Jørgen Mads Clausen wird 70

Ein Mann der Möglichkeiten

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Ein Mann der Möglichkeiten

Norburg/Nordborg
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Jørgen Mads Clausen Foto: Danfoss

Der Spitzenmann des Danfoss-Konzerns, Jørgen Mads Clausen, feiert am Sonntag seinen 70. Geburtstag. Der Nordschleswiger hat mit ihm über die Vergangenheit und die Zukunft gesprochen.

Danfoss und die Clausen-Familie

Der Ingenieur Mads Clausen (Foto links „The Danfoss DNA“) gründete 1933 das Unternehmen Danfoss in Norburg auf Alsen. Er heiratete 1939 Dorothea Emma Andkjær, die unter dem Namen Bitten Clausen bekannt wurde. Mads Clausen starb 1966 im Alter von nur 60 Jahren. Seine Frau Bitten 50 Jahre später  im hohen Alter von 103.

Bitten und Mads Clausen bekamen fünf Kinder: Karin Clausen (1940), Bente Clausen (1942), Jørgen Mads Clausen (1948), Peter Johan Mads Clausen (1949) und Henrik Mads Clausen (1953). Danfoss ist heute immer noch im Besitz der Familie Clausen sowie der Familienstiftung Bitten & Mads Clausen Fond. Die Stiftung hat Peter Clausen als ihren Vorsitzenden.

Jørgen Mads Clausen ist Ingenieur und machte an der Universität in Wisconsin eine Bachelorausbildung. Sein Vater schickte ihn zunächst in die „Lehre“ bei einem anderen dänischen Industrieunternehmen – Grundfos. 1981 kam er zu Danfoss und wurde  Chef für Technik und Forschung.  1990 trat er in die Direktion ein, und ein Jahr später übernahm er die Verantwortung für die Hydraulikdivision. 1996 wurde Jørgen Mads Clausen Konzernchef von Danfoss – ein Posten, den er 12 Jahre lang innehatte, bis er 2008  Aufsichtsratschef (Bestyrelsesformand) wurde.

Jørgen Mads Clausen ist mit Anette Nøhr Clausen verheiratet. Die beiden haben die Söhne Mads Nøhr Clausen und Marcus Nøhr Clausen.

Danfoss hatte vor der Finanzkrise 2007  33.000 Mitarbeiter, musste den Mitarbeiterstab aber auf 23.000 reduzieren. Seit einigen Jahren wächst das weltweite Unternehmen wieder    und hatte 2017 knapp 27.000 Mitarbeiter bei einem Gesamtumsatz von 43,3 Milliarden Kronen.

*Die Überschrift „Ein Mann der Möglichkeiten“ ist der Titel eines Buches von Ole Sønnichsen über Jørgen Mads Clausen (2007 erschienen – aber die Überschrift ist immer noch gültig)

Jørgen Mads Clausen, einer der bedeutendsten Industriellen Nordschleswigs, wird am Sonntag, 23. September, 70 Jahre alt. Zeit für ein Zwischenfazit  für den Vorstandsvorsitzenden eines der größten Industrieunternehmen Dänemarks, Danfoss.

Hat Danfoss heute die Position, die du dir gewünscht hast?

In vieler Hinsicht ja. Wir sind in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr so sehr gewachsen, wir wir uns das gewünscht hätten. Das ist natürlich ärgerlich, aber die Finanzkrise kam 2008 dazwischen. Allerdings hatte diese den Effekt, dass wir produktiver geworden sind. Daher haben wir in den vergangenen  Jahren so viel Geld verdient, dass wir heute fast alle unsere Schulden losgeworden sind. Die hatten wir aufgenommen, um verschiedene Unternehmen aufzukaufen. Dazu sind wir jetzt wieder bereit, und unser CEO Kim Fausing hat meine volle Unterstützung, den Kurs fortzusetzen. Auch die Familie freut sich über die bisherigen Ergebnisse, die Danfoss erzielt hat.

Danfoss ist nicht an der Börse, muss also keine Aktionäre zufriedenstellen. Warum ist es dennoch wichtig, dass ein Familienunternehmen wie Danfoss jedes Jahr Milliarden verdient?

Wenn wir kein Geld verdienen, können wir das Unternehmen nicht weiterentwickeln. Wir leben teils in einem Land, in dem die Kosten sehr hoch sind, und außerdem ist es teuer, neue Produkte zu entwickeln. Danfoss gibt es seit 85 Jahren, und einige Produkte sind noch aus der Zeit – natürlich in einer modernisierten Version. Aber wir müssen auch die Produkte entwickeln, von denen wir in Zukunft leben wollen, und manchmal dauert die Anlaufzeit viele Jahre. Ein Beispiel ist Danfoss Silikon Power in Flensburg. Die haben jetzt einen Umsatz von über einer Milliarde Kronen erreicht und verdienen jetzt auch Geld. Aber das hat 20 Jahre gedauert. Das ist ein Unternehmen, bei dem wir von einem Potenzial reden, das nicht nur um zehn Prozent jährlich wächst,  sondern das uns in einigen Jahren vielleicht das Zehnfache an Umsatz bringt. So etwas entwickelt man eben nicht im Handumdrehen, sondern man braucht dafür einen langen Atem, und die Entwicklung solcher Produkte läuft vielleicht über Generationen. Das muss man sich leisten können, und dafür haben auch unsere Mitarbeiter Verständnis.

Vor welchen Herausforderungen steht Danfoss in den kommenden Jahren?

Eigentlich sehen wir uns für die Zukunft ganz gut gerüstet. Das hängt wiederum mit der Finanzkrise zusammen. Das war eine sehr ernste Lage für Danfoss, aber wir haben es zu unserem Vorteil gedreht und daraus unsere Lehren gezogen. Die Produktionsverbesserungen, die wir vorgenommen haben, greifen weltweit. Nicht nur in Dänemark, sondern auch in China, den USA und in anderen Ländern, in denen wir produzieren. Unser Produktionssystem macht uns in der ganzen Welt wettbewerbstüchtig, und dadurch sind wir nicht mehr so anfällig. Was kommen kann, sind Dinge, die wir heute noch nicht vorhersehen können – Disruption – irgendetwas Digitales, das unsere Produkte überflüssig macht. Ich kann zwar nicht sehen, was es sein sollte, aber gerade deswegen gehen wir auch den digitalen Weg, um uns auf alle Fälle vorzubereiten.

Was die Märkte angeht, sehe ich derzeit auch keine Gefahr: In Europa und den USA läuft es okay, in China ist noch mehr drin, und der große indische Markt wartet auch noch auf uns. Das größte Risiko macht derzeit der amerikanische Präsident Trump aus. Wir wissen nicht, was mit den Zöllen passiert, und das kann einen ganzen Markt zerstören. Wir haben es selbst in Brasilien erlebt, wo ein Zoll von 25 Prozent auf unsere Produkte bedeutete, dass unser brasilianischer Konkurrent den ganzen Markt dominiert. 

Auf dem Dach der Firmenzentrale 1998. Foto: DN Archiv

Du bist dafür zitiert worden, dass du dir über Jahre hinaus keinen Clausen an der Spitze von Danfoss vorstellen kannst.  Hängt das mit deinen eigenen Erlebnissen zusammen, als du damals Chef wurdest und die Mitarbeiter in einem Brief an den Vorstand Zweifel zum Ausdruck brachten?

Die Reaktion kam, nachdem meine Mutter Journalisten gegenüber ihre Zweifel geäußert hatte. Sie wurde gefragt, ob ich der Aufgabe gewachsen war, und sie machte sich natürlich Sorgen darüber, ob ich es packen würde. Das war die natürliche Antwort einer Mutter, aber die Journalisten machten daraus eine Geschichte, die immer ein Teil meines Nachruhms sein wird.  Das hat mich schon mitgenommen, denn es hätten tausend Dinge passieren können, und am Ende hätte es dann geheißen, dass ich der Aufgabe nicht gewachsen war.

Das ist auch der Grund, weshalb wir die dritte Generation beschützen und aus dem Rampenlicht einer Spitzenposition halten. Mein Vater war der Pionier, mit dem alles begann. Als er starb, standen andere Direktoren an der Spitze, bis ich schließlich übernahm. Heute kann ich mir das nicht vorstellen. Ich kann es natürlich nicht ausschließen, aber es ist ein ganz anderes Unternehmen als vor 25 Jahren, und das macht die Aufgabe wesentlich schwieriger.  Aber natürlich werden sie ihren Platz im Vorstand haben, und vielleicht wird es auch in Teilbereichen des Konzerns leitende Positionen geben, die von Familienmitgliedern besetzt werden können – aber nicht an der Spitze des gesamten Unternehmens. Die Familie wird sich im täglichen Betrieb eher auf Abstand halten und sich dafür interessieren, dass es Danfoss gut geht.

Aber diese Verantwortung hast du damals dennoch auf dich genommen. Wie war der Erwartungsdruck – hast du deine Arbeit immer gemocht?

Ja, bist du wahnsinnig. Ich habe den Spitzenposten immer geliebt und habe es nie als ein Problem gesehen, Verantwortung zu übernehmen. Im Gegenteil: Ich liebe es, an der Spitze zu stehen, um Akzente zu setzen und Wege zu finden, damit wir uns besser schlagen als unsere Wettbewerber.

Du hast ein Schriftstück mit der Danfoss-DNA verfasst für künftige Generationen im Unternehmen. Soll Danfoss mit dem Herzen oder dem Verstand geführt werden?

Mit beidem. Von Seiten der Familie mit dem Herzen. Unsere Stiftungen haben ein großes Interesse daran, dass wir Gutes tun können für den Landesteil Schleswig – auf beiden Seiten der Grenze. Mir steht Nordschleswig dem Herzen nahe. Für die Geschäftsführung gelten allerdings beinharte Kriterien, dass sie Geld verdienen müssen.

Grundsteinlegung der Universität 2004. Foto: DN Archiv

Du hast dich immer in die politische Debatte eingemischt – sei es lokal, regional, im Land oder global. Siehst du es als deine Pflicht, dich einzumischen?

Ich habe immer versucht, parteipolitisch neutral zu sein. Mir war nicht wichtig, ob ich gegen den blauen oder den roten Block angegangen bin. Mir war die Sache wichtig, und ich habe daher immer ein Auge auf den Ball gehabt. Als ich für den Euro geworben habe, habe ich das mit Danfoss-Augen getan. Für uns wäre es wichtig gewesen, und das wollte ich unseren Mitarbeitern vermitteln. Im Globalisierungsrat von Anders Fogh Rasmussen (Red. früherer Regierungschef, V) habe ich auch mitgemischt, und das war keine politische Agenda, sondern vor allem eine fachliche/inhaltliche Debatte. 

Welche Stärken und Schwächen hat Nordschleswig aus deiner Sicht?

Ich finde, dass Nordschleswig es in den vergangenen 25 Jahren sehr weit gebracht hat. Damals standen wir noch schwach da. Heute haben wir zum Beispiel die Süddänische Universität in Sonderburg (auch wenn das fast schief gegangen wäre), und gemeinsam haben wir einiges erreicht. Ich sehe Sonderburg in einer weitaus stärkeren Position als eine Stadt wie Svendborg, mit der wir uns vergleichen können. Der Tatendrang ist groß, und wir sind vorangekommen.

Manchmal bin ich schon enttäuscht, dass die innovativen Kräfte nicht mehr sind, aber alles braucht seine Zeit, und es wäre verkehrt, jetzt aufzugeben. Leider sehe ich, dass zu viele passiv sind und sich nicht am gemeinsamen Kampf beteiligen. Dabei ist das der einzige Weg, den wir gehen können: Wir müssen alle runter vom Sofa, denn nur als ein gemeinsames nordschleswigsches Netzwerk haben wir eine Chance. Sonderburg hatte vor vielen Jahren einen Thinktank (Kultur i Syd), das von Asger Gramkow ins Leben gerufen wurde. Hier wurden große Ideen geboren und einige auch realisiert: Wir gewannen die Kunsthandwerkerschule in Kopenhagen, um für den Sonderburger Hafen einen Zukunftsplan zu entwerfen. Und als der Name Frank Gehry fiel (Red: amerikanischer Architekt), fanden wir heraus, dass seine Sekretärin Dänin war und nahmen über sie Kontakt zu Gehry auf. Das zeigt für mich, was ein richtiges Netzwerk ausrichten kann – wenn es die Visionen hat und den Mut. Aber es gehören dazu viele gemeinsame Kräfte. 

Siehst du auch ungenutztes Potenzial in den deutsch-dänischen Beziehungen?

Die Beziehung war nie besser als heute. Was man daran sieht, dass schleswig-holsteinische Politiker wie Ministerpräsident Daniel Günther großes Interesse an der Zusammenarbeit mit Dänemark haben – auch regional. Das Problem ist, dass wir nicht immer wissen, an welchen Schrauben wir drehen können. Sobald es aber Gemeinsamkeiten gibt, wie zum Beispiel die Landesgartenschau, dann tut sich was. Wir müssen noch mehr Ideen entwickeln, was wir gemeinsam machen können, damit wir uns noch besser kennenlernen. Auch hier sind Netzwerke eine wichtige Voraussetzung für eine positive Entwicklung. Da steckt noch viel Verbesserungspotenzial, aber ich glaube an die grenzüberschreitende Zusammenarbeit – es muss nur ein Einsatz geleistet werden.
  

In seinem Büro 1998. Foto: DN Archiv

Hat sich in deiner eigenen Familie das Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen verändert?

Ja, und wie, aber ich freue mich darüber, dass die Negativität sich verzogen hat. Die negative Haltung von einst den Deutschen gegenüber können wir zu nichts gebrauchen. Wir müssen nach vorne schauen.

Es hat sogar dazu geführt, dass du den Wählern in der Kommune Sonderburg empfohlen hast, dass sie für Stephan Kleinschmidt von der Schleswigschen Partei stimmen sollten ...

Die deutsche Minderheit hat mit großer Tüchtigkeit die Zusammenarbeit mit der dänischen Mehrheit gesucht. Ich habe nicht aus politischer Überzeugung, sondern aus fachlicher und menschlicher Überzeugung auf Kleinschmidt als den besten Bürgermeister hingewiesen, weil ich ihn als Brückenbauer sehe. Die deutsche Minderheit hat außerdem das Netzwerk südlich der Grenze, das wir nicht haben und kann daher unserer Region dabei helfen, eine bessere Verbindung zu Schleswig-Holstein und Deutschland zu bekommen.

Was machst du, wenn du dir selbst etwas Gutes tun möchtest?

Dann verreise ich mit meiner Frau. Wir reisen in Kürze nach China. Wir hätten auch gern unsere Söhne mit, aber die haben inzwischen verschiedene Verpflichtungen. Die Familie bedeutet mir viel – und immer mehr. Deshalb freue ich mich darüber, dass viele aus der Familie zu meinem Geburtstag kommen.

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