Traditionen

Fleisch, Chips und Risalamande: In Nordschleswig ist Weihnachten deftiger als anderswo

Fleisch, Chips und Risalamande: In Nordschleswig ist Weihnachten deftig

In Nordschleswig ist Weihnachten deftiger als anderswo

Apenrade/Aabenraa
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Zu Weihnachten gehört mindestens ein Braten auf den Teller in Dänemark (Symbolfoto). In Nordschleswig sind es sogar manchmal mehrere. Foto: Jens Nørgaard Larsen/Ritzau Scanpix

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Ente, Schweinebraten, Wurst oder Pute – in Dänemark ist nicht die Frage, ob, sondern welches Fleisch es zu Weihnachten zu den Kartoffeln mit brauner Soße gibt. Nordschleswig hat sich dabei Eigenheiten bewahrt – und die deutsche Minderheit auch. Vegetarisch geht es in Dänemark nur selten zu.

Gans oder gar nicht – das mag für viele deutsche Weihnachtstafeln gelten. In Dänemarks Mehrheitsbevölkerung ist die Ente jedoch deutlich populärer als Braten zu Weihnachten. Mit Rotkohl, Kartoffeln und brauner Soße.

Das zeigen mehrere Befragungen übereinstimmend. Doch nicht nur zwischen Deutschland, wo besonders im Osten Würstchen und Kartoffelsalat statt Geflügelbraten dominieren, und Dänemark gibt es Unterschiede – auch innerhalb Dänemarks unterscheiden sich die Traditionen.

Die Enten- oder Schweinefleischdebatte ist eine universelle Sache, die nicht nur die Nation, sondern auch die Regionen selbst entzweit.

Ditte Søndergaard Nielsen

So wie sich auch die politische Landkarte zwischen Stadt und Land von progressiv zu konservativ verfärbt, geht es auch bei den Vorlieben zu Weihnachten zu. Und eine aktuelle repräsentative Untersuchung des Instituts Epinion im Auftrag der Marke „Karolines Køkken“ des Meierei-Giganten Arla zeigt, dass sich die Menschen in Nordschleswig nicht mit einer traditionellen Fleischsorte begnügen.

Schweinebraten – das traditionelle dänische Gericht zu allen feierlichen Anlässen. Auch zu Weihnachten, wo die Schlachtereien im Lande bergeweise davon über die Theke reichen. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Ente, Schweinebraten und Pute – und dann noch Risalamande und Chips

Denn demnach essen 63 Prozent der Menschen in Nordschleswig Ente zu Weihnachten und 50 Prozent Schweinebraten. Das bedeutet: Mindestens 13 Prozent essen sowohl Schweinebraten als auch Ente. Hinzu kommen 59 Prozent, die Chips an Weihnachten essen (in Kopenhagen 35 Prozent).

Das Besondere an Nordschleswig: Ganze 23 Prozent essen hier (auch) Putenbraten zu Weihnachten. Im Rest des Landes sind es nur 8 Prozent.

„Die Enten- oder Schweinefleischdebatte ist eine universelle Sache, die nicht nur die Nation, sondern auch die Regionen selbst entzweit. Bei anderen Varianten, wie Wurst und Pute, sind sich die Regionen jedoch untereinander nicht einig. Und da stehen oft Kopenhagen und Nordseeland auf der einen, und Fünen und Jütland auf der anderen Seite“, sagt Ditte Søndergaard Nielsen, Senior Brand Managerin bei „Karolines Køkken“.

Die Gans ist in Dänemark ein seltenes Phänomen. Während die oben zitierte Untersuchung sie gar nicht auflistet, gehen andere Studien von einem Anteil von unter fünf Prozent aus. In Nordschleswig dürfte der Anteil höher liegen.

Risalamande
Mindestens ein Teller Risalamande gehört zum Weihnachtsessen in Dänemark für fast alle einfach dazu. Foto: Rasmus Gundorff/Unsplash

Auf Risalamande kann sich ganz Dänemark einigen

Würstchen sind in Nordschleswig mit 16 Prozent keine besonders weitverbreitete Weihnachtsspeise – verglichen mit den 31 Prozent auf Fünen. Dafür ist für die Menschen hier noch klarer als anderswo: Risalamande muss sein! Den Nachtisch, traditionell mit warmer oder kalter Kirschsauce (noch solch ein Streitpunkt) serviert, gönnen sich hier 91 Prozent der Bevölkerung (88 Prozent landesweit).

Der Name des Gerichts leitet sich aus dem französischen Riz à l’amande (Reis mit Mandel) ab. In Frankreich ist die Speise allerdings gänzlich unbekannt.

Sie ist eine dänische Weiterentwicklung des Milchreises, der früher traditionell mit Zimt zu Weihnachten serviert wurde. Die heute verbreitete verfeinerte Variante des Milchreises wird mit Sahne (nach dem Erkalten untergehoben), Milch und/oder Wasser, Zucker, Vanille und Mandeln zubereitet. In vielen Familien wird zudem eine ganze Mandel in der Schale versteckt – und wer sie auf seinem Teller findet, bekommt ein Geschenk.

Ohne Fleisch? Für die meisten in Dänemark nur schwer vorstellbar

Zu Weihnachten wird also ordentlich zugelangt in Nordschleswig. Zahlen dazu, wie viele Menschen im Landesteil generell und zu Weihnachten auf Fleisch verzichten, gibt es nicht.

Ich war etwas enttäuscht, als ich die Zahlen unserer Studie sah, die zeigen, dass die Däninnen und Dänen mit dem Vereinigten Königreich auf dem letzten Platz liegen, wenn es darum geht, den Fleischkonsum zu reduzieren.

Armando Perez-Cueto

In einer Coop-Umfrage aus dem Jahre 2019 gaben allerdings 5 Prozent der Befragten in ganz Dänemark an, einen vegetarischen Weihnachtsabend zu feiern, während 9 Prozent vegetarischen Besuch erwarteten. Auffällig: Nur drei von vier Gastgeberinnen und Gastgebern hatten demnach vor, ihren Gästen, die kein Fleisch essen, fleischloses Essen anzubieten!

Dänemark, Danebrog, Weihnachtsbaum
Für manche in Dänemark ist die Landesflagge am Weihnachtsbaum Tradition – für die meisten, vorrangig Männer, dass täglich Fleisch gegessen wird. Foto: Paul Hanaoka/Unsplash

Dänemarks Männer wollen Fleisch haben

Wie „Politiken“ im vergangenen Jahr berichtete, sind es hauptsächlich Männer, die auf Fleischberge zu Weihnachten bestehen.

„Ich habe Dänemark immer für seine Innovationskraft und seinen Willen zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen bewundert. Aber ich war etwas enttäuscht, als ich die Zahlen unserer Studie sah, die zeigen, dass die Däninnen und Dänen mit dem Vereinigten Königreich auf dem letzten Platz liegen, wenn es darum geht, den Fleischkonsum zu reduzieren“, sagte Armando Perez-Cueto zu „Politiken“. Er ist Privatdozent von der Abteilung für Lebensmittelwissenschaften an der Universität Kopenhagen, der eine Studie über den Fleischkonsum in zehn europäischen Ländern leitete.

Fleischloses Dänemark

  • In Dänemark essen etwa 3 Prozent der Bevölkerung kein Fleisch.
  • Davon sind etwa 70 Prozent Frauen.
  • Unter jungen Erwachsenen (18 bis 34 Jahre) liegt der Anteil bei 7,4 Prozent.
  • 18 Prozent der Bevölkerung sagen, dass sie überwiegend fleischlos leben.
  • 2010 lag diese Zahl noch bei 3,8 Prozent.

Quelle: Coop Analyse & DVF 2022

Starke Traditionen beim Geschmack: „Weihnachten lieber in Ruhe lassen“

Dabei liegt das, legt seine Forschung nahe, nicht daran, dass die Männer in Dänemark dem Planeten nichts Gutes tun wollen – sondern an Geschmackstraditionen. Für die Menschen hierzulande ist eine Mahlzeit traditionell, und anders als in südlicheren Ländern, erst dann eine ordentliche Mahlzeit, wenn Fleisch darin ist, das man auch schmeckt.

Dass der typische Fleischgeschmack, auch Umami genannt, auch von Gemüse wie Tomaten oder Zwiebeln kommen kann, diese Einsicht hat sich hierzulande einfach noch nicht durchgesetzt. Weshalb sich sogar der Vegetarische Verband Dänemarks gar nicht erst daran versucht, an der Tradition zu rütteln. Man lasse „Weihnachten lieber in Ruhe“, sagte deren Vorsitzender der Zeitung „Politiken“.

Anmerkung der Redaktion: Es wurde in diesem Text nachträglich verdeutlicht, dass Risalamande nicht nur aus Sahne und Reis, sondern aus herkömmlichen Milchreis, der mit Sahne angereichert wird, besteht.

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Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
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