Sternekoch

Kenneth Hansen kocht mit dem Herzen eines Ochsen

Kenneth Hansen kocht mit dem Herzen eines Ochsen

Kenneth Hansen kocht mit dem Herzen eines Ochsen

St. Peter-Ording
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Der Ton macht die Musik – auch in der Küche, wo es Star- und Chefkoch Kenneth Hansen locker und viel Humor angehen lässt. Foto: Scanpix

Kenneth Hansen überzeugte beim Schleswig-Holstein Gourmet-Festival. Der Däne freut sich auf die Wiedereinweihung seines Hotels Svinkløv Badehotel, das niederbrannte.

Sie kennen es sicher: Beim Fest oder vor dem Essen im Restaurant wird das abendliche Menü studiert, und  die Vorfreude steigt. An diesem Abend im Restaurant Sandperle  mit Blick auf die Dünenlandschaft vor St. Peter-Ording ist es nicht anders. Die Erwartungen sind sogar höher als üblich, denn der dänische Starkoch Kenneth Hansen gastiert an der Nordsee. Er gehört zu den besten Küchenchefs Dänemarks und nahm bereits mehrfach als Gastkoch am  Schleswig-Holstein Gourmet-Festival teil. Zur 30. Ausgabe hat er sich etwas ganz Besonderes ausgedacht – und keinem einzigen Gast ist der dritte Gang auf dem Menü entgangen: Ochsenherzen-Carpaccio.

Wer sich in der italienischen Küche nicht so gut auskennt: Carpaccio ist eine kalte Vorspeise aus rohem Rindfleisch – inzwischen ein Klassiker. Aber rohes Ochsenherz? Auch Kenneth Hansen weiß, dass er den Gästen an diesem Abend etwas „extra“ zumutet, denn bereits vor fünf Jahren hatte er erstmals das Ochsenherzen-Carpaccio aufs Menü setzen wollen. Aber damals trauten sich die Veranstalter vom SHGF nicht – man wollte nicht riskieren, dass ein Gericht fast komplett zurück in die Küche ging.

„Deshalb habe ich diesmal nicht gefragt“, erklärt Kenneth Hansen humorvoll kurz vor dem Essen. Danach verschwindet er in der Hotelküche, und die Gourmetgala des Dänen kann beginnen.

Zwei Tage vorher ist er bereits mit seinem Souschef Henrik Olsen angereist und hat einen ganzen Tag vorgekocht.  „Im eigenen Restaurant hat man einen ganz anderen Arbeitsablauf. Hier laufen wir viele Extraschritte, weil wir nicht wissen, wo die Löffel liegen, und außerdem dauert alles ein wenig länger, weil mein Deutsch nicht gut genug ist und das Englisch der Leute hier auch nicht. Dadurch leidet die Kommunikation ein wenig, aber der Wille ist von allen Seiten  da, und dadurch haben wir viel wettgemacht“, lächelt Kenneth Hansen.

Süppchen mit Kraft

Ein Speck-Bouillon macht den Anfang. Das Süppchen mit Bacongeschmack – so klein es auch sein mag – ist eine Geschmacksexplosion. Die Schale ist vorher mit Estragonöl bestrichen worden und das Gemüse ist  in millimetergroßen Stückchen perfekt zubereitet. Leider gibt es keinen Nachschlag. War auch nur als Häppchen gedacht.

Als ersten Hauptgang gibt es norwegische Jakobsmuschel in einer klassischen Kombination von Sellerie und Apfel. Das Ganze ist unter einer handgroßen, hauchdünnen runden „Scheibe“ Brot versteckt und mit  Parmesan bestreut. Die Gebrauchsanweisung von Hansen: Sorgt dafür, dass von allem etwas auf die Gabel kommt, damit sich die Geschmacksrichtungen vermischen. Einfach himmlisch!

Die Herzen der Gäste – und sicherlich auch des Chefkochs – schlagen höher: Die Teller mit dem Ochsenherzen-Carpaccio werden serviert.   Ein durch und durch roter Teller präsentiert sich vor den Gästen: Die dünnen Scheiben vom rohen Herz, dazu knackige Rote Beete. Sauerampfer und darunter eine Meerrettichcreme. Die Streusel – die aussehen wie  Schokolade  –  sind geriebenes Ochsenherz, das zwölf Monate getrocknet hat.  

Eigene Kreation

Kenneth Hansen hat ein Händchen für außergewöhnliche, aber gelungene Kombinationen.
„Bei einigen Gerichten sieht man deutlich die Handschrift anderer Köche, die mich inspiriert haben. Andere wiederum – zum Beispiel das Ochsenherz-Carpaccio – tragen meine Handschrift“, erklärt Kenneth Hansen später. Zufrieden, denn kein Gericht ist zurück in die Küche gegangen. Kein Wunder, denn er weiß, womit er zu tun hat, und das Ochsenherz ist genial.

Als Nächstes zaubert er einen seiner Favoriten vom Svinkløv Badehotel hervor: zarten Steinbutt mit dänischem Räucherkäse – „rygeost ist immer ein Hit in Deutschland“, bemerkt Hansen.

Das beste Stück vom Schwein ist nicht etwa das Filet, sondern die Backe. Von Sehnen befreit, ist das dunkle Fleisch der Schweinebacke zart und schmackhaft. Dazu ein Hauch Asien: eine kräftige Austernsauce mit Kräutern und fünf Sorten Kohl in hauchdünne Scheiben geschnitten. Einfach lecker.

Die Hunderte von Scheiben Kohl haben Kenneth Hansen und Kollege Henrik Olsen früh morgens geschnitten – also keine Starkochallüren. „Für mich ist das ein Teil des Gesamtprozesses, und auch die Arbeit muss gemacht werden. Es dreht sich nicht nur darum, am Ende einen schönen Teller zu kreieren, sondern die Grundlage für den guten Geschmack wird viel früher geschaffen“, erklärt Hansen.

Zum krönenden Abschluss wird ein außergewöhnliches Dessert gereicht: Olivenöl-Eis, Rosmarin-Joghurt und dazu unter anderem Kerbel und getrocknete Oliven. Nach Nachtisch hört sich das nicht gerade an, aber es ist eines der besten Desserts, die ich jemals gegessen habe und ein toller Abschluss eines langen Gourmetabends.

Kenneth Hansen gesellt sich anschließend zu den Gästen, erklärt warum und wie er was gemacht hat. Es wird nicht allzu spät, denn am Abend danach füllt sich die Sandperle in St. Peter-Ording erneut mit 100 erwartungsvollen Gästen.

Wertvolle Eindrücke

„Wir werden einige Kleinigkeiten verbessern, jetzt wo wir wissen, wie es sein soll. Außerdem wissen die Köche jetzt, was wir von ihnen erwarten, und das wird sicherlich am zweiten Abend einiges leichter machen. Aber es kommen auch mehr Gäste, daher müssen wir  immer wachsam sein. Man hat  nur eine Chance, es richtig zu machen“, erklärt der dänische Sternekoch.

Welche Erfahrungen und Eindrücke  nehmt ihr mit zurück nach Dänemark?

„Die Küche hier ist sehr groß, und es sind sehr viele Leute beschäftigt – weil die Wege weit sind und die Köche spezialisiert sind, entweder Vorspeise, Hauptgericht oder Desserts zu kochen. In Dänemark wäre die Küche nur halb so groß, und es wären weitaus weniger Köche, die außerdem alles machen können. Vom jüngsten bis  erfahrensten Koch müssen alle Verantwortung übernehmen. Daraufhin werden die jungen Leute in Dänemark geschult“, sagt Kenneth Hansen. „Durch die Sprachschwierigkeiten wurde uns außerdem bewusst, wie wichtig die Kommunikation in einer Küche ist. Darüber machen wir uns im Täglichen  wenig Gedanken.“

Eine gute Idee nimmt er auch  mit: Der Warenaufzug des Hotelsambassador hatte Einbauregale. „So ein Ding“ will Kenneth Hansen auch, wenn Svinkløv Badehotel nach dem Brand wieder aufgebaut wird. 
 

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