Familienberatung

Karin Hansen: Auch in der Minderheit erleben Frauen häusliche Gewalt

Karin Hansen: Auch in der Minderheit erleben Frauen häusliche Gewalt

Karin Hansen: Häusliche Gewalt auch in der Minderheit

Apenrade/Lügumkloster
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Karin Hansen ist Familienberaterin in Nordschleswig. Foto: Marle Liebelt

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Am 25. November ist Internationaler Tag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Karin Hansen erzählt im Interview, wie die Familienberatung der deutschen Minderheit in Nordschleswig dem Thema in ihrer Arbeit begegnet. 

Karin, du bist Beraterin bei der Familienberatung der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Für wen seid ihr da?

Unser Angebot richtet sich an alle Mitglieder des Sozialdienstes und der angeschlossenen Vereine und Verbände, aber auch an potenzielle Mitglieder. 

Das heißt, jede und jeder aus der Minderheit oder der Region kann sich an euch wenden? 

Genau. 

Beratet ihr ausschließlich auf Deutsch? 

Ja, Deutsch ist immer die Ausgangssprache. Wenn die Gesprächspartner es wünschen, aber auch auf Dänisch oder Sønderjysk.   

Euer Angebot ist breit gefächert. Sei es der Behördengang, eine Rechtsfrage, die finanzielle Situation, Erziehung oder Partnerschaft – ihr seid Ansprechpartnerin für diverse Lebenslagen. Spielt Gewalt eine Rolle? 

Richtig, wir helfen in sehr unterschiedlichen Lagen. Wo wir nicht weiterwissen, kann es aber auch vorkommen, dass wir die Meinung von Expertinnen und Experten einholen. Auch das Thema Gewalt gegen Frauen, aber vor allem häusliche Gewalt allgemein und psychische Gewalt, begegnet uns in unserer Arbeit immer wieder. 

Wie muss ich mir das vorstellen, übernehmt ihr die Aufgaben einer Frauenberatungsstelle?

Wenn man so will, ja. Es gibt hier in Nordschleswig keine explizite Frauenberatung – vor allem nicht auf Deutsch. Das Krisencenter in Apenrade war mal eine, aber inzwischen konzentriert sich die Beratung nicht mehr nur auf Frauen. 

Ist das ein Problem, beziehungsweise schafft das ein Defizit? 

Das würde ich nicht unbedingt sagen. In den meisten Fällen liegt das Problem in der Familien- oder Partnerschaftssituation. Und wir erleben durchaus, dass nicht nur die Frauen betroffen sind.

Diese klassische Situation, die man im Kopf hat, wenn man an häusliche Gewalt denkt, erleben wir nicht direkt. Sprich: Eine Frau wurde verprügelt, greift zum Hörer und sucht den Kontakt zu uns. Das sind Situationen, in denen die Polizei gerufen wird und auch gerufen werden muss. 

In unserer Arbeit begegnet uns das Gewaltproblem nicht so unmittelbar. Meistens erfahren wir erst während der Beratung und mit der Zeit, dass Gewalt eine Rolle spielen könnte. Ein Großteil dabei spielt psychische Gewalt: Mobbing, Kontrolle, Stalking. Physische Gewalt ist eher die Ausnahme.

Wie viel Raum nehmen diese Fälle, in denen Gewalt eine Rolle spielt, in eurer Beratung ein? 

Das ist schwer zu beziffern, aber das Problem ist da.

Welches Milieu ist das?

Häusliche Gewalt ist ein Phänomen, das in allen sozialen Schichten vorkommt. Grundsätzlich würde ich jedoch sagen, dass wir damit öfter in Familien konfrontiert sind, in denen der Bildungsgrad niedriger ist. Dabei spielt Alkohol auch oft eine große Rolle. 

Du meinst, weil Alkohol das Aggressionspotenzial steigert?

Ja. Alkoholkonsum ist besonders hier in Südjütland ein großes Problem. Wir beobachten häufig, dass Frauen ihre Gefühle besser in Worte fassen können als ihre Partner. In Konflikten zu Hause eskaliert der Streit, der Mann verlässt die Situation, weil es ihm schwerfällt, seine Gefühle einzuordnen und zum Ausdruck zu bringen, und es knallen Türen. Nicht selten betrinkt er sich dann aus Frust. 

Wenn der Konflikt aber nicht gelöst ist, kommt es erneut zu einer Auseinandersetzung, und das sind die heiklen Situationen, in denen auch physische Gewalt angewendet wird.   

Dieses Muster kann man nicht auf alle Gewaltsituationen anwenden. Aber es ist nicht selten und erklärt vielleicht auch, dass es nicht immer einfach getan ist mit „Mein Mann schlägt mich.“ 

Aber in dem Bild gerade beschreibst du doch genau das. Ein Mann, der seine Frau schlägt. 

Aber diese Momentaufnahme ist nicht der Grund, warum unsere Beratung wichtig und notwendig ist. Der Grund liegt ja woanders: Die beiden müssen einen Weg finden, gewaltfrei zu kommunizieren. Zum einen, damit ihre Konflikte nicht eskalieren und in Gewalt münden. Zum anderen, weil sie ein Interesse daran haben, Konflikte zu lösen und zusammenzuleben. Sonst wäre die Lösung einfach: Trennung. 

Eine Trennung kann manchmal die richtige Lösung sein. Jedoch ist das Ziel bei Paaren in schweren Lebenslagen oft das Gegenteil: Zusammenbleiben. 

Dabei spielen Kinder dann wahrscheinlich auch eine Rolle, oder?

Nicht immer, aber oft. Sie sind häufig ausschlaggebend dafür, dass man versucht, sich zusammenzuraufen. Und wenn das als Paar nicht funktioniert, müssen sie es trotzdem lernen. Denn für die Kinder ist es am besten, wenn die Elternteile in der Lage sind, ihre Konflikte friedlich zu lösen. Man muss kein Paar sein, aber durch die Kinder bleibt man eine Familie. Es ist völlig normal, dass das ein schwieriger Weg ist. Umso besser, wenn man eine Familienberatung hinzuzieht. 

Wenn eine Situation nun aber gewaltbelastet ist, kann das auch gefährlich sein oder werden. Wie geht ihr damit um, wenn ihr merkt, dass es sich um eine solche Situation handelt? 

Ich muss vorwegnehmen, dass wir das selten erleben. Aber wenn, dann schalten wir die Kommune ein. Wenn wir das Gefühl haben, jemand ist gefährdet, müssen wir das melden. Meistens sind wir dann auch raus aus dem Fall. Auch wenn die akute Gefahr gebannt ist, werden wir in der Regel nicht wieder in die Beratung reingenommen.

Es kann natürlich sein, dass wir für die Familie weiterhin Ansprechpartnerinnen sind. Aber wenn eine Frau oder die Kinder ständig häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, kümmern sich andere Stellen. 

Also arbeitet ihr – was das angeht – eher präventiv?  

Ja. Wir sind eine Beratung in schwierigen Lebenslagen. Wenn wir das Gefühl haben, der Konflikt ist so gewaltvoll, dass wir ihn nicht lösen können, müssen das andere machen. Aber, wie gesagt: In solche Situationen kommen wir wirklich selten. 

Grundsätzlich gilt: Wir sind für alle Ansprechpartner. Es muss nicht die reine Eskalation sein.

Wer einfach ein ungutes Gefühl hat, sich fragt, ob das Verhalten des Partners oder der Partnerin noch okay ist oder schon zu weit geht, kann sich jederzeit mit uns in Verbindung setzen. Manchmal ist es auch das Verhalten des Kindes, das sich verändert, und man weiß nicht warum.

Es schadet nicht, sein Unbehagen jemandem anzuvertrauen. 

Die Familienberatung ist mit sechs Beraterinnern und einem Berater in ganz Nordschleswig im Einsatz. Sie sind am besten montags bis freitags zwischen 8 und 9 Uhr zu erreichen. Das sind die Kontakte vor Ort: 

  • Hadersleben, Rothenkrug, Apenrade: Regin Hansen, Tel. 22 24 88 07

  • Pattburg, Institutionen in Apenrade: Tina Bruhn Hansen, Tel. 22 24 88 01

  • Bülderup, Rapstedt: Lena Meyhoff Hansen,Tel. 22 24 88 04

  • Tondern: Linda Søndergaard Knudsen, Tel. 22 24 88 03

  • Lügumkloster, Hoyer: Ilka Jankiewicz, Tel. 22 24 88 09

  • Sonderburg: Sabine Dehn Frerichs, Tel. 22 24 88 08

  • Tingleff: Karin Hansen Osmanoglu, Tel. 22 24 88 06

Die Familienberatung wird in Anlehnung an die dänische Gesetzgebung und unter Berücksichtigung der Schweigepflicht ausgeführt.

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