu einem gewissen Grad in dieses Recht eingreifen.
  • Inwiefern das Recht auf Familienleben und andere Menschenrechte verletzt wurde, kann von den dänischen Gerichtsinstanzen behandelt werden. In letzter Konsequenz kann die Frage vor den Menschengerichtshof in Straßburg eingebracht werden.

Quellen: Ausländergesetz, Ausländerbehörde, Europäische Menschenrechtskonvention

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