Presseverein

„Wir machen etwas Besseres“

„Wir machen etwas Besseres“

„Wir machen etwas Besseres“

Apenrade/Aabenraa
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Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Foto: Karin Riggelsen

Chefredakteur Nissen schilderte „Nordschleswiger“-Strategie auf der Presseverein-Generalversammlung. Aus Kirchenkreisen wurden erneut Bedenken geäußert, worauf sich eine lange Debatte entspann.

Chefredakteur Gwyn Nissen hat die Generalversammlung des Deutschen Pressevereins für Nordschleswig am Dienstagabend dazu genutzt, die Strategie der Zeitungsleitung für die kommenden Jahre zu erläutern. „Wir machen keinen Ersatz für die Papierzeitung, sondern wir machen etwas Besseres“, sagte er im Sitzungssaal des Medienhauses in Apenrade.

 „Im ,Nordschleswiger' steckt richtig viel Herzblut – von den Mitarbeitern und früheren Angestellten, das der Leser und der Volksgruppenangehörigen“, so Nissen. Doch die Minderheit ändere sich strukturell enorm, davon seien alle Verbände betroffen. Für den „Nordschleswiger“ als Papierzeitung heiße dies, er sei nur noch für „eine Minderheit in der Minderheit“ der viel zitierte „Kitt“.

Generationenübergreifend und eine Frage der Gewohnheit

Die Digitalisierung könne „nicht alle Probleme lösen“, sei jedoch  als einzige Alternative „generationenübergreifend, was man schon seit vielen Jahren von der Papierzeitung nicht mehr sagen kann“. „Aus meiner Sicht sind die Inhalte am wichtigsten – unabhängig davon, ob sie auf Papier oder im Netz erscheinen. Das sind eher Gewohnheiten, aber die kann man ändern“, so Nissen, der von Lesertreffen berichtete und der großen Bereitschaft, daran konstruktiv kritisch teilzunehmen.

Die Zeitung werde, so Nissen, entgegen der Erwartung vieler Leser mit zunehmender Digitalisierung viel persönlicher. Als Beispiel nannte er den wochentäglichen Newsletter, der die Empfänger persönlich begrüßt und anspricht und viel Lob erhalten hat.

 „Und was wir auch nicht vergessen dürfen – vor allem hier beim „Nordschleswiger“: Wir sind privilegiert, dass wir diesen Schritt überhaupt gehen können, weil der Hauptvorstand hinter uns steht. Mitarbeiter anderer Medien haben nicht das gleiche Glück, und es gibt nicht wenige Führungskräfte in den dänischen Medien, die uns darum beneiden, weil sie den Kampf gegen das Zeitungssterben gerade verlieren“, so Nissen, der seinen Mitarbeitern, die derzeit wegen der gleichzeitigen Produktion einer Tageszeitung und einer Webseite unter erheblicher „Mehrbelastung“ arbeiten müssten, für ihren Einsatz dankte und von den zahlreichen Fortbildungsmaßnahmen berichtete, die durchgeführt werden und wurden.

Viele Kirchenvertreter mit Sorgen

Die mit Abstand größte Gruppe in der Versammlung am Dienstag bildeten Pastoren und Vertreter der Kirche. Sie hatten sich vor etwa einem Jahr  aus der Zusammenarbeit der Verbände beim Erneuerungsprozess des „Nordschleswigers“ ausgeklinkt und nutzen den Abend,  um  erneut auf ihre Ablehnung, die Papierzeitung einzustellen, aufmerksam zu machen und zumindest eine Wochenzeitung zu fordern.

Hintergrund: Im vergangenen Sommer ist nach gleichlautenden Beschlüssen bei der Delegiertenversammlung des BDN und der Generalversammlung des Pressevereins sowie schließlich des Haushaltsseminars aller Verbände der Minderheit vom Hauptvorstand des BDN entschieden worden, dass „Der Nordschleswiger“ vom 4. Februar 2021 an ein primäres Online-Medium werden soll mit einer monatlichen Papierausgabe als Zusatz – ohne dass am journalistischen Umfang gespart werden soll.

An der falschen Adresse

Nissen sagte an diejenigen gewandt, die das Aus der Zeitung in Papierform nicht hinnehmen wollen: „Wenn ihr ein Paket wieder aufschnüren wollt, geht es nicht über den Presseverein, sondern über den BDN, das gehört nicht hier hin. Es ist aber nicht mein Eindruck, dass es im Hauptvorstand überhaupt irgendwo Initiative gibt, dieses Paket noch mal aufzumachen.“ Dennoch folgten mehr als 30  Wortmeldungen, fast alle zu diesem Thema, die teils von Nissen und seinen Kollegen, teils von den ebenfalls anwesenden Hinrich Jürgensen (BDN-Hauptvorsitzender) und Uwe Jessen (BDN-Generalsekretär) beantwortet wurden.

Der ehemalige Hauptvorsitzende des BDN, Hans-Heinrich Hansen, sagte, die Papierzeitung erreiche sehr wohl noch den Kern der Minderheit, denn „der Kern in der Minderheit sind für mich die, die den „Nordschleswiger“ halten. Es ist aber alles abgewiesen worden, und deshalb haben viele das Gefühl, sie werden nicht gehört.“

Hinrich Jürgensen betonte erneut, dass er zu der Entscheidung stehe und sie weiterhin für richtig halte. „Wir haben aber den Fehler gemacht, dass wir dachten, der Prozess sei richtig. Das war er dann aber nicht. Er war nicht lang genug, aber es war nicht so, dass wir im stillen Kämmerlein saßen.“

Antworten auf Fragen und Vorwürfe

„Wir haben zu wenige Zeitungsleser, um Zeitung zu machen. Deswegen konzentrieren wir uns auf die, auf die die Minderheit in der Zukunft baut und die ältere Generation, die mitmacht“, sagte Nissen, auch  in Bezug auf die Rede der Pressevereins-Vorsitzenden Elin Marquardsen, die von deutlich steigenden Nutzerzahlen auf der Internetseite berichtet und Zielgruppen für den „Nordschleswiger“ definiert hatte.

An den Sozialdienst gewandt, dessen Abteilungsleiter Hans Grundt anwesend war, sagte Nissen: „Ich sage es auch immer Gösta (Toft, Vorsitzender Sozialdienst, Red.): Wenn alle deine 5.000 Mitglieder ein Abo hätten, dann hätten wir ja kein Problem. Das würde ich auch gerne von der Kirche wissen. Wie groß ist das Problem eigentlich?“ Er wünschte sich, wie Marquardsen, genaue Zahlen über diejenigen, die nicht in der Lage oder willens sind, den „Nordschleswiger“ digital zu lesen. Für sie müssten und würden dann Lösungen gefunden werden.

Lob für die Mitarbeiter

Unterstützung kam für den eingeschlagenen Weg von BDN-Hauptvorstandsmitglied Hans-Iver Kley: „Gwyn, du machst es super, du bist so oft angegriffen worden, das finde ich traurig. Wir müssen uns auch bei den Mitarbeitern bedanken“, so Kley, der sagte, dass er sich durchaus zur Kernminderheit zugehörig fühle, auch wenn er den „Nordschleswiger“ nicht in Papierform abonniert habe. Seine Kinder, so Kley, würden den „Nordschleswiger“ auch nicht in Papierform nutzen – aber sehr oft „Nordschleswiger“-Geschichten in den sozialen Medien entdecken. Und an die Kirchenvertreter gewandt sagte er: „Wenn ihr sagt, dass wir diesen Beschluss nicht im Hauptvorstand treffen können, wo dann? Der Hauptvorstand ist ein Spiegel der Minderheit, deshalb kann ich die Kritik von der Kirchenseite nicht ganz nachvollziehen. Die Zahl der Leute, die die Kirchenzeitung haben wollen, nimmt doch auch ab!“

Nicht die Zeitung kommt weg – nur das Papier

Zu der von mehreren Anwesenden vorgebrachten Kritik, mit der Papierausgabe des „Nordschleswigers“ werde auch die deutsche Sprache aus dem öffentlichen Raum in Dänemark verschwinden, sagte Jürgensen: „Ich sehe heute mehr Deutsch im öffentlichen Raum als früher. In den sozialen Medien ist durch den ,Nordschleswiger' wesentlich mehr Deutsch als früher zu sehen. Und dann noch zum Prozess: Die Kritik haben wir angenommen. Wir brauchen das Gespräch mit den Verbänden. Wir haben schon jetzt Lesergruppen, wo Leute teilnehmen, mitbestimmen können. Es hat viel mit Gewohnheit zu tun. Die Bedenken sind nachvollziehbar. Aber wir nehmen nicht die Zeitung weg, nur das Papier. Die Neuigkeiten sind immer noch da!“

Kritik kam auch von mehreren Anwesenden dazu, dass die E-Zeitung nicht, wie zunächst angedacht, über das Aus der Papierzeitung hinaus Bestand haben soll. BDN und Zeitungsleitung begründen dies mit einem erheblichen und nicht zu rechtfertigenden finanziellen und arbeitsmäßigen Mehraufwand für eine vergleichsweise geringe Zahl an Nutzern der E-Zeitung – im Vergleich zur Internetseite nordschleswiger.dk.

Digitalisierungsprojekt für die ganze Minderheit

Nissen sagte, im Hauptvorstand sei auch darüber gesprochen worden, dass der „Nordschleswiger“ nicht nur „ein Nachrichtenprojekt, sondern auch ein Digitalisierungsprojekt für die ganze Minderheit“ ist. Jürgensen führte den Gedanken fort: „Der Ortsverein Tingleff hat einen Tag gehabt mit Schülern der Deutschen Schule Tingleff, wo sie Ältere eingeladen haben, um ihnen E-Boks und alles mögliche beizubringen. Das soll super funktioniert haben – und ich fände es toll, wenn wir die Generationen auch so aneinanderbinden können.“ Wozu Uwe Jessen ergänzte: „Ich fände es schön, wenn die Kirche mit dabei wäre, in dem Prozess, wie wir die beste Lösung für alle finden.“

Nachdem der Mitgliedsbeitrag erneut auf 75 Kronen festgesetzt wurde, Carsten Petersen als Revisor bestätigt und Kerstin Hinrichsen aus Rapstedt in den Vorstand des Pressevereins gewählt wurde, sagte Elin Marquardsen abschließend: „Schön, dass alle diese Wortmeldungen gekommen sind. Wir sind wieder ein Stück weitergekommen, ob ihr's nun gewollt habt oder nicht!“

 

 

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