Leitartikel

„Facebook-Politik“

Facebook-Politik

Facebook-Politik

Nordschleswig/Sønderjylland
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Die Staatsministerin und andere Politiker können nicht einfach über Facebook kommunizieren, um somit den kritischen Fragen der Journalisten aus dem Wege zu gehen. So funktioniert Demokratie nicht, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Staatsministerin Mette Frederiksen – und ihre Presseberater – entschlossen sich am vergangenen Wochenende, die kommenden Corona-Maßnahmen ganz bewusst über Facebook zu veröffentlichen. Die Begründung: Es würden immer weniger Bürger im Lande Zeitung lesen.

„Wenn man nur in der Zeitung präsent ist, dann gibt es viele Dänen, mit denen man nicht im Dialog ist“, sagte Mette Frederiksen, als die Fachzeitschrift „Journalisten“ sie dazu befragte.

Es stimmt zwar, dass die Anzahl der Papierzeitungs-Abonnenten in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gesunken ist – doch auch hier gibt es Ausnahmen – und Fakt ist, dass heute mehr Personen für Nachrichten zahlen, als es in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist. Nur sind die Nachrichten vom Papier ins Internet gewandert, aber dort ist die Zahlungswilligkeit für Nachrichtenmedien gestiegen.

Tom Jensen, Chefredakteur von „Berlingske“, erklärte, seine Medien würden heute von dreimal so vielen Nutzern gelesen als vor drei Jahren. Ähnliche Tendenzen gebe es auch bei anderen Medien.

Außerdem stimmt es nicht, dass Facebook die primäre Nachrichtenquelle der Menschen ist. Das zeigt eine Studie über die Mediengewohnheiten der dänischen Bevölkerung vom Oktober 2019. 35 Prozent würden ihre Nachrichten aus dem Fernsehen beziehen und 25 Prozent aus den digitalen Angeboten der Nachrichtenmedien. Nur drei Prozent antworteten, dass Facebook ihre wichtigste Nachrichtenquelle sei. Diese Tendenz ist während der Corona-Krise verstärkt worden – fast alle Medienhäuser berichten von wachsenden Nutzerzahlen.

Am Montag darauf ruderte Mette Frederiksen etwas zurück. Die sozialen Medien seien nicht besser als die etablierten Medien, und es sei nicht eine Frage von Entweder-oder, sondern von Sowohl-als-auch.

Dennoch ist die Tendenz, dass Politiker Entscheidungen auf sozialen Plattformen mitteilen, ein demokratisches Problem. Zwar treten sie dadurch in den direkten Kontakt mit den Bürgern des Landes, aber in Wahrheit ist es eine Einweg-Kommunikation. Viele Kommentare oder Fragen von Facebook-Nutzern bleiben in der Regel unbeantwortet. Also können politische Botschaften, oder wie in diesem Falle Corona-Maßnahmen, ohne kritische Fragen kommuniziert werden.

Wer glaubt, dass die etablierten Medien und Journalisten beleidigt sind, weil Politiker lieber ohne Filter auf Facebook auftreten, statt sich den kritischen Fragen zu stellen, hat vieles missverstanden.   

Es ist in einer Demokratie auch die Aufgabe der Politiker, sich den unbequemen Fragen der Journalisten zu stellen, statt sich hinter einem Facebook-Profil zu verstecken. Es gehört zu einer Demokratie dazu, dass die Politik auf kritische Fragen antwortet, Hintergründe vorlegt und Zusammenhänge erklärt.

Natürlich schließt das eine das andere nicht aus. Mette Frederiksen kann sich gerne über Facebook oder andere soziale Plattformen äußern – aber nicht nur. Und sie kann sich nicht erst zwei Tage nach einem Facebook-Auftritt mit wichtigen Informationen über Schulschließungen und weiteren Corona-Maßnahmen der Kritik stellen.

Es gibt demokratische Spielregeln – und die gelten auch in Krisenzeiten für die Staatsministerin.

 

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