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„‚Volksabstimmung‘ und Teilmobilmachung: Russland spricht von einem Krieg gegen den Westen“

Russland spricht von einem Krieg gegen den Westen

Russland spricht von einem Krieg gegen den Westen

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Apenrade/Aabenraa
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Jeder vernünftige Mensch wünsche sich Frieden. Das Kriegsende wird den Frieden definieren, allerdings dürfe nicht der Aggressor entscheiden, wie und wo dieser Krieg endet. Zugeständnisse könne allein die Ukraine machen, mahnt Jan Diedrichsen.

Wladimir Putin hat in einer Ansprache an die Nationen Russlands die Teilmobilisierung der Streitkräfte angekündigt. Die Reservisten, rund 300.000 Mann, sollen demnach umgehend einberufen werden. Putin erklärte ferner, Russland werde die für dieses Wochenende angekündigten Referenden in Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja über den Beitritt zur Russischen Föderation voll unterstützen. Er beschuldigt den Westen, bereits 2014 in der Ukraine einen Krieg gegen Russland begonnen zu haben. Mit seiner aggressiven, antirussischen Politik habe der Westen alle Grenzen überschritten.

Es gibt keinen vernünftigen Menschen, der sich nicht Frieden wünscht. Wir müssen jedoch feststellen, dass das Kriegsende den Frieden definieren wird. Nicht der Aggressor, der Mörder und Vergewaltiger darf entscheiden, wie und wo dieser Krieg endet. Wer fordert, „wir“ müssten Russland Zugeständnisse machen, der irrt. Zugeständnisse könnte allein die Ukraine machen, allein die Ukraine bestimmt die Friedensverhandlungen. Die Ukraine wurde angegriffen, soll vernichtet werden, ihr wird das Existenzrecht abgesprochen.

Immer wieder ist zu lesen, man solle tunlichst wie im deutsch-dänischen Grenzland 1920 die Bevölkerung fragen, was diese wünsche. Auf der Krim habe eine überwältigende Mehrheit für die Wiedervereinigung bzw. Abtretung der Halbinsel an Russland votiert. Das ist falsch, gefährlich und unterstützt das Narrativ des Kremls. Das Referendum 2014 über den Verbleib der Krim war weder demokratisch noch frei. Noch lächerlicher sind jedoch die nun für die nächsten Tage geplanten Scheinreferenden in Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja. Natürlich wird eine überwältigende Mehrheit für einen Beitritt zu Russland stimmen. Es ist geplant, dass die Besatzungsmacht von Haus zu Haus zieht, um die Abstimmungen vorzunehmen. Wer dann die Tür aufmacht und nicht entweder bereits getötet, geflüchtet oder verschwunden ist, wird für die Besatzer stimmen. Es ist eine Farce, eine Fake-Volksabstimmung.

Wladimir Putin und seine Schergen lügen, betrügen, lassen töten, foltern und vergewaltigen. Sie drohen und führen einen aggressiven Energie-Krieg gegen die EU. Aber dennoch versucht die Machtelite in Russland sich in grotesken verbalen Verrenkungen, mit Hinzunahme der geplanten Fake-Referenden, den Schein einer völkerrechtlichen Legitimität zu verschaffen. Der Kreml wird nach den „Referenden“ behaupten, die Ukraine greife Russland an. Das klingt verrückt, ist verrückt – aber sogar der Despot Putin (das gilt für nahezu alle Autokraten und Diktatoren weltweit) will den Schein wahren, man handele dem Völkerrecht entsprechend konform. Der Aggressor sucht die Legitimität seines verbrecherischen Handelns.

Die Ukraine wird weiter kämpfen, sie kämpft um die Existenz als Staat und Nation. Wir sind verpflichtet, den tapferen Männern und Frauen dabei zu helfen, denn sie verteidigen buchstäblich unsere Freiheit. Putin hat es selbst gesagt, er kämpft gegen „den Westen“.

Seit Beginn des Krieges hat der russische Präsident versucht, seine Bevölkerung vor der düsteren Realität des Krieges zu schützen, und der Kreml war bestrebt, in den Straßen Moskaus und anderer Großstädte ein Gefühl der Normalität zu vermitteln.

Doch mit der Entscheidung, eine Teilmobilmachung anzukündigen und 300.000 Männer einzuberufen, wird der Krieg nun in vielen Familien des Landes Einzug halten. Minuten nach der Ankündigung der Teilmobilmachung waren sämtliche Flüge aus Moskau nach Istanbul und Eriwan ausgebucht. Die Russen müssen den Krieg beenden und ihre Machtelite zum Teufel schicken.

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