Leitartikel

„Papes Hochzeitsgeschenk“

Papes Hochzeitsgeschenk

Papes Hochzeitsgeschenk

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Kopenhagen
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Der Vorsitzende der Konservativen, Søren Pape Poulsen, hat Ambitionen, den Posten als Staatsminister zu übernehmen. Dabei sei es schlau, dass er erst einmal leise tritt, meint Seniorkorrespondent Siegfried Matlok. 

Der konservative Parteivorsitzende Søren Pape hat in den Weihnachtstagen still und heimlich seinen langjährigen Lebensgefährten, seinen seit 2015 mit ihm Verlobten und aus der Dominikanischen Republik stammenden Josue Medina Vasquez geheiratet. Glückwunsch an Pape, der am Silvestertag 50 Jahre alt wird und für „später“ die kirchliche Trauung angekündigt hat. Vielleicht als Staatsminister, denn als „Hochzeitsgeschenk“ an das dänische Volk sandte Pape in den Weihnachtstagen jene fröhliche Botschaft, auf die seine konservative Wählerklientel seit langem gewartet hat – umschrieben mit den Worten: Ich bin bereit!

Überraschend kam diese Meldung aber nicht – aus zwei Gründen: erstens hat Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) ihren absoluten Führungsanspruch in der dänischen Politik nicht zuletzt im Zuge der sie noch immer schwer belastenden Nerz-Affäre eingebüßt, also ist das Rennen zwischen dem sogenannten roten und blauen Block wieder offen, und Papes Konservative haben seit der letzten Folketingswahl bei Meinungsumfragen in der Gunst der Wählerschaft kräftig zugelegt – ja sie haben sogar den bürgerlichen „Erzfeind“ Venstre überholt. Das lässt natürlich Ansprüche zu und weckt Begehrlichkeiten, die der ehemalige Viborger Bürgermeister auf Dauer nicht von sich weisen kann, zumal er ja den „Godfather“ der Konservativen, Poul, Schlüter, zitiert, der noch kurz vor seinem Tode die machtpolitischen Hoffnungen seiner Partei mit den Worten prognostizierte, dass „eines Tages“ wieder ein Konservativer Dänemarks Staatsminister sein wird.

Eines Tages? Pape ist klugerweise vorsichtig, denn keiner kann ja wissen, wie die nächste Folketingswahl ausgehen wird, die vermutlich erst 2023 stattfinden wird. Der bisherige bürgerliche Oppositionsführer Jacob Ellemann-Jensen kann sich zwar (notgedrungen) auch vorstellen, eines Tages selbst unter Papes Regie zu dienen, aber er hat seine eigenen Ambitionen gewiss nicht aufgegeben. Trotz des „lebensgefährlichen“ Blutsturzes seiner Partei durch die Abgänge von Lars Løkke, Inger Støjberg und Tommy Ahlers ist es ihm – wahrlich eine Überraschung für die meisten Kommentatoren – gelungen, 2021 die Venstre-Partei zu stabilisieren und bei der Kommunalwahl landesweit erstaunlich gut abzuschneiden. Pape ist also gut beraten, sich nicht schon jetzt als Staatsminister-Kandidat auszurufen. Er hat deshalb den diplomatischen Weg gewählt, darauf hinzuweisen, dass ja nicht unbedingt der Spitzenkandidat der größten Partei nach der nächsten Wahl den bürgerlichen Staatsminister stellen wird. Heißt mit anderen Worten, selbst wenn Papes Partei hinter Ellemann-Jensens liegen sollte, dann hätte er dennoch eine faire Chance, denn schließlich käme es darauf an, wer von den beiden die Mehrheit der bürgerlichen Mandate hinter sich vereinigen könnte – wenn es denn überhaupt nach der nächsten Wahl für einen Regierungswechsel reichen würde.

Dass Pape gerade auf diese Konstellation verweist, hängt wiederum mit einem bestimmten Namen zusammen – mit dem legendären Poul Schlüter, dem ersten konservativen Staatsminister seit dem Systemwechsel 1901. Als die sozialdemokratische Minderheits-Regierung Anker Jørgensen 1982 gescheitert aufgab und freiwillig ohne Neuwahlen die Regierungsgeschäfte abgab, da hatte Venstre schon nach der Folketingswahl 1981 als stärkste bürgerliche Kraft den Staatsminister-Posten für sich beansprucht. Auf dem heimischen Sofa des CD-Vorsitzenden Erhard Jakobsen in Bagsværd, der als bürgerlicher  „Heiratsvermittler“ auftrat,  nahm jedoch überraschend dessen  früherer Vizebürgermeister in Gladsaxe, Poul Schlüter, Platz. Der Konservative fand die ausschlaggebende Unterstützung von Erhard, der sich also für die Nummer zwei, Schlüter, entschied – gegen Venstres Henning Christophersen. Was sich übrigens dann in den 80er Jahren als ein Glücksfall für das bürgerliche Dänemark erwies.

Papes Botschaft ist deshalb freundlich, aber kämpferisch zugleich: An mir kommt keiner vorbei, wenn es nach der Wahl für eine bürgerliche Mehrheit reicht. Im strategischen Kalkül von Pape steckt dabei auch, dass Ellemann bei zwei der kommenden Partner hohe Glaubwürdigkeit verloren hat – sowohl bei Dansk Folkeparti als auch bei Ny Borgerlige, die Ellemanns Entscheidung, mit Venstre für ein Reichsgerichtsverfahren gegen die eigene Ex-Ministerin Inger Støjberg anzutreten, regelrecht als Verrat betrachten.  Und hier kommt just Støjberg ins Bild. Man stelle sich einmal vor, dass sie sich als Vorsitzende von DF zurückmeldet? Nach dem Gefängnis-Urteil zwar eher unwahrscheinlich, aber eine Rückkehr mit einer eigenen Støjberg-Liste ist keineswegs auszuschließen. Vielleicht sogar mit entscheidenden Mandaten, die gewiss nicht für Ellemann als Staatsminister optieren. Und was ist mit Lars Løkke, der mit seinen Moderaten auf ein Comeback hofft. Wird er gegebenenfalls seinen Venstre-Nachfolger favorisieren, oder geht es Løkke nur um machtpolitische Interessen – für die eigene Person? Außerdem gibt es ja noch einen Außenseiter, den man unbedingt ins Boot holen muss, wenn eine Wachablösung überhaupt realistisch sein soll: die Radikale Venstre, von der man ja nicht wissen kann, wo sie „eines Tages“ stehen wird.

Søren Pape sollte sich 2022 seinen Herzenswunsch erfüllen und im Dom zu Viborg auch kirchlich trauen lassen.

Die bürgerliche Kabale und Liebe muss erstmal warten!

 

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