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So funktioniert Landwirtschaft mit Gewässerschutz

So funktioniert Landwirtschaft mit Gewässerschutz

So funktioniert Landwirtschaft mit Gewässerschutz

Frank Jung, shz.de/dodo
Flensburg/Flensborg
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Pflanzen auf einem Feld
Neue Wege für eine Landwirtschaft in besserem Einklang mit der Natur: Dafür hat ein dreijähriger Versuch in der Schleiregion Erfahrungen gesammelt. Foto: Steven Weeks/Unsplash

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Meer und Binnengewässer in Schleswig-Holstein sind massiv durch Auswaschungen von Nitrat und Phosphor aus der Landwirtschaft belastet. Das lässt sich mit nur leichten Ertragseinbußen auch unter Beibehaltung konventioneller Wirtschaftsweise ändern. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsprojekt der Kieler Universität in der Schleiregion.

Für Schleswig-Holsteins grüne Umwelt-Staatssekretärin Katja Günther ist es „ein Wegbereiter für Qualitätsverbeserungen der Ostsee auch anderenorts“. Die Erfahrungen könnten „einfließen in die derzeitigen Beratungen der Landesregierung mit der Landwirtschaft über Zielvereinbarungen für geringere Nährstoffeinträge ins Meer“. Diese Verträge gelten als eines der wichtigsten Instrumente des Aktionsplans Ostseeschutz.

„Dritter Weg“ zwischen konventionell und Öko

Was die Staatssekretärin so anpreist, sind die Erfahrungen eines dreijährigen Agrar-Modellprojekts in der Schleiregion. Im Auftrag des Umweltministeriums haben die Kieler Universität, die Landwirtschaftskammer, der Naturpark Schlei und der Deutsche Verband für Landschaftspflege dort einen „dritten Weg zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft“ getestet. So nennt es Professor Friedhelm Taube von der Uni-Abteilung Grünland und Futterbau. Dabei etwickelten die Wissenschaftler ein Patentrezept, wie sich bei nur leichten Ertragseinbußen große Potenziale für mehr Gewässerschutz heben lassen.

Der weitaus größte Teil der schleswig-holsteinischen Ostsee und der Binnengewässer verfehlt die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie bei Weitem. Die Belastung der Schlei übersteigt die Grenzwerte sogar um das Doppelte.

„Gelöst werden können die Probleme nur gemeinsam mit der Landwirtschaft“, lautet Günthers Credo. Deshalb habe das Forschungsprojekt auf Input aus der Praxis gesetzt.

30 Höfe zwischen dem Schleswiger Umland und dem Raum Kappeln haben mitgemacht. „Für die Mehrzahl der Betriebe konnten deutliche Verbesserungen der Nähstoffbilanzen festgestellt werden“, resümiert Uwe Latacz-Lohmann, Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre und Produktionsökonomie.

Monotone Anbau-Reihenfolge aufbrechen

Als Schlüssel zum Erfolg hat sich erwiesen, die übliche gleichförmige Anbau-Reihenfolge aus Mais einerseits oder Winterweizen, Raps und Gerste andererseits zu durchbrechen. „Diese Pflanzen hinterlassen viel zu viel Stickstoff im Boden, der dort auch nach der Ernte zurückbleibt und dann in Gewässer ausgewaschen wird“, erklärt Taube.

Im Feldversuch an der Schlei wurden weitere Pflanzen hineingenommen und in verschiedenen Szenarien zusammengestellt. Teils kamen noch Blühstreifen hinzu. In einigen Varianten wurde weniger gedüngt, in anderen normal, in wieder anderen gar nicht.

Wunderwaffe Kleegras über den Winter

Als „Minimallösung“ hat sich für Taube die Empfehlung herauskristallisiert, dass Mitte August eine Zwischenfrucht wie Kleegras ausgesät wird. „Sie kann im Herbst den gesamten überschüssigen Stickstoff aufnehmen und über den Winter konservieren“, erläutert der Forscher. „Im Idealfall bleibt ein Boden sogar zwei oder drei Winter unter Kleegras“, propagiert er. Es müsse ja nicht gleich die gesamte Ackerfläche eines Betriebs sein „Es reicht ja schon, wenn ein Betrieb 30 bis 50 Prozent der Maisfläche mit Kleegras belegt - und dann statt 30 Kilogramm Stickstoffauswaschung pro Hektar unter Mais nur drei Kilogramm unter Kleegras auftreten.“

Getreideaussaat im Frühjahr statt im Herbst

Winterliche Kleegras-Phasen lassen sich jedoch nur einrichten, wenn im Herbst nicht für Weizen & Co umgepflügt wird. Also muss die Getreideaussaat dafür vom traditionellen Herbstdatum zum Teil aufs Frühjahr umgestellt werden. Diese Sommerungen sind eigentlich bei Bauern weniger beliebt, denn sie bringen geringere Erträge. Jedoch erfährt Sommergetreide steigenden Zuspruch, weil Wintergetreide durch den Klimawandel Schwierigkeiten hat.

Grünfutter für Stallkühe

Nach den Kleegras-Phasen und einer Sommersaison mit Hafer ist der Boden so erholt, dass sich für die zwei nächsten Jahre wieder Wintergetreide anbietet. Eine Möglichkeit, um das Kleegras zu verwerten, sehen Taube und Latacz-Lohmann in Form von Futter für Milchkühe. Dazu seien Kooperationen zwischen Ackerbauern und Viehhaltern gefragt.

Bis zu 15 Prozent weniger Ertrag

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich ihr Modell im mehrjährigen Mittel mit Ertragseinbußen von zehn bis 15 Prozent fahren lässt. „Gegenüber stehen dem Reduktionen an Stickstoff und Phosphor in erheblichem Ausmaß“, erklären die Wissenschaftler. Gesetzt ist für die Professoren: In die breite Anwendung käme ihr Konzept nur, wenn die Bauern die Ertragslücke monetär auffangen können.

 

Spareffekt bei gesellschaftlichen Kosten

Letztlich bedeutet das Steuermittel - aber die Professoren werben dafür mit einem übergeordneten Einspar-Effekt. Sie haben im Testlauf an der Schlei errechnet: Durch das Mehr an Gewässerschutz ließen sich gesellschaftliche Kosten von 115,50 Euro pro Hektar und Jahr sparen. Diese Kalkulation ergibt sich aus den reduzierten Umweltbelastungen durch Stickstoff und Phosphor.

Gewinn auch für den Klimaschutz

Noch besser wird die Rechnung, bezieht man den Nutzen für den Klimaschutz ein. „Kleegras speichert fünf bis sechs Tonnen mehr CO2 im Boden als Mais oder Getreide“, sagt Taube. Dies eingepreist, würden weitere gesellschaftliche Kosten von 125 Euro pro Hektar und Jahr vermieden.

Käme eines Tages eine CO2-Bepreisung auch für die Landwirtschaft, sehen die zwei Agrarprofessoren Kleegras-Anbau auch in diesem Kontext als Einnahmemöglichkeit für Bauern: Sie könnten sich dann für die CO2-Einlagerung im Boden Zertifikate ausstellen lassen und damit handeln.

Taube betont: „Man kann einem Landwirt nicht vorwerfen, wenn er heute Mais anbaut. Denn die vermiedenen Kosten wie wir sie im Konzept an der Schlei erprobt haben, werden ihm nicht bezahlt. Also müssen wir sie ihm bezahlen.“

Vorschlag einer neuen Öko-Regelung

Taube und Latacz-Lohmann werben beim Kieler Landwirtschaftsministerium dafür, für Bauern, die ihr Modell umsetzen, eine weitere so genannte Öko-Regelung einzuführen. Die müsste dann einem bereits existierenden Katalog mit Angeboten anderer Öko-Vergütungsregeln für Landwirte hinzugefügt werden.

Vergütung nach Gemeinwohlprämie

Das Schleiprojekt hat dazu eine Abrechnung nach dem Modell der Gemeinwohlprämie praktiziert. Es wird in der Agrarpolitik als Alternative zu den bisherigen, vor allem an Fläche ausgerichteten EU-Agrarprämien diskutiert. Dabei sammeln Landwirte Punkte für freiwillige Leistungen, die Gewässer-, Artenschutz, Tierwohl oder Klima zugute kommen und dann honoriert werden.

Abrechnung per Hoftor-Bilanz

Der Schlei-Versuch hat das bürokratiearm über die so genannte Hoftor-Bilanz gemacht. Vereinfacht ausgedrückt, wird dabei der je Betrieb der Input von Nährstoffen dem Output gegenübergestellt. Das bildet dann auch die Dünge-Bilanz ab und kann aus Sicht der beide Professoren eine Alternative zu den komplizierten Vorgaben der heutigen Düngeverordnung sein.

„Wir haben jetzt bei 30 Betrieben gesehen, dass diese Hoftorbilanz sehr einfach zu erheben ist“, betont Taube. „Zwei Drittel der beteiligten Landwirte haben damit dokumentiert, dass sie schon heute Vorgaben erfüllen, die rechtlich erst für 2030 definiert sind.“

Die weitere Schlussfolgerung des Wissenschaftlers Richtung Agrarpolitik: „Landwirte können mit der Hoftorbilanz einfach zeigen, wenn sie gut wirtschaften. Damit schützt man mit wenig Aufwand die gute Landwirtschaft. Deshalb wäre es klug, wenn sich auch die berufsständischen Verbände dafür einsetzen würden und nicht sagen würden, das sei zusätzliche Bürokratie.“

Auch nördlich der Grenze brennt der Baum

In Dänemark sieht die Lage im Hinblick auf Gewässerqualität nicht besser aus. Aus einem jüngsten Bericht der Universität Aarhus geht hervor, dass die Sauerstoffarmut in den dänischen Gewässern derzeit die schlimmste seit 22 Jahren ist – nur übertroffen vom Rekordjahr 2002. Die Meeresfläche, in der Sauerstoffmangel herrscht, hat demnach inzwischen die Größe von Seeland und Fünen erreicht. Auch die Förden in Nordschleswig sind schwer betroffen.

Der Bericht kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die politischen Verhandlungen über das Grüne Dreiparteienabkommen in vollem Gange sind. Mehr als 15 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Dänemark müssen stillgelegt werden, um mehr Wald und Natur zu schaffen und nicht zuletzt die landwirtschaftlichen Stickstoffemissionen in die Gewässer zu reduzieren.

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Leitartikel

Gerrit Hencke
Gerrit Hencke Journalist
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