Deutsche MInderheit

„Wir haben uns als Zeitung verdient gemacht um die deutsche Minderheit und ein gutes deutsch-dänisches Verhältnis“

Für Minderheit und gutes deutsch-dänisches Verhältnis

Für Minderheit und gutes deutsch-dänisches Verhältnis

Apenrade/Aabenraa
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Siegfried Matlok hält wenige Tage vor seinem 75. Geburtstag Rückschau und kommentiert die aktuelle Szene im deutsch-dänischen Grenzland. Foto: Karin Riggelsen

Kurz vor seinem 75. Geburtstag hat Siegfried Matlok journalistisch viele Eisen im Feuer. Der frühere Chefredakteur des „Nordschleswigers“ betont: „Das Recht auf Meinungsfreiheit habe ich nicht an der Garderobe abgegeben“.

Am 5. Juni vollendet der langjährige Chefredakteur des „Nordschleswigers“, Siegfried Matlok, sein 75. Lebensjahr. Seit der Beendigung seiner Tätigkeit als Chefredakteur des „Nordschleswigers“, den er seit 1975 geleitet hat, ist es um Matlok bestimmt nicht ruhig geworden.

Kritik im Erinnerungsjahr

Er hat jede Menge Eisen im Feuer. Als Seniorkorrespondent des „Nordschleswigers“, mit seiner eigenen Fernsehsendung bei DK 4, als viel beschäftigter Referent und Kommentator oder als Buchautor. Besonders bewegt ihn aktuell das Erinnerungsjahr 100 Jahre nach Volksabstimmungen und Grenzziehung 1920. „Ich habe fast den Eindruck, dass in gewissen Kreisen in Kopenhagen der Eindruck herrscht, dass hier im deutsch-dänischen Grenzland 100 Jahre alles in Friede und Harmonie gelebt hat“, kommentiert er die seiner Meinung nach nicht korrekte historische Darstellung der Grenzlandgeschichte beispielsweise in TV-Großproduktionen.

Positionen der deutschen Minderheit nicht verstanden

„Die Position der deutschen Minderheit in der Abstimmungszeit und deren Ruf nach Grenzrevision nach 1920 wird in vielen Berichten nicht richtig verstanden“, so Matlok, der 1964 seine Laufbahn als Volontär beim „Nordschleswiger“ begonnen hat. „Es wird zu 1920 vielfach ein Epos voller Danebrogs serviert, in das 75 Prozent deutsche Stimmen in Tondern nicht passen“, so sein kritisches Urteil. Und interessant sei dabei, dass ausgerechnet die deutsch-dänische Grenze von 1920 von den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs nicht angetastet wurde, die zuvor in Schleswig-Holstein mit Forderungen nach einer neuen Grenze Propaganda gemacht hatten.

Sorge über Dichtmachen der Grenze

Sorge bereitet Matlok, dass seit Jahren in der dänischen Politik, „egal ob es bürgerliche oder sozialdemokratisch geführte Regierungen sind, die deutsch-dänische Grenze wieder mehr dichtgemacht wird“. „Wie gedankenlos, dass im deutsch-dänischen Freundschaftsjahr 2020 ausgerechnet am 14. März, dem Jahrestag der Abstimmung in der zweiten Abstimmungszone, die Grenze von der dänischen Regierung geschlossen wurde. Ich bin über viele Politiker in Nordschleswig enttäuscht, wie sie sich seitdem in Sachen Wiederöffnung der deutsch-dänischen Grenze verhalten haben“, so Matlok, der hofft, dass nach dem Ende der Corona-Krise Kopenhagen, Kiel und Berlin sich wieder mehr in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einbringen.

Seine eigene Geburtstagsfeier mit Angehörigen aus Deutschland ist übrigens auch der Schließung der Grenze zum Opfer gefallen. Am Geburtstag selbst ist Matlok nicht in seinem Wohnort Apenrade, sondern mit seiner Frau Miriam, die in der Entwicklungsabteilung der Region Süddänemark in Odense tätig ist, in Kopenhagen zusammen mit seinen Kindern Benedicte und Robert. Benedicte hat nach ihrem Studienabschluss in Ernährungswissenschaft eine Forschungstätigkeit in einer amerikanischen Medizinfirma aufgenommen, Robert studiert nach seinem Bachelor an der Kopenhagener CBS in den Fächern Deutsch und „European Business“ in der Fachrichtung „Politische Kommunikation und Management“.

Freude über Einsatz beim „Nordschleswiger“

„Ich habe große Freude daran, weiter für meine alte Zeitung schreiben zu dürfen. Ich bin dankbar für dieses Privileg“, sagt Matlok zu seiner weiteren Tätigkeit für den „Nordschleswiger“ und stellt dazu fest: „Nicht allen passen meine Meinungen. Manche bezweifeln, ob ich noch deutsch bin. Ich bin nie haltungslos gewesen. Aber das Recht auf Meinungsfreiheit habe ich nicht mit meinem Ausscheiden beim ‚Nordschleswiger‘ an der Garderobe abgegeben. Bei meiner Position setze ich immer darauf, dass sie der deutschen Minderheit und der deutsch-dänischen Verständigung dienen kann. Ich bin dabei immer ein Mann der kleinen, realistischen Schritte gewesen. Ich glaube nicht, dass Provokation nützlich ist.“

Im Gespräch kurz vor seinem 75. Geburtstag blickt Matlok auch auf seine Anfangszeit als Journalist im Jahre 1964 zurück. „Ich bin dem damaligen Chefredakteur des ‚Nordschleswigers‘, Jes Schmidt, dankbar, dass er mich als Volontär eingestellt hat“, berichtet er und verweist darauf, dass er sich immer der deutschen Sprache und Kultur verbunden gefühlt habe. „Der deutsche journalistische Weg war der einzig richtige für mich“, fügt er hinzu.

Stolz auf Arbeit als Sportredakteur

Eine interessante Zeit war es für ihn, als Sportredakteur für den „Nordschleswiger“ zu arbeiten, und stolz ist er auf seinen Anteil am Aufstieg des Apenrader Fußballvereins Aabk in die zweite dänische Liga in den 1960er Jahren. Dabei spielten die persönlichen Beziehungen zum deutschen Trainer des Aabk, Kurt Thomsen, eine entscheidende Rolle.

„Das war damals ein Politikum“, so Matlok, der sich stets auch für Politik interessiert hat und parallel zum Einsatz als Sportredakteur journalistisch immer mehr politische Aufgaben übernahm.

Früh Interviews in Kopenhagen

„Anrufe bei Ministerien aus der Redaktion der deutschen Zeitung waren damals ungewohnt, da fielen einige fast vom Stuhl“, beschreibt er die Stimmungslage. 

Matlok führte mehrfach Interviews auf Christiansborg. „Auch mit Poul Schlüter, der damals Fraktionschef der Konservativen war“, erinnert er sich.

Einschnitt 1973

„Ich hatte damals auch den Wunsch, eine Korrespondentenstelle in Kopenhagen zu bekommen, das scheiterte in den 1960ern an den Finanzen der Zeitung“, erläutert er und nennt das Jahr 1973 als den großen Einschnitt: 

„Jes Schmidt wurde als SP-Kandidat auf der Liste der Zentrumsdemokraten ins Folketing gewählt. Ich übernahm zusammen mit dem Kollegen Böhle die Leitung in der Redaktion und war ab 1975 verantwortlicher Redakteur. Ich habe die Arbeit von Jes Schmidt unterstützt, auch Hans Christian Jepsen, als dieser ihn vertrat. Das Jahr 1973 war eine Sternstunde für die Minderheit, es boten sich neue Chancen für die deutschen Nordschleswiger. Vieles zerfiel beim Tode Jes Schmidts 1979, als man Peter Wilhelmsen als neuen Kandidaten aufstellte. Das führte zum Bruch mit den Zentrumsdemokraten, obwohl im Vorfeld der Nominierung die CD-Leitung informiert worden war und grünes Licht gegeben hatte“, so Matlok, der erklärt, dass die Schleswigsche Partei (SP) Überlegungen anstellte, auf eine Protestwahl zu setzen und im Alleingang für das Folketing zu kandidieren.

Einsatz im Sekretariat seit 1983

„Ein Gutachten Jørgen Elklits von der Universität Kopenhagen zeigte damals, dass es keine Chance für ein eigenes Mandat gab. Es wurde die Möglichkeit der Schaffung eines Sekretariats der deutschen Minderheit in Kopenhagen sichtbar“, erklärt Matlok die Vorgeschichte seiner Tätigkeit als Leiter des Sekretariats der deutschen Minderheit von 1983 bis 2007, dessen Einrichtung noch während der Regierungszeit des sozialdemokratischen Staatsministers Anker Jørgensen angebahnt wurde und das nach dem Amtsantritt des Konservativen Poul Schlüter als Regierungschef im Jahre 1982 im folgenden Jahr eröffnet wurde.

„Es war für mich damals wie ein Sprung ins Haifischbecken“, erinnert er sich und berichtet über Angebote deutscher und dänischer Zeitungen, für diese tätig zu werden.

„Auch auf Bitten der Kollegen beim ,Nordschleswiger’ bin ich in Doppelfunktion als Chefredakteur und Sekretariatsleiter tätig geblieben. Und ich habe auch einige Dinge bewegen können“, stellt er im Rückblick fest und unterstreicht, dass ihm ein „beachtlicher Spielraum“ zur Verfügung stand.

„All die Jahre in Kopenhagen und Apenrade wären nicht möglich gewesen ohne die Rückendeckung der Mitarbeiter und 100-prozentigen Rückhalt des Pressevereins“, betont Matlok und erinnert sich gern an Interviews wie dem mit dem sozialdemokratischen Verkehrspolitiker J. K. Hansen, die während der Regierung Schlüter mit den Anstoß zur Realisierung der lange umstrittenen festen Verbindung über den Großen Belt gaben.

Gerne Strippen gezogen

Auch am Projekt einer Verbindung über den Fehmarnbelt habe er eifrig mitgewirkt. „Die deutsche Wiedervereinigung war ein Höhepunkt in meinem Leben“, so Matlok, und er nennt das große Interesse Dänemarks an einem Tunnel zum Kontinent auch als ein Ergebnis des Endes der deutschen Teilung. Er habe gerne hinter den Kulissen Fäden gezogen, räumt er ein.

Vergangenheitsbewältigung

„Ein großes Anliegen war für mich auch die deutsche Vergangenheitsbewältigung. Eigentlich mag ich den Ausdruck nicht, denn da gab es in Nordschleswig lange großen Nachholbedarf“, erklärt er und berichtet über die Entlarvung des berüchtigten deutschen Altnazis Thies Christophersen, der im dänischen Nordschleswig Unterschlupf gefunden hatte und in den 1990er Jahren trotz Auslieferungsbegehrens Deutschlands von Kollund aus Nazipropaganda zirkulieren ließ.

Gespräche mit Werner Best

Hoch interessant waren für Matlok auch die Kontakte zu jüdischen Persönlichkeiten in Kopenhagen wie Herbert Pundik und Ove Nathan. „Ich wurde als Sekretariatsleiter zu Feierlichkeiten anlässlich des 50. Jahrestages der Befreiung Dänemarks von der Nazibesetzung eingeladen, obwohl man 1995 auf Christiansborg keine deutschen Gäste wünschte“, beschreibt er die damalige Stimmung.

„Ich hatte ja schon in den 1970er Jahren Kontakt zum früheren deutschen Reichsbevollmächtigten Werner Best aufgenommen. Über zehn Jahre lang habe ich Gespräche mit dem Spitzenmann der deutschen Besatzer in Dänemark in den Jahren 1942 bis 1945 geführt. Fotos und Tonbandaufnahmen waren nicht zugelassen. Nur Gesprächsprotokolle, die er korrigierte“, erzählt Matlok die Vorgeschichte des von ihm herausgegebenen Buches „Dänemark in Hitlers Hand“ von 1988, das ihm damals viel Kritik einbrachte, da es, so einige Stimmen, nichts Neues zur Besatzungszeit 1940 bis 1945 geliefert habe, in der dänischen Ausgabe aber zum Bestseller wurde und die Erkenntnis lieferte, dass der dänische Staatsminister Erik Scavenius (1877-1962) während der Besatzungsjahre 1942/1943 dem „obersten Repräsentanten des Täterlandes“, Werner Best, nach dem Ende der Inhaftierung aufgrund der Verurteilung wegen Verbrechen in Dänemark, Briefe schickte, in denen er sich „in enger Freundschaft“ für dessen Wirken bedankte. „Best hatte ein Bild von Scavenius auf dem Schreibtisch“, so Matlok und erläutert, dass der als Retter der dänischen Juden gefeierte deutsche Botschaftsmitarbeiter Georg Duckwitz stets betont hatte, dass ohne Werner Bests Wirken die Juden 1943 nicht aus Dänemark hätten entkommen können.

Er habe sich gefreut, dass ihn damals der konservative Justizminister und Historiker H. P. Clausen vor Kritik, Nazis in Schutz zu nehmen, verteidigte. „In den letzten Jahren meiner Tätigkeit in Kopenhagen habe ich verspürt, dass die Zeitung sich auf neue Zeiten einstellen müsse“, erinnert sich Matlok an den während seiner Zeit an der Spitze der Zeitung eingeleiteten Internetauftritt des „Nordschleswigers“ und den Beginn der Produktion eigener Radionachrichten.

Stolz auf Zusammenarbeit der Medien

Stolz ist er auf die Zusammenarbeit mit dem „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“, „Flensborg Avis“ und später auch „JydskeVestkysten“. 

„Die Finanzen waren lange ein Problem der deutschen Zeitung in Nordschleswig. Bereits 1975 drohte ihr Ende, damals hat Bundeskanzler Helmut Schmidt das Weiterbestehen des ,Nordschleswigers’ gesichert", unterstreicht er.  

Abschiedsgeschenk

Und Matlok berichtet darüber, wie ihn der zunehmende Verfall des alten Pressehauses traurig machte und wie froh er sei, dass es über den Kontakt zu Hans Michael Jebsen möglich wurde, das neue „Haus der Medien“ einzurichten, in dem heute „Der Nordschleswiger“ zusammen mit „JydskeVestkysten“ arbeitet.

„Das war mein Abschiedsgeschenk“, so Matlok, der die heutige enge Zusammenarbeit der deutschen und dänischen Grenzlandzeitungen positiv sieht, aber auch unterstreicht, dass es nie einen redaktionellen Einheitsbrei geben sollte.

„Ich begrüße die Zusammenarbeit unter meinem Nachfolger Gwyn Nissen. Es fehlt mir aber mitunter der Wettbewerb der Papierzeitungen“, räumt er ein und betont, dass „die Nachfolger eigene Entscheidungen treffen“.

 

Das Haus der Medien – auf dem Foto blickt der frühere „Nordschleswiger“-Chefredakteur aus dem markanten Turm des Gebäudes – ist für Siegfried Matlok ein Abschiedsgeschenk für die Zeitung. Foto: Karin Riggelsen

 

Und er führt weiter aus: „Es ist kein Geheimnis, dass es mir wehtut, die Papierzeitung zu schließen. Ich glaube, es war politisch ein Fehler, die Entscheidung 2018 bekannt zu geben. Man hat damit ein politisches Faustpfand aus der Hand gegeben.“ Es freue ihn, dass es gelungen sei, eine Lösung mit einer Papierzeitung zu erreichen, die alle zwei Wochen erscheint, die Minderheit nicht nur noch im Internet auftaucht. „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass der Trend zur Digitalisierung weiter fortschreitet“, stellt Matlok fest.

 

Journalistisch-kritische Linie

„Zurückblickend verspüre ich große Dankbarkeit für meine Zeit beim ,Nordschleswiger’, auch gegenüber den vielen Kollegen. Dazu zählen neben den Journalisten alle auch in der Setzerei und im Verlag. In den Jahren nach 1946 wurde unter schwierigsten Bedingungen, mit seelischen und physischen Belastungen gearbeitet. Ohne Rücksicht auf Tarifregelungen. Wir haben uns verdient gemacht um die deutsche Minderheit, für die Bundesrepublik Deutschland und um das deutsch-dänische Verhältnis“, unterstreicht er und fügt hinzu, dass die Zeitung zwar „auf dem gleichen Ast wie die übrige Minderheit sitzt, aber dennoch Spielraum für eine journalistisch-kritische Linie benötigt“. 

Neue Projekte

Matlok peilt im Laufe des Jahres weitere Aktivitäten zur Erinnerung an 1920 an. „Die Absagen im Jubiläumsjahr 2020 haben mir Zeit für die Arbeit an meinem neuen Buch gegeben“, verrät er, es werde vielleicht bis Jahresende fertig. „Der Titel lautet ,Im Dienste der/Der Nordschleswiger‘, berichtet er. Auch für die Schackenborg-Stiftung, das Projekt deutsches Flüchtlingsmuseum in Oksbøl und eine Gedenkstätte für die am 5. Mai 1945 in Sonderburg ermordeten elf deutschen Deserteure steht er weiter bereit.

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