Leitartikel

Antitourismus

Antitourismus

Antitourismus

Apenrade/Aabenraa
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Dyppel Museum
Foto: Corm Casper/Visit Denmark

Die Urlauber nicht als „Invasoren“, sondern als Besucher zu betrachten, denen man froh ist, die eigene Heimat zeigen zu können – das ist eine schöne Art. Und das Problem, dass ausländische Gäste die Preise bei uns noch mehr anheben könnten – das haben wir in Dänemark ja wohl kaum, meint Cornelius von Tiedemann.

Der Tourismus ist ein enorm wichtiger Wirtschaftszweig fast überall in Europa – und auch bei uns in Nordschleswig. Die Touristikverbände buhlen um neue und um mehr Besucher. Attraktionen, Kampagnen, Titel wie Kulturhauptstadt und möglichst einprägsame Slogans sollen die Menschen dazu bewegen, ihr Urlaubsgeld in der jeweiligen Region zu lassen.
Doch nicht immer und überall werden die Besucher auch von den Einheimischen willkommen geheißen. Vor allem in Großstädten sind Menschen es leid, in ihrem liebgewonnenen Heimatviertel von auswärtigen Besuchern überrannt zu werden und mit ihnen, auch finanziell, konkurrieren zu müssen. Denn Urlauber sind häufig bereit, mehr für ein Frühstück oder ein Bier zu zahlen als Einheimische – die das Stadtleben oftmals ohnehin schon teuer genug zu stehen kommt. Dazu kommt das Problem mit den Wohnungen, die viele lieber profitabel an Touristen als an Wohnungssuchende vermieten. Hier hat die Politik vielerorts inzwischen regulierend eingegriffen.

Dennoch gibt es ihn vielerorts: den Antitourismus. In Dänemark ist davon derweil nicht viel zu spüren – abgesehen vielleicht vom Ferienhauskauf-Verbot, aber das ist ein Kapitel für sich. Zumal hier bei uns, wo noch viel Platz ist,  die Lage entspannt ist. Jeder kennt sie, die deutschen Urlauber, die in den Sommermonaten am Küchenfenster vorbeiradeln oder an der Kasse bei Netto vor einem stehen. Die Norweger am Strand, die Niederländer an der Hotdog-Bude.

Es ist schon manchmal ein merkwürdiges Gefühl, die Orte, die für uns selbst Alltag sind, mit Menschen zu teilen, für die diese Orte ganz neu, fremd, vielleicht sogar exotisch sind. Es erinnert uns daran, wie schön wir es hier haben. Und egal wie grobschlächtig sich so mancher Urlauber – ja, hier fallen leider vor allem manche Deutsche hin und wieder auf – sich benimmt: Hier werden alle, so habe ich es bisher erlebt, fast immer freundlich behandelt.

Sei es der Rentner aus dem Ruhrgebiet, der sich (auf Deutsch) empört, dass seine deutschen Pfandflaschen am Pfandautomaten nicht angenommen werden, sei es der Motorrad-Tourist aus Berlin, der sich (ebenfalls ungeniert auf Deutsch) beklagt, dass es im Supermarkt keinen Drehtabak gibt: Meistens bleiben die Nordschleswiger freundlich und ruhig. Und das ist es ja auch, was die Urlauber so am Norden schätzen: die Gelassenheit, von der sie sich so gerne anstecken lassen wollen.

Und alles in allem benehmen sich die deutschen Urlauber in Dänemark auch entsprechend. „Es dürften gerne mehr aus Deutschland kommen. Ich finde, die sind so höflich“, sagte ein 71-jähriger Kopenhagener kürzlich zu Politiken. Das geht doch runter wie Öl in Sachen deutsch-dänische Beziehungen.

Die Urlauber nicht als „Invasoren“, sondern als Besucher zu betrachten, denen man froh ist, die eigene Heimat zeigen zu können – das ist eine schöne Art. Und das Problem, dass ausländische Gäste die Preise bei uns noch mehr anheben könnten – das haben wir in Dänemark ja (zum Glück?) wohl kaum.

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