Minderheiten in Nordfriesland

Europarat prüft Menschenrechte in Bredstedt: Wie geht es den Friesen?

Europarat prüft Menschenrechte in Bredstedt: Wie geht es den Friesen?

Europarat prüft Menschenrechte in Bredstedt

SHZ
Bredstedt
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Auch der Besuch der Gedenktafel des friesischen Freiheitskämpfers Harro Harring in Bredstedt gehörte zum Programm: Marie B. Hagsgård (4. v. l.) und Martin Collins (4. v. r.) vertraten den Europarat. Foto: Udo Rahn/shz.de

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Um den Schutz der Minderheiten in Europa bemüht sich der Europarat. Jetzt informierte sich eine Delegation in Bredstedt über die Situation und Probleme der Friesen zwischen Eider und dänischer Grenze.

Hoher Besuch in Bredstedt: Zwei Menschenrechtsexperten und Mitglieder des Europarates trafen Vertreter der nordfriesischen Volksgruppe. Über die Situation der friesischen und dänischen Minderheit wollten sich die Schwedin Marie B. Hagsgård, Juristin für Menschenrechte und Präsidentin des Expertenrates, und der Ire Martin Collins informieren.

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Er gehört zur Minderheit der Pavee, eines der ehemaligen „fahrenden Völker“. Selbst hat er nur sechs Jahre die Schule besucht, konnte sich als Erwachsener fortbilden und gilt europaweit als führender Menschenrechtsaktivist.

Rechte für sprachliche und ethnische Minderheiten

Grundlage ihrer Arbeit ist das Europäische „Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten“. Dadurch können sprachliche und ethnische Minderheiten gegenüber einem Nationalstaat Rechte geltend machen.

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In Deutschland kommen vier Gruppen, die seit Jahrhunderten hier leben, teilweise schon, bevor Deutsche in ihrer Umgebung ansässig wurden, in den Genuss: die Sorben in der Lausitz, die Dänen in Südschleswig, deutsche Sinti und Roma sowie die Friesen.

Diskriminierungsverbot für Minderheiten

In der Vereinbarung sind Grundwerte festgeschrieben, wie der Gebrauch von Minderheitensprachen auch im öffentlichen Leben, die Förderung von Gleichstellung und ein Diskriminierungsverbot, Zugang zu Bildung und gesellschaftliche Teilhabe. Die Einhaltung des Vertrages überprüft ein Ministerkomitee des Europarates, der sich wiederum auf die Gutachten von 18 Experten stützt.

Situation der friesischen Sprache

Was hat sich für die friesische Sprache und Kultur verbessert? Was hat sich verschlechtert? Wo besteht politischer Handlungsbedarf? Diese Fragen diskutierten die Gäste mit sieben Vertretern der Friesen im Nordfriisk Instituut.

Bahne Bahnsen, Vorsitzender der Friisk Foriining und auf europäischer Ebene ehrenamtlich für nationale Minderheiten tätig, betonte, wie wertvoll die Arbeit des Europarates sei. Er habe selber erlebt, wie Menschen wegen ihres Einsatzes für sprachliche und ethnische Vielfalt mit Gefängnisstrafen bedroht wurden. Erst das Eingreifen des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte habe das verhindert.

Behinderung der Religionsausübung?

Schnell wurde deutlich, dass die Situation in Nordfriesland nicht mit der anderer Minderheiten verglichen werden kann. So sorgte die Frage, ob Nordfriesen in der Religionsausübung behindert würden, für kurze Stille. Ilse-Johanna Christiansen, Vorsitzende des Friesenrates, erläuterte, wie die friesische Sprache seit jeher als Privatsprache galt. „Gebetet haben wir immer auf Deutsch oder Dänisch“, sagte sie.

Genau da liege das Problem. In den Familien wurde die friesische Sprache in den letzten Jahrzehnten oft nicht weitergegeben. Vielen Eltern wurde lange eingeredet, ihre Kinder könnten Nachteile in der Schule oder im Beruf haben, wenn sie zuhause Friesisch sprächen. Diese Fehlentwicklung aufzufangen, das gehe nur über die Schulen und sei immer noch Thema.

Existenz des Sylter Friesischen bedroht?

Jürgen Ingwersen, Vorsitzender der Sölring Foriining, brachte die Situation auf Sylt ins Gespräch: Der massive Zuzug von Auswärtigen und der Immobilienhandel hätten die Gesellschaft so stark verändert, dass um die Existenz des Sylter Friesischen gefürchtet werden müsse.

Heinrich Bahnsen berichtete, wie ablehnend sich der NDR gegenüber einer Ausweitung friesischsprachiger Sendungen zeige. Allenfalls ein Medienportal wäre denkbar, doch was sei mit Stellen für friesischsprachige Redakteure?

Kritik an Regierung wegen mangelnder Unterstützung

Christoph Schmidt, Direktor des Nordfriisk Instituut, informierte über die Situation im dänischen und deutschen Schulsystem. Noch immer werde staatlicherseits oft unterstellt, Friesischuntericht richte sich vor allem an muttersprachliche Kinder.

Dabei gehe es inzwischen vor allem darum, dass junge Menschen die Sprache erlernen können, und das funktioniere nicht mit einem unbenoteten Zusatzangebot während der Grundschulzeit. Es werde noch immer mit selbst gemachten, teilweise veralteten Unterrichtsmaterialien gearbeitet. Für Schulbuchverlage lohne das Auflegen nicht und das Land habe trotz positiver Signale keine nötigen Stellen geschaffen.


„Wir stoßen grundsätzlich auf offene Ohren. Aber wenn es um längerfristige finanzielle Zusagen geht, um Lehrerstunden oder Flexibilität im Lehrplan, stößt man sehr schnell an Grenzen“, so Schmidt. Das gelte auch beispielsweise für das neu ins Leben gerufene, mit professionellem Anspruch arbeitende „Friisk teooter“.

Der Kuchen sei einfach zu klein, insbesondere wenn man die finanzielle Förderung der Friesen mit derjenigen der dänischen oder der sorbischen Minderheit vergleicht. „Wenn man der friesischen Volksgruppe wirklich helfen möchte, muss man hier ansetzen. Es geht dabei nicht um Unsummen, sondern um nur wenige neue Stellen. So kann man gute, professionell freiwillig arbeitende Menschen dauerhaft nicht halten. Die brauchen wir aber“, so Schmidts Fazit.

Die beiden Experten zeigten sich beeindruckt von der offenen, lebendigen Diskussion und versprachen, alles in ihren Gutachten aufzugreifen.

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