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„Schießbefehl und Folter: Verwaltung dokumentiert mörderisches Regime gegen Uiguren“

Schießbefehl und Folter: Mörderisches Regime gegen Uiguren

Schießbefehl und Folter: Mörderisches Regime gegen Uiguren

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Apenrade/Aabenraa
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Europa kann den Völkermord in Ostturkestan/Xinjiang nicht weiter ignorieren. Demokratien weltweit müssen gegen Diktaturen antreten, auch wenn uns das Wohlstand kosten wird. Das Mantra „Wandel durch Handel“ ist gescheitert, meint Jan Diedrichsen.

Belastende Dokumente und Fotos haben am Dienstag dieser Woche in mehreren europäischen Medien die Schrecken enthüllt, denen Uiguren, Kasachen und andere vorrangig muslimische Ethnien in Chinas brutalen „Umerziehungslagern" ausgesetzt sind.  Die Dokumente enthüllen, wie Hunderttausende von Uiguren aufgrund erfundener Terrorismus-Anschuldigungen inhaftiert und zu langen Haftstrafen verurteilt wurden.  Sie bieten einen beispiellosen Einblick in die Lager, die seit 2017 in Xinjiang errichtet wurden.

In der nordwestchinesischen Provinz ist in den vergangenen Jahren ein Alptraum Wirklichkeit geworden: Die Uiguren werden dort mit allen Möglichkeiten des Digitalzeitalters erfasst und überwacht. Etwa eine Million Menschen sind monatelang in „Umerziehungslagern“ interniert, wo Folter, Zwangsarbeit, Zwangssterilisation und Gehirnwäsche an der Tagesordnung sind. Gleichzeitig werden Moscheen geschlossen, religiöse Feste untersagt, Baudenkmäler zerstört. Die kulturelle Identität des 15-Millionen-Volkes soll ausgelöscht werden. Das nennt man im Völkerrecht einen Völkermord.

Der Druck auf die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet, klare Worte für die verbrecherische Minderheitenpolitik Chinas zu finden, ist nach der Veröffentlichung der „Xinjiang-Police-Files“ nochmals gewachsen. Die UN-Vertreterin hält sich derzeit mit einer Delegation zu einem offiziellen Besuch in China auf.

Die „Xinjiang-Police-Files“ sind eine Recherche über Schießbefehle und Folterstühle. Sie belegen den Völkermord, der tagtäglich in der Region exerziert wird. Mehrere Länder – unter anderem die Vereinigte Staaten und Frankreich – haben bereits die systematische Unterdrückung der Region als Völkermord gebrandmarkt. Auch Großbritannien hat nun deutliche Worten an Peking gerichtet.

Die deutsche Regierung hält sich derweil mit allzu scharfer Kritik an Peking zurück. Die Bundesregierung muss nun endlich Stellung beziehen und den Völkermord in Xinjiang verurteilen. Auch die dänische Regierung scheint das Thema nicht prominent auf die Tagesordnung setzen zu wollen.

Doch die China-Politik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten, die bislang von wirtschaftlichen und Handelsinteressen dominiert wird, muss den verbrecherischen Realitäten angepasst werden. China ist eine Diktatur, und solange die Menschenrechtslage sich nicht signifikant verbessert, müssen die wirtschaftlichen Verbindungen überdacht und abgebaut werden. Europa muss sich, wie im Fall von Russland, von Diktaturen und Autokratien unabhängig machen. Das Mantra „Wandel durch Handel“ ist gescheitert.

2001 trat China der Welthandelsorganisation bei, ohne die Standards der Organisation zu erfüllen. In Dänemark und in Deutschland machen nicht nur große Reedereien oder Autokonzerne seit Jahrzehnten formidable Geschäfte. Ausländische Konzerne strömten in den vergangenen Jahren nach China und in die Provinz Xinjiang. Billige Arbeitskräfte waren garantiert.

Im Zuge des russischen Angriffskrieges und der neuen schockierenden Enthüllungen aus China muss in Europa ein Umdenken stattfinden. Diktaturen und Autokratien dürfen nicht aus Profitgründen hofiert werden. Statt „Wandel durch Handel“ muss es nun endlich heißen: Menschenrechte zuerst, auch wenn uns das selbst Wohlstand kosten wird.

Einen lesenswerten Hintergrund zu den Daten und der Lage in Xinjiang bietet Adrian Zenz. „The Xinjiang Police Files Re-Education Camp Security and Political Paranoia in the Xinjiang Uyghur Autonomous Region.

Lektüreempfehlung: „Ein Volk verschwindet. Wie wir China beim Völkermord an den Uiguren zuschauen“, von Philipp Mattheis, 2022 im Ch. Links Verlag erschienen.

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