Spurlos verschwunden

Rätsel am Meeresgrund

Rätsel am Meeresgrund

Rätsel am Meeresgrund

Matthias Kirsch/shz/tv2/chu
Kiel/Eckernförde
Zuletzt aktualisiert um:
Eines der beiden Gestelle: Dieses sorgte für die Stromversorgung.geomar. Foto: Forschungstauchzentrum CAU/SHZ

Vom 300.000 Euro teuren Unterwasser-Observatorium des Geomar fehlt weiter jede Spur – jetzt soll ein Echolot helfen. Seit dem 21. August wird das Observatorium nur 70 Kilometer südlich der dänischen Grenze nun schon vermisst.

Es bleibt wie vom Meeresboden verschluckt. Das Unterwasser-Observatorium, das das Kieler Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung seit dem 21. August vermisst, bleibt verschollen. Selbst die BBC in Großbritannien berichtet mittlerweile über das „mystery“ um die Forschungsanlage.

Am Mittwoch haben Forschungstaucher der Uni Kiel den Meeresgrund rund um den Standort der gelben Messstation und des Metallgestells mit dem Gerät für die Stromversorgung am Ausgang der Eckernförder Bucht abgesucht – vergebens. „Lediglich einige abgebrochene Teile haben die Taucher gefunden“, sagte Geomar-Sprecher Jan Steffen unserer Zeitung.

Deshalb und weil am Standort der 750 Kilogramm schweren Station lediglich das abgerissene, an Land führende Datenkabel zurückblieb, gehen die Meeresforscher derzeit eher von einem Unfall als von einem geplanten Diebstahl aus. „Auszuschließen ist es zwar nicht, aber wahrscheinlicher ist, dass ein größeres Schiff die Anlage weggerissen hat“, so Steffen. Die beiden gelben Gestelle standen in 14,50 Metern Tiefe. Eine weitere Messanlage, die gerade erst installiert wurde und noch nicht in Betrieb war, ist noch vor Ort. „Das Gestell stand etwas abseits“, sagt Steffen.

Mittlerweile hat die Überprüfung der Schiffsbewegungsdaten für das Sperrgebiet vor Boknis Eck aber ergeben: Es fuhr zum fraglichen Zeitpunkt kein Schiff in der Nähe des Observatoriums. Die Positionsdaten aller größeren Schiffe werden über das sogenannte AIS-System festgehalten und gespeichert. Lediglich Kriegsschiffe sind von der Regelung ausgenommen – und der Sender kann auch abgeschaltet werden, wenn man nicht entdeckt werden möchte.

„Die einzig logische Version für mich ist, dass das Gerät unabsichtlich in ein Schleppnetz eines Raubfischers geraten ist, schätzt Projektleiter Professor Hermann Bange. „Denn 750 Kilo muss man erstmal wegziehen, das macht man nicht mal eben mit einer Segeljolle.“

 

Ohne Stromversorgung keine Inbetriebnahme

 

Kann die Marine weiterhelfen? „Wir sind im Kontakt mit dem Geomar und sind selbst gerade dabei, den Fall zu untersuchen“, sagt Fregattenkapitän Carsten Poll, Sprecher der Marine in Rostock. Die Wasserschutzpolizei in Kiel ermittelt derweil wegen Diebstahls – „so lautet jedenfalls der erste Verdacht, auch wenn natürlich andere Gründe in Betracht kommen“, sagte gestern ein Sprecher.

„Auch wir suchen natürlich weiter“, sagt Jan Steffen. Heute wollen Kollegen von der Uni mit dem Forschungsschiff des Landes, der „Alkor“, wieder hinaus in die Eckernförder Bucht fahren und den Meeresgrund mit einem Echolot weiträumig absuchen. „Die Fahrt war sowieso geplant, und die Kollegen haben uns spontan ihre Hilfe angeboten“, so Bange.

Die Geomar-Forscher hoffen, so bald wie möglich ihre Geräte wiederzubekommen. „Das neue Messgerät kann ohne die Stromversorgung nicht in Betrieb gehen“, so Steffen. Mit ihm sollen biologische Daten erfasst werden, etwa über Plankton im Wasser. „So lässt sich etwa die Bildung von Blaualgen vorhersagen.“

 

Wenig Hoffnung

 

Auch das verschwundene Observatorium soll möglichst bald wieder im Einsatz sein, denn auch wenn die eigentlichen monatlichen Messungen, die seit 1957 eine ununterbrochene Datenreihe liefern, per Schiff erfolgen, liefert das erst drei Jahre alte Observatorium in Echtzeit wichtige zusätzliche Umweltdaten wie Strömung, CO2- oder Salzgehalt.

„Am besten wäre es natürlich, wenn die Geräte halbwegs unversehrt wiedergefunden und repariert werden könnten“, so Steffen. Viele Hoffnungen macht Projektleiter Bange sich aber nicht mehr, die Gestelle halbwegs unversehrt zu entdecken. „Wir haben abgebrochene Teile der Sensoren gefunden.“ Bleiben die Geräte verschollen oder sind sie zerstört, befürchtet der Professor einen langen Prozess, bis das Geld von Versicherungen oder gar neu eingeworbenen Forschungsmitteln zusammenkommt und Stromversorgung und Messanlage neu gebaut sind. Bange rechnet in dem Fall mit bis zu einem Jahr, bis die Geräte wieder einsatzbereit wären. Die 2016 installierte Anlage hatte 300 000 Euro gekostet.

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