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Nach 40 Jahren ist Schluss: Tonderner Band löst sich auf

Nach 40 Jahren ist Schluss: Tonderner Band löst sich auf

Nach 40 Jahren ist Schluss: Tonderner Band löst sich auf

Tondern/Tønder
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Anstoßen bei der vorletzten Chorprobe Foto: Elise Rahbek

Nach vier Jahrzehnten im Musikgeschäft will die Tonderner Gruppe „Locomotion“ von der Bühne abtreten. Ihr Abschiedskonzert geben die fünf Musiker in der kommenden Woche unter Corona-Auflagen in Hagges Musik Pub.

Es ist Sonntagvormittag. Die Musikinstrumente werden im bescheidenen Übungsraum in der Requisiten-Halle der Tønder Revy ausgepackt, umgeben von Kostümen, Hüten, Schuhen und sogar einem Skelett. Die Gitarren werden gestimmt, bevor es losgehen kann.

„Ja, es wird schon merkwürdig werden“, meint Klaus Heil. „Es wird hart werden“, pflichtet ihm Carl-Heinz (Heine) Schulze bei, während seine Tochter Sara beruhigt: „Das wird schon gehen“, worauf ihr Vater entgegnet: „Du bist auch nicht so lange dabei wie wir."

Grund für diese nostalgische Stimmung, die aber bald von Lachen, flotten Sprüchen und Musik abgelöst wird, ist der Entschluss der fünf Musiker, ihre Band „Locomotion“ nach 40 Jahren aufzulösen. Noch diese Probe, eine weitere am 20. September und dann das Abschlusskonzert in der kommenden Woche unter Corona-Bedingungen in Hagges Musik Pub in Tondern. Aber nur für geladene Gäste.

Heine Schulze und sein Nachwuchs Christopher und Sarah. Er spielt Gitarre, sie singt. Foto: Elise Rahbek

Nicht wie sonst werden die Zuhörer bei den Auftritten der Tonderner Band von den Stühlen auf die Tanzfläche geholt. Denn das Corona-Virus untersagt dieses in der kleinen Musikkneipe, wo die Band oft beim Tønder Festival und bei Weihnachtsfeiern (julefrokosten) aufgetreten ist.

Entscheidung reifte

Doch nun soll Schluss sein – ein Ende, das sich seit mehreren Monaten angebahnt hatte. Im Herbst verließ Schlagzeuger Kim (Post) Thomsen nach 24 Jahren unerwartet die Band. Schnell konnte jedoch „Ersatz“ gefunden werden. Die Locomotions holten sich ihren früheren Schlagzeuger Lars Petersen aus Tondern zurück, der schon Bandmitglied in den Jahren von 1990 bis 1995 gewesen war.

„Es ist doch schön, aushelfen zu können, wenn bei Kollegen Not am Mann ist“, lacht der Musiker, der auch in Hadersleben in einer Band spielt.

Im Dezember 2019 fand mit ihm das letzte Konzert in Hagges Musik Pub statt, bis Corona den Alltag der ganzen Welt veränderte. Kein einziges Konzert seitdem. Der Entschluss, aufzuhören, reifte. Die endgültige Entscheidung wurde getroffen.

Irgendwann muss ja mal Schluss sein.

Klaus Heil, Musiker

„Denn man muss aufhören, wenn es am schönsten ist. Irgendwann muss ja mal Schluss sein“, meint Klaus Heil, der 32 Jahre bei „Locomotion“ die Bassgitarre spielt. Der gebürtiger Apenrader ist der einzige Berufsmusiker und spielt im Slesvigske Musikkorps SMUK die Tuba und die Bassgitarre. Für die vier anderen ist die Musik Hobby. Sie spielen auch in anderen Formationen mit und müssen mit ihr nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Doch die Corona-Krise war nicht alleine für die Auflösung der Band ausschlaggebend. „Wir haben schon bei der Finanzkrise 2008/2009 gemerkt, dass die Engagements weniger wurden. Bei Firmenfesten wurde an der Musik gespart. Da wurde nicht mehr eine fünfköpfige Band bestellt, sondern eher ein Quartett, ein Trio, ein Duo, ein Solist und zuletzt eine Jukebox", erklären die Musiker.

Ein Bild aus alten Tagen: Die Musiker in ihren besten Jahren. Von links Lars Petersen (heutiger Schlagzeuer), Steen Autzen (Mitbegründer 1980, verstorben), Heine Schulze (Mitbegründer 1980), Peter Schmidt (Keyboard, verstorben), und Klaus Heil (Bassist seit 1988) Foto: privat

Die sonst etwa 20 Auftritte im südlichen Teil Dänemarks auf der nördlichen Linie Kolding-Esbjerg bis zur Grenze und in Deutschland beim Festival, in der Schweizerhalle am 1. Weihnachtstag, bei den Ehemaligenfesten der Ludwig-Andresen-Schule, beim Schafmarkt, beim Klostermarkt, bei Firmenfesten und auf Hagges Musik Pub und auf der Schiffbrücke und dem Markt beim Festival sind ab dem 25. September Geschichte.

 

Der „King“ und seine Band: Nach 40 Jahren macht die Musikband um Heine Schulze (Bildmitte) Schluss. Foto: Elise Rahbek

Während der Proben wird querbeet mal Deutsch, mal Sønderjysk, mal Hochdänisch gesprochen und geflachst. Heine Schulze ist der Letzte aus der Gründungszeit. Das Repertoire ist oder besser war die frohe Musik der 50er, 60er und 70er Jahre, Beatmusik, Rock, Pop, Rock’n´ Roll, Rhythm & Blues und Countryrock, so gespielt, dass es fast jeden Zuhörer auf die Tanzfläche reißt.

Dass die Musik in Schulzes Familie eine große Rolle spielt, bestätigt Sarah Schulze, seit 25 Jahren Sängerin bei Locomotion. „In unserem Zuhause war sie immer da. Die Musik nimmt einen großen Platz in unserer Familie ein. Unseren Vater kennen wir nur mit Gitarre“, lacht sie. Nur unterbrochen von ihren Mutterschutzzeiten ist sie die einzige Frau an Bord. Die Lehrerin der Askov Ungdomskole hat schon seit frühester Kindheit gesungen, im Schulchor, als sie das Gymnasium in Tondern besuchte, und später auch während ihres Studiums.

Die drei Gitarristen: Christopher und Heine Schulze sowie Klaus Heil (v. l.) Foto: Elise Rahbek

An der Gitarre steht ihr Bruder Christopher. Ihr kleiner Bruder, das jüngste Bandmitglied, spielt seit 20 Jahren die Gitarre. Er wohnt in Kolding. Im Alter von 14 Jahren spielte er Gitarre. Lehrmeister war sein Vater. Vorher trat er mit der Bassgitarre auf. Bis 2002 trat er nur als Gastmusiker bei Locomotion auf, hat eigene Bands gegründet.

Die Namen der früheren Bandmitglieder sind zumindest den Tonderanern bekannt. Steen Autzen, Mette Lehmann Muus als Schwangerschaftsvertretung für Sarah Schulze, Søren Dibbern aus Hoyer/Højer, der bei der Band „Jordans Drive“ Berufsmusiker ist, Henning Mohyla, Eddie Carstensen, Carsten Jung und Bo Tonnesen usw.

Letzte Anweisungen vom Chef Heine Schulze. Klaus Heil, Lars Petersen, Sarah und Christopher Schulze hören zu. Foto: Elise Rahbek

 

Peter Schmidt als Bandmitglied

Das große Musiktalent Peter Schmidt war auch elf Jahre bei Locomotion dabei. Sein musikalischer Weggefährte in Tondern, Michael Falch, hat ihn als begnadeten Keyboard-Spieler bezeichnet. Der Alkohol und seine Drogenabhängigkeit führten ihn ins Verderben. Der reiche Erbe verstarb 2006. Er hinterließ eine Million Kronen, die als Kapital für die Musikstiftung „Peter Schmidt Legat for udøvere af ny musik i Tønder inden for jazz, beat und rock“ zur Förderung junger Musiktalente ausgeschüttet werden.

Musikalische Förderung haben die heutigen fünf Bandmitglieder nicht nötig, obwohl man nie auslernt. Sie genießen in Tondern einen gewissen „Kultstatus“. Sicher ist aber, dass keiner von ihnen die Musik an den Nagel hängen wird. Dafür haben sie sie viel zu gern.

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