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Klimawandel: Warum Dänemark abkühlen könnte, obwohl es heißer wird

Klimawandel: Warum Dänemark abkühlen könnte, obwohl es heißer wird

Warum Dänemark abkühlen könnte, obwohl es heißer wird

Kopenhagen
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Das Meer sorgt mit seinen Strömungen für einen Ausgleich der Oberflächentemperaturen auf der Erde. Foto: Adobe Stock

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Temperaturen wie in Trondheim, obwohl sich die Erde aufheizt. Das geht. Wie, verrät der Geologe Christian J. Bjerrum.

Wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung berichtet, hat die Atlantische Umwälzströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC), zu der auch der Golfstrom gehört, möglicherweise an Stabilität verloren. Der Golfstrom ist für Europa von großer Bedeutung. Eine nur noch schwache Umwälzströmung mit einem schwachen Golfstrom hätte für Dänemark erhebliche Folgen, das Klima würde sich deutlich abkühlen. Darauf weist Christian J. Bjerrum hin, Professor für Geologie am Institut für Geowissenschaften an der Universität Kopenhagen.

Die Atlantische Umwälzströmung transportiert laut Institut für Klimafolgenforschung warme Wassermassen aus den Tropen an der Meeresoberfläche nach Norden und kaltes Wasser am Meeresboden nach Süden. Das warme Wasser aus dem Süden sorgt für die relativ milden Temperaturen in Europa. Außerdem beeinflusst die Umwälzströmung Wettersysteme weltweit.

Der Golfstrom als Teil der Atlantischen Umwälzströmung gilt als Zentralheizung Europas. Würde der Golfstrom in den postulierten schwächeren Zustand wechseln, würde es vermutlich merkbar kühler in Dänemark. Foto: Adobe Stock

„Die AMOC ist eines der wichtigsten Zirkulationssysteme unseres Planeten", sagt der Autor der Studie, Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der Freien Universität Berlin und der Universität Exeter.

Die AMOC ist eines der wichtigsten Zirkulationssysteme unseres Planeten.

Niklas Boers, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Er führt aus: „Wir wissen bereits aus einigen Computersimulationen und aus Daten der Erdvergangenheit, sogenannten Paläoklima-Proxy-Records, dass die AMOC neben dem aktuellen starken Zustand auch einen alternativen, wesentlich schwächeren Zustand einnehmen kann. Diese Bi-Stabilität bedeutet, dass grundsätzlich auch abrupte Übergänge zwischen den beiden Zirkulationsmodi möglich sind.“ Boers geht aber nicht davon aus, dass der Golfstrom als kleiner Teil des atlantischen Zirkulationssystems komplett zum Erliegen kommt.

Daten deuten auf Verlust an Stabilität hin

Die jetzige Schwäche der Umwälzströmung war bekannt. Wie der dänische Geologe Christian J. Bjerrum zusammen mit anderen Forschern vor einiger Zeit herausfand, unterliegt die Umwälzströmung einem Zyklus. Sie schwächt sich ab und legt wieder zu in einem Zeitraum von 300, 700 und 1.000 Jahren.

„Es gibt eine gewisse Variabilität“

Geologe Christian J. Bjerrum

„Es gibt eine gewisse Variabilität“, so Bjerrum, „die Frage ist, ob die jetzige Abschwächung innerhalb der Variabilität liegt oder ob sie ein Zeichen dafür ist, dass die Umwälzströmung an Stabilität verliert. Die Daten von Niklas Boers deuten auf einen Verlust der Stabilität hin“, so Bjerrum. „Was wir jetzt brauchen, ist ein extra Forschungseinsatz.“

Die Arbeit von Niklas Boers und weiteren Wissenschaftlern ist im renommierten Fachblatt „Nature climate change“ erschienen und somit von anderen Wissenschaftlern begutachtet worden. Boers hat vorliegende Daten von Meeresoberflächentemperaturen (ab 1870) und des Salzgehaltes (ab 1900) für seine Modellierungen genutzt.

Wie das Institut für Klimafolgenforschung erläutert, kann die Umwälzströmung nach dem Durchlauf eines Schwellenbereichs in einen zweiten Zustand umkippen, in dem die Strömung deutlich langsamer zirkuliert. Ein Grund für die Abschwächung der Zirkulation ist die höhere Temperatur in der Arktis, die zu einem vermehrten Abschmelzen des Eises führt, was im Nordatlantik für mehr Schmelzwasser sorgt. Dieses Süßwasser ist leichter als Salzwasser und verhindert als eine Art Deckel, dass Salzwasser abkühlt, zu Boden sinkt und nach Süden weiterströmt, was aber dazu beiträgt, den Wasserkreislauf in Gang zu halten.

Dann müsste man schauen, was man noch anpflanzen kann.

Christian J. Bjerrum, Professor für Geologie am Institut für Geowissenschaften, Universität Kopenhagen

Kühler statt wärmer

So könnte das Aufheizen des Planeten für Dänemark das Gegenteil bedeuten. Gerät die Atlantische Umwälzströmung in den Zustand einer verminderten Umwälzung, würde dies den Golfstrom so abschwächen, dass es laut Bjerrum in Nordwesteuropa im Mittel um 2 bis 3 Grad kühler werden würde. „Das ist in etwa das Klima, das in Trondheim herrscht“, so Bjerrum. Die Folgen für Dänemark, für die Landwirtschaft wären enorm. „Dann müsste man schauen, was man noch anpflanzen kann.“ Niklas Boers spricht auch von einigen wenigen Grad, die es in Dänemark kälter werden könnte. Zudem könnte es trockener werden.

Einen Deckel von Süßwasser, der die Umwälzströmung blockiert, gab es schon einmal. Zum Ausgang der letzten Eiszeit, als das Klima für den Menschen recht zügig freundlicher wurde, gab es einen schnellen Rückschritt. Diese Zeit wird Jüngere Dryas genannt. Süßwasser aus dem heutigen Kanada, das beim Abschmelzen der kontinentalen Eismassen entstand, blockierte damals das Absinken des salzreichen Wassers im Nordatlantik.  

Eher Jahrzehnte als Jahrhunderte

Wie schnell die Atlantische Umwälzströmung in ihren schwächeren Zustand wechselt, ist laut Bjerrum nicht abschließend geklärt. Es seien aber vermutlich eher Jahrzehnte als Jahrhunderte, schätzt er.

Während es in Dänemark beim Abschwächen des Golfstromes kühler wird, werden sich die Tropen und Subtropen deutlich aufheizen. Heutzutage gleichten sich die Temperaturen gleichermaßen durch Wasserströmungen und Luftzirkulation aus, erläutert Bjerrum. Mit einer Abschwächung der Umwälzströmung werde die Atmosphäre den Ausgleich mehr übernehmen – mit Stürmen.

Stürme heftiger und häufiger

Herbst und Winterstürme würden in Dänemark stärker und häufiger, so Bjerrum, der sich auch mit Schichtungen von Ozeanen im Erdmittelalter beschäftigt. Das Wesen der Schichtung ist eine biologisch reichhaltige obere Schicht und eine lebensfeindliche untere Schicht – was für die gesamte Erde Folgen hat. Für den gesamten Atlantik befürchtet er keine solche Schichtung, sollte die Umwälzströmung schwach werden, aber eine Zunahme der sauerstofffreien Zonen in den Tropen und Subtropen.

Ergänzt am Montag, 16. August, 15.00 Uhr

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