Thema der Woche: Deutsch in Dänemark

Mit Englisch kommt man durch, mit Deutsch aber weiter

Mit Englisch kommt man durch, mit Deutsch aber weiter

Mit Englisch kommt man durch, mit Deutsch aber weiter

Tondern/Tønder
Zuletzt aktualisiert um:
Die deutsche Grammatik ist für viele Menschen eine harte Nuss. Foto: lernenwirdeutsch.weebly.com

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Lehrerin Heidi Iwersen arbeitet seit Jahren an der Förderung des Unterrichtsfachs Deutsch. Die 63-Jährige macht sich gerne den Spruch von Lykke Friis zu eigen. In der Kommune Tondern gibt es bereits Deutsch ab der Vorschule.

Lehrerin Heidi Iwersen beherrscht sowohl Deutsch, Dänisch als auch Sønderjysk fließend. Kein Wunder: Sie ist in Tondern in einer Familie der deutschen Minderheit aufgewachsen. Nach dem Besuch der Ludwig-Andresen-Schule in Tondern machte sie ihr Abitur am Deutschen Gymnasium Nordschleswig in Apenrade (Aabenraa) und begann ein Lehramtsstudium.

Die 63-Jährige misst der Beherrschung der deutschen Sprache große Bedeutung bei und bedient sich gerne Lykke Friis Slogans, wonach man mit Englisch durchkomme, mit Deutsch komme man aber weiter (Lykke Friis, geboren als Tochter einer Deutschen und eines dänischen Vaters, ist ehemalige Politikerin und Ministerin, Politikwissenschaftlerin und Prorektorin der Universität Kopenhagen und heute eine gefragte Referentin und Kennerin der deutsch-dänischen Beziehungen, Anm. der Redaktion).

Heidi Iwersen ist in Tondern in der deutschen Minderheit aufgewachsen. Foto: privat

„Mein Ziel war es, Deutschlehrerin zu werden. Ich habe am Seminar in Tondern Deutsch als Fremdsprache studiert. Für mich war es natürlich keine Fremdsprache, aber ich musste sie mit anderen Augen sehen. Meine sprachlichen Vorkenntnisse hatten natürlich Vorteile. Aber ich musste plötzlich umdenken und lernen, die Grammatik für Kinder, die Deutsch als Fremdsprache haben, begründen zu können“, erzählt sie. Ich habe Deutsch nie als Fremdsprache bezeichnet, sondern als Nachbarsprache", erklärt sie ihre Beweggründe.

Deutsche Sprache, schwere Sprache

Für Ausländer ist Deutsch eine schwierige Sprache. Viele kennen den Spruch: Deutsche Sprache, schwere Sprache. Deutsch hat nicht nur vier Fälle und eine verzwickte Grammatik – die Aussprache ist oft der reinste Zungenbrecher. Für viele gilt Deutsch als die eine der schwierigsten Sprachen, die man erlernen kann.

Quelle lal.de

Ihre erste Anstellung bekam sie nach Studienabschluss 1984 aufgrund ihrer Deutsch-Kenntnisse an der Nachschule Bjerre Herreds Ungdomskole bei Horsens. Im Jahr 2005 kehrte sie nach mehreren Zwischenstationen nach Tondern zurück und wurde Lehrerin an der Kommuneskole, wo sie auch heute noch unterrichtet. Ihr fachliches Steckenpferd ist weiter Deutsch.

Dass die deutsche Sprache etwas bringt, haben meine Schüler zum Beispiel erlebt, als sie in der 9. Klasse ein Berufspraktikum machten.

Heidi Iwersen, Deutschlehrerin

„Dass die deutsche Sprache etwas bringt, haben meine Schüler zum Beispiel erlebt, als sie in der 9. Klasse ein Berufspraktikum machten. Von mir bekamen sie natürlich einige Deutsch-Aufgaben. Sie sollten untersuchen, wo man die deutsche Sprache gebraucht. Sie entdeckten, dass an vielen Arbeitsplätzen in unserer Kommune Deutsch gesprochen wird, und dass viele Firmen deutsche Kunden haben. Viele Geschäfte, die junge Leute für einen Freizeitjob suchen, setzen Deutsch-Kenntnisse aufgrund der vielen deutschen Kunden voraus. Oder in den Pflegeheimen, wo viele Bewohner*innen der deutschen Minderheit angehören", erzählt sie lächelnd. 

Auf den deutschen Spuren in Tondern

Heidi Iwersen hat sich coronabedingt auch mit ihrer Deutschklasse auf die Suche nach den deutschen Spuren in der Stadt begeben, womit die Schüler*innen auch gleich die Geschichte des Landesteils und Tonderns kennenlernten. Beispiele habe es genug gegeben mit deutschsprachigen Gedenksteinen, deutschen Einrichtungen, der Schweizerhalle, Zentralhalle, Liebestempel usw.

Deutsch wird besonders in der Kommune Tondern gefördert. Foto: stockdadobe.com

Die Schüler wollen Deutsch aus unterschiedlichen Gründen lernen, da sie teils Familie in Deutschland haben oder sich zum Beispiel für die deutsche Fußballbundesliga interessieren. Und sie haben erkannt, dass Deutsch auch für ihre spätere berufliche Laufbahn ein Vorteil sein konnte. Auch die Eltern konnten überzeugt werden, dass Deutsch eine gute Wahl war, freut sich Heidi Iwersen.

 

Ich versuche, die Schüler und ihre Eltern dazu zu bewegen, die deutsche Sprache zu entdecken und ins positive Bewusstsein zu rücken.

Heidi Iwersen, Deutsch-Lehrerin

Für die Schüler und Schülerinnen, die in der Region bleiben wollen oder die in internationale Unternehmen gehen, seien gute Deutschkenntnisse ein großer Vorteil. Für die, die eher als Globetrotter durch die Welt ziehen wollen, habe Englisch natürlich größere Bedeutung. Dafür habe sie vollstes Verständnis.

Auf ihrem Schreibtisch steht ihr deutsch-dänischer Buddy-Bär aus Gips. Foto: privat
Lehrerin Heidi Iwersen und Randi Damstedt, Studienrätin des Gymnasiums in Tondern und Deutsch-Lehrerin, im gemeinsamen Unterricht. Foto: Folkeskolen.dk

„Ich versuche, die Schüler und ihre Eltern dazu zu bewegen, die deutsche Sprache zu entdecken und ins positive Bewusstsein zu rücken.  Unsere Schüler*innen und ihre Eltern haben die Herausforderung angenommen. Ich bezeichne Deutsch bewusst nicht als Fremdsprache, sondern als Nachbarsprache. Sie gibt eine zusätzliche Kompetenz“, erklärt sie. 

 

Unverständnis, Deutsch abzuschaffen

Dass eine dänische Kollegin von Seeland (Sjælland) kürzlich vorschlug, Deutsch als Unterrichtsfach zu streichen, da die Sprache angeblich antiquiert sei, habe bei ihr, aber auch bei ihren Kollegen, Kopfschütteln und Unverständnis ausgelöst. Diese Idee hat zu vielen Reaktionen geführt, besonders in Lehrerkreisen.

Deutschunterricht schon in der Vorschule

Heidi Iwersen lebt in einer Kommune, die in Sachen „im jungen Alter Deutsch lernen“ eine Vorreiterrolle einnimmt. Vermutlich auch dank des früheren Bürgermeisters Laurids Rudebeck, der der deutschen Verbindung und den nachbarschaftlichen Beziehungen großen Stellenwert beimaß. Maßgeblichen Anteil hat auch Heidi Iwersen gehabt, da sie von Anfang an mit von der Partie gewesen ist und an den Fäden zog, den Deutsch-Unterricht an den dänischen Volksschulen früher anfangen zu lassen. 

Mehr Deutsch in Klassen 5 und 6

Seit dem Schuljahr 2015/16 wird das Fach schon im Vorschulalter in der Kommune Tondern unterrichtet. In diesem Alter nähere man sich der Sprache zunächst auf spielerische und singende Art, erzählt sie. Zudem wird der Deutsch-Unterricht in den Klassen 5 und 6 mit zusätzlichen Stunden intensiviert. Das Ziel der Kommune ist es, dass der Notendurchschnitt in Deutsch mindestens dem in Englisch entsprechen soll.

Neben Tondern beteiligt sich auch die Kommune Apenrade (Aabenraa)  an dem von der A.-P.-Møller-Stiftung geförderten Projekt „Tidlig sprogstart i tysk“. In Apenrade startet der Deutschunterricht aber erst ab der dritten Klasse. 

Seit 2019 ist die Kommune Tondern an dem dreijährigen Projekt „Videreførelse af sproget tysk“ des Unterrichtsministeriums mit von der Partie. Auch Apenrade und Sonderburg (Sønderborg) sind mit dabei. Auch bei diesem Projekt zieht Heidi Iwersen an den Fäden.

Deutsches Unterrichtsmaterial

Es muss deutsches Unterrichtsmaterial für die Kinder von der Vorschule bis zur 4. Klasse zusammengestellt werden, denn ein solches gibt es nicht, da der Deutschunterricht an dänischen Schulen früher später begonnen hat. Es muss daher Material erarbeitet werden, das in der Unterstufe in ganz Dänemark Anwendung finden soll.

„Es gibt dieses Material noch nicht, obwohl wir das Deutschprogramm Grenzgenial, das auch von der deutschen Volksgruppe gefördert wird, nutzen“, erklärt Heidi Iwersen.

Mit der Suche nach deutschem Unterrichtsmaterial hat Heidi Iwersen schon langjährige Erfahrung. Sie betrieb dies schon ab 2012, als sie unter anderem Artikel aus dem „Nordschleswiger“ als Material für Unterrichtszwecke für die Mittel- und Oberstufe an dänischen Schulen zusammenstellte. Sie trat damals die Nachfolge von ihrer Kollegin Karin Koplev an, als diese in Rente ging. Von diesem Angebot, das etwa 400 bis 500 Schulen abonnierten, machte auch ihre Schule Gebrauch. „Wir haben an meiner Schule auch den 'Nordschleswiger' bis zu seiner Digitalisierung im Februar dieses Jahres in Papierform an unserer Schule gehabt.“

Heidi Iwersen mit ihren Schüler*innen, die das vorbereitende Sprachdiplom bestanden haben. Foto: Privat

Prüfungen als Versuch

Ihre Schule zeichnet sich mit einer weiteren Initiative aus. Als Versuch werden seit dem Schuljahr 2017/18 alle Abgangsschüler im Fach Deutsch mündlich und schriftlich geprüft. Bis 2023 läuft dieser Versuch.

„Das ist bei uns jetzt obligatorisch. Andere Deutschkollegen beneiden uns dafür. Wir nehmen an einem Versuch des Unterrichtsministeriums teil. Als Abschluss bekommen die Jugendlichen ein Dokument für ein vorbereitendes Sprachdiplom. Dieses kann man dann an beiden Gymnasien in Tondern nutzen, an denen man das deutsche Sprachdiplom machen kann, das auch ein Studium in Deutschland ermöglicht. Mehrere Gymnasiasten gehen auch als deutsche Sprachenbotschafter in die Volksschulen", berichtet die Lehrerin.

Beim Tønder Festival erledigt Heidi Iwersen als Freiwillige die deutsche Korrespondenz und Übersetzungen. Links von ihr Anita Uggerholt Eriksen. Foto: Archiv: Brigitta Lassen

Deutsch mit den Enkeln

Heidi Iwersen bekam ihre erste Anstellung nach Studienabschluss 1984 aufgrund ihrer Deutsch-Kenntnisse an der Nachschule Bjerreherred Ungdomskole bei Horsens. Im Jahr 2005 kehrte sie nach Zwischenstationen nach Tondern zurück. Als frühere Lehrerin an einer dänischen Nachschule hatte das Umfeld nicht gestimmt, um mit ihren drei Kindern Deutsch zu sprechen. Das hat sich geändert, seitdem die 63-Jährige Oma ist. Mit ihren vier Enkeln und Enkelinnen spricht sie Deutsch, liest deutsche Kinderbücher, übt deutsche Reime, und die Kleinen verstehen ihre Großmutter. Auch für sie soll es eine zusätzliche Kompetenz geben.

Mehr lesen

Leserbrief

Meinung
Kristian Pihl Lorentzen
„Hærvejsmotorvejen som grøn energi- og transportkorridor“