Konkurs 2

Tønder Bank: Die unendliche Geschichte

Tønder Bank: Die unendliche Geschichte

Tønder Bank: Die unendliche Geschichte

Tondern/Tønder
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Der Aufsichtsratsvorsitzende Carsten Dinsen Andersen (am Rednerpult) und Bankdirektor Mogens Mortensen mussten sich nach dem Konkurs den Kunden stellen. In der vordersten Reihe saß er mit Vorstandsmitgliedern sowie der Sydbank-Chefin Karen Frøsig (ganz rechts). Ihr Geldinstitut übernahm die Tønder Bank. Foto: Archivfoto: Elise Rahbek

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Die Akte ist geöffnet worden. Bankdirektor verstieß gleich mehrfach gegen die Regeln. Lettland-Geschäft kostete die Bank 55,6 Millionen Kronen.

Aus den Unterlagen des Konkursverwalters Boris Frederiksen, der die Konkursmasse nach dem Scheitern der Tønder Bank verwaltet, geht hervor, dass Bankdirektor Mogens Mortensen mehr als nur einmal gegen die geltende Kreditpolitik der Bank verstieß, die sich als lokales Geldinstitut gern vermarktete. Auch hat er in mehreren Fällen seine Befugnisse überschritten und hinter dem Rücken des Aufsichtsrates agiert.

Verlustgeschäft in Lettland

Einen der höchsten Verluste machte die Bank, die im November 2012 die Segel strich, bei einem riskanten Geschäft in Lettland, das Mortensen auch bei seinem Gerichtsprozess im Dezember 2015 vorgehalten wurde, als er zu einer Geldstrafe in Höhe von 25.000 Kronen verurteilt wurde. Allein diese Investitionen führten zu einem Verlust in Höhe von 55,6 Millionen Kronen.

Dies geht aus den fast 1.000 Seiten Material (stævning) hervor, das als Grundlage für das Gerichtsverfahren dienen soll, dass der Gläubigerkreis Foreningen Tønderinvestor 2009 angestrengt hat, um an sein Geld zu kommen. Akteneinsicht hat nicht nur der Vorstand, sondern auch „Jydske Vestkysten" bekommen. 

Der Hüttmann-Fall

Kredite und riesige Kreditnachlässe für lokale Kunden haben auch zum Fall der Tønder Bank beigetragen. „Jydske Vestkysten“ schreibt, dass dazu unter anderem das Unternehmen von Malermeister Max Hüttmann aus Tondern zählte. Als seine Bank pleite ging, musste auch Max Hüttmann die Segel streichen. 30 Angestellte verloren ihre Arbeit. Schon in den Jahren 2008, 2009, 2010 war Hüttmann einer der größten Schuldner der Bank.

Mit 80 Millionen Kronen stand der Tonderaner in der Kreide. Die Hälfte der Schulden mussten auf die Verlustrechnung gesetzt werden. Etwas später folgten weitere 15 Millionen Kronen, sodass der Hüttmannsche Schuldenberg auf 25 Millionen Kronen zusammenschrumpfte. Beim Konkurs stand Hüttmann mit 43,2 Millionen Kronen bei der Bank in der Kreide.

Kredite für Söhne

Auch bei der Kreditvergabe an zwei Söhne hat Mogens Mortensen nicht die Spielregeln eingehalten. Gehen Darlehen an Familienangehörige, Mitglieder des Aufsichtsrats oder den Chef selbst, muss dies explizit in der Buchführung erwähnt werden. Der Bankdirektor regelte dies selbst, ohne Zutun des Vorstands. Er gewährte aber auch einem Vorstandsmitglied ein Darlehen in Höhe von 3 Millionen Kronen. Davon setzte er den Aufsichtsrat erst später in Kenntnis.

Verluste auch in Deutschland

Nicht nur das defizitäre Lettland-Geschäft kostete die Bank viel Geld. 21,8 Millionen Kronen setzte das Geldinstitut mit Spekulationen in Deutschland in den Sand.

 

Das Ende nach fast 100 Jahren

 

  • 2. November 2012. Die Tønder Bank machte kurz vor ihrem 100-jährigen Bestehen Konkurs, das Eigenkapital ist futsch. Die staatliche Finanzbehörde hatte die Bank bei einem Kontrollbesuch gezwungen, als Folge von deftigen Verlustgeschäften, Abschreibungen in Höhe von 300 Millionen Kronen vorzunehmen. Ihr Eingreifen wurde vom Aufsichtsrat und dem Bankdirektor als eigentlicher Grund für die Pleite genannt. Schließlich kenne man seine Kunden besser als die Behörde.
  • Die Sydbank übernimmt das Geldinstitut und die Kunden für 118 Millionen Kronen. Deren Spareinlagen werden damit zumindest gerettet. Das gilt nicht für Aktien und die Wertpapiere, die in hybrides Kernkapital angelegt worden waren. 9.300 Aktionäre verlieren ihr Geld. Die Aktionäre haben einen Rechtsstreit aufgegeben.
  • Die Kunden, die 2009 in hybrides Kapital (Zertifikate mit Kapitalgarantie) investiert hatten, schließen sich zum Verein Foreningen Tønderinvestor 2009 zusammen, um eine Entschädigung vor Gericht zu erstreiten. Die Kunden, die 2012 – also im Jahr der Pleite – ebenfalls ihr Geld in Hybrid-Kapital gesteckt hatten, wurden von der Sydbank entschädigt. 
  • Der erste Vorsitzende des Vereins war Palle Christiansen. Nach seinem Tod übernahm Bjarne Laugesen den Vorsitz des Zusammenschlusses.
  • Drei Jahre vor dem Konkurs hatten 308 Kunden 38 Millionen Kronen in hybrides Kapital investiert. Davon einigten sich 147 Anteileigner, die Forderungen in Höhe von zusammen fast 25 Millionen Kronen vor Gericht zu erstreiten. Sie meinen, von der Bank bei ihrer Investition hinters Licht geführt worden zu sein, da das Geldinstitut schon vor 2009 in Schwierigkeiten gesteckt hat, so ihr Argument.
  • Der Kurator, Kammeradvokat Boris Frederiksen, lehnt ihre Forderungen ab und weigert sich, Unterlagen mit Transaktionen öffentlich vorzulegen, die zum Fall der Tønder Bank führen. In zwei Instanzen erreicht der Verein, dass das Material vorgelegt werden muss.
  • Der Kurator bezweifelt, ob diese Kundenschar überhaupt entschädigungsberechtigt ist.
  • Frederiksen fordert eine Wiedergutmachung in Höhe von 179 Millionen Kronen von Bankdirektor Mogens Mortensen, dem Aufsichtsrat der Bank und dem Revisor. Zu einem Prozess kommt es nie, da ein Vergleich mit dem Kurator ausgehandelt wird. Die Versicherung des Aufsichtsrats zahlt 40 Millionen Kronen in die Konkursmasse ein. Der Vergleich ist mit der Einhaltung der Schweigepflicht verknüpft.

 

 

 

Prozess gegen Mortensen und Revisor

2015: Bankdirektor Mogens Mortensen wird zu einer Geldstrafe in Höhe von 25.000 Kronen verurteilt. Das Gericht sieht es als bewiesen an, dass er grob fahrlässig gehandelt hat. Ihm wird vorgeworfen, die brisante finanzielle Situation der Bank verschleiert zu haben, auch zu einem Zeitpunkt, als noch Investoren Geld in das Unternehmen steckten.

2016: Der Revisor der Tønder Bank, Carsten Petersen, aus Hadersleben (Haderslev) wird vom standesrechtlichen Gremium der dänischen Revisoren ein Bußgeld in Höhe von 200.000 Kronen auferlegt, da er bei der Revision zu unkritisch vorgegangen sein soll.

2020 Der Anlegerkreis Foreningen Tønderinvestor 2009 gewinnt in zwei Instanzen einen Sieg gegen den Nachlassverwalter, der bis Ende Januar 2021 sämtliche Papiere vorlegen muss, aus denen hervorgeht, warum es 2012 zum Zusammenbruch der Bank gekommen ist. 

Der Prozess der Anleger soll – so ihre Hoffnung –  im kommenden Jahr vor Gericht kommen, frühestens aber in der zweiten Jahreshälfte. Vielleicht muss noch länger gewartet werden. Dies haben sie schon seit neun Jahren getan.

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