Umwelt in Gefahr

DMI: Neuer UN-Klimabericht Anlass zu großer Sorge

DMI: Neuer UN-Klimabericht Anlass zu großer Sorge

DMI: Neuer UN-Klimabericht Anlass zu großer Sorge

Kopenhagen/Lemvig/Hoyer/Højer
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An der Sturmflutsäule der 1982 eingeweihten Wiedauschleuse bei Hoyer sind die bisherigen höchsten Wasserstände am 7,45 Meter hohen Seedeich verzeichnet. 1981 gab es den bisherigen Höchststand am damals noch nicht ganz fertigen Schutzwall. 4,97 Meter über dem mittleren Wasserstand! Fachleute erwarten in den kommenden Jahrzehnten neue Höchstwerte. Foto: Volker Heesch

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Das Dänische Meteorologische Institut warnt vor „Jahrhundertfluten“ in Dänemark Jahr für Jahr, selbst wenn die Klimaerwärmung abgebremst wird. Dänische Klimaforscher weisen auf Höchstwerte bei Treibhausgasen in der Atmosphäre als Alarmsignale hin.

Das Dänische Meteorologische Institut, „Danmarks Meteorologisk Institut (DMI)“, reagiert mit einer von ernsten Sorgen gespickten Erklärung auf den neuen Bericht des Klimarats der Vereinten Nationen (UN). „Der Bericht wird in den kommenden Jahren als ein wissenschaftlicher Leitpfosten eine Grundlage für Entscheidungsträger bilden, auf lokaler, nationaler und globaler Eben“, so die klimawissenschtliche Expertin bei DMI, Tina Christensen. Sie ist für Dänemark Kontaktperson für den UN-Klimaschutz.

Fakten widerlegen „Klimaskeptiker“

 Im dem 3.000 Seiten umfassenden Hintergrundmaterial der Vereinten Nationen haben 234 Autoren alle greifbaren Erkenntnisse zum Klimawandel ausgewertet und auf 30 Seiten zusammengefasst. Es werden darin Zweifel und Unklarheiten widerlegt, die bisher immer noch als Anhaltspunkte von „Klimaskeptikern“ aufgetischt worden sind, um Schutzmaßnahmen abzulehnen. Die Klimaschutzexperten liefern die nach DMI-Einschätzung alarmierenden Informationen, dass selbst bei Durchführung der Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung extreme Wetterereignisse sehr viel häufiger als bisher üblich auftreten werden.

 

Sorgen bereiten den Küstenschützern flache Küstenbereich ohne Deiche wie zwischen Emmerleff (Emmerlev) und Jerpstedt (Jerpsted) bei der Stampfmühle, wo künftig das Wasser weiter ins Land vordringen könnte. Foto: Volker Heesch

 

Für Dänemark mit einer im Verhältnis zur Landesgröße sehr langen Küstenlinie sei es besonders beunruhigend, dass gegen Ende dieses Jahrhunderts als Jahrhundertereignisse eingestufte Sturmfluten voraussichtlich jedes Jahr an der Hälfte der Orte auftreten, an denen heute Pegelstände registriert werden.

Höchstwerte bei „Treibhausgasen"

Es wird daran erinnert, dass 2019 die höchsten Werte bei den Konzentrationen der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas in der Erdatmosphäre registriert worden sind. Auf einem Niveau wie seit 800.000 Jahren nicht mehr auf der Erde. Beim Kohlendioxid hat es solche Werte schon seit mindestens 2 Millionen Jahren nicht mehr auf der Erde gegeben. Viele der Veränderungen, die durch den Treibhausgasausstoß verursacht worden sind, seien irreversibel. Die Schäden würden erst nach Jahrhunderten und Jahrtausenden verschwinden.

Es heißt im UN-Bericht aber auch, dass befürchtete Konsequenzen wie ein rascher Kollaps der Eiskappen der Pole oder plötzliche Änderungen Änderungen der Meeresströmungen als eher unwahrscheinliche Ereignisse eingestuft werden. Ausgeschlossen werden könnten solche Vorgänge mit fatalen Folgen aber auch nicht. Vorkehrungen seien erforderlich.  

Küstendirektorat bereitet Küstenschutz vor

Das dem Umweltministerium zugeordnete dänische Küstendirektorat hat 2020 einen Bericht zu den Herausforderungen veröffentlicht, die in den Küstengebieten in den kommenden Jahrzehnten aufgrund steigenden Meeresspiegels und stärkeren Stürmen und Sturmfluten gemeistert werden müssen.

Gefahr am Wattenmeer bestritten

Der Projektleiter und Chef der Abteilung Küstentechnik der im westjütischen Lemvig angesiedelten Behörde, Per Sørensen, hat bisher für den Bereich des dänischen Wattenmeeres akute Gefährdungen für die Marschen bestritten. Allerdings gibt es Handlungsbedarf an Deichabschnitten, die wie beispielsweise auf der Ostseite der Insel Röm (Rømø) oder bei Ballum deutlich weniger erhöht worden sind als Deichlinien wie zwischen Emmerleff (Emmerlev) und Rodenäs (Rodenæs) bei Hoyer. Der Deich bei Hoyer erhielt 1981 eine Höhe von 7,45 Metern über Normal Null, während auf Röm und bei Ballum eine Höhe von 6 Metern bisher für ausreichend erklärt wurde. Handlungsbedarf gebe es nur dort, wo große Siedlungen und Gewerbe in Gefahr schwebten.

Kommunen müssen Vorsorge treffen

Forscher der Universität Kopenhagen hatten vor Jahren auch darauf hingewiesen, dass sich bei Röm das Niveau des Watts parallel zum Meeresspiegelanstieg erhöht hat, quasi durch Sedimentation „mitgewachsen“ ist. Für den Bereich der Ostseeküste zwischen Aarøsund und der Flensburger Förde sollten die Kommunen nach Ansicht des Küstenschutzexperten des Küstendirektorates, Torsten Piontkowitz, bei der Planung von Neubauten die in den kommenden Jahren steigenden Wasserstände berücksichtigen.

Küstenschutz nötig

Empfohlen werden auch Küstenschutzmaßnahmen, die entlang der Küsten nicht nur aus Sturmflutmauern und Deichen bestehen sollten, sondern auch in Form von Strandparks zugleich Raum für Erholung und Freizeit liefern. Piontkowitz warnt aber, dass gerade im Bereich der Meerengen und Förden wie am Kleinen Belt und im östlichen Nordschleswig mit extrem hohen Wasserständen gerechnet werden muss, wenn Oststürme in Kombination mit „Rückschwappeffekten“ in der Ostsee auftreten, die nach vorangegangenem Starkwind aus West oder Nordwest auftreten.

Vor allem Stadtbereiche an Förden sind in Gefahr, was in Apenrade schon zu Baumaßnahmen am Hafen und an der Mündung der Mühlenau geführt.  hat. Piontkowitz erinnert daran, dass es auch schon vor dem Meeresspiegelanstig durch Erwärmung des Erdklimas im Jahre 1872 ein bisher noch nicht übertroffener extrem hoher Flutpegel mit schweren Verwüstungen und Todesopfern aufgetreten ist.

 

1825 kamen fast alle Bewohner der damals noch 12 Warften der Hallig Südfall bei der verheerenden Sturmflut ums Leben. Die künstlich aufgeschütteten Erhebungen konnten den Fluten nicht standhalten. Die heutige Warft und das darauf stehende Gebäude wurden 1828 errichtet, die Warft wird bei Sturmfluten ganz von Wasser umspült, während die kleine Insel überflutet wird. Foto: Volker Heesch

 

Im Bereich des Wattenmeers werden in Schleswig-Holstein bereits seit Jahren neue „Klimadeiche“ gebaut. Dabei werden die Deiche zunächst verbreitert, was in kommenden Jahrzehnten Deicherhöhungen ermöglicht, ohne dass zuvor aufwändig komplette Neubauten aufgespült werden müssen.

In Nordschleswig auch Landsenkung

Das Küstendirektorat dürfte sich angesichts des neuen UN-Berichtes veranlasst sehen, ihre Vorsorgepläne zu überarbeiten. Laut UN-Bericht ist von 1901 bis 2018 der Meeresspiegel um 0,2 Meter gestiegen. Der Anstieg habe sich allerdings nach der Jahrtausendwende deutlich beschleunigt. In Nordschleswig ist das Thema sehr beunruhigend, weil es neben dem steigenden Meeresspiegel durch Abschmelzung von Eis das Phänomen eines sinkenden Erdniveaus durch geologische Ausgleichsbewegungen als Konsequenz des Schmelzens skandinavischer Gletscher seit dem Ende der jüngsten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren gibt. Das Land sinkt um 0,1 Millimeter pro Jahr. Problematisch ist auch, dass es schwieriger wird, die Niederungen wie bei Tondern künftig zu entwässern, wenn der Meeresspiegel weiter steigt.      

 

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