Leitartikel

„Wenn junge Menschen töten: Appelle reichen im Verkehr nicht aus“

Wenn junge Menschen töten: Appelle reichen im Verkehr nicht aus

Wenn junge Menschen töten: Appelle reichen nicht aus

Apenrade/Aabenraa
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Spritbilister
Eine Gefahr für Leib und Leben: betrunkene junge Menschen in schnellen Autos (Symbolfoto). Foto: Rådet for Sikker Trafik

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Alkohol am Steuer: Hilft es, Regeln zu verschärfen und aufzuklären? Ja, meint Cornelius von Tiedemann – doch es müsse endlich eine Abkehr von der autozentrierten Verkehrspolitik her, um das sinnlose Sterben ein für alle Mal zu beenden. Auch und gerade in Nordschleswig.

Die Vorfreude aufs erste Auto und die Fahrerlaubnis ist groß. Und dann kann es so richtig losgehen. Der trügerische Traum von der großen Freiheit hinterm Steuer, er lebt weiter und wird fleißig angefacht.

Doch die Realität ist viel zu oft ein Albtraum: Eine Studie des Rates für Verkehrssicherheit (Rådet for Sikker Trafik) und der Stiftung TrygFonden zeigt, dass ein deutlich höherer Anteil junger Autofahrerinnen und Autofahrer unter Alkoholeinfluss fährt, als dies bei älteren Fahrerinnen und Fahrern der Fall ist.

Die Umfrage ergab, dass 12 Prozent der 17- bis 24-Jährigen, die Auto fahren, innerhalb des vergangenen Jahres betrunken am Lenkrad saßen. Im Vergleich dazu gilt das für nur 4 Prozent der Menschen ab 25 Jahren.

Die Kombination aus Alkohol, mangelnder Fahrerfahrung und höherer Risikobereitschaft junger Fahrerinnen und vor allem Fahrer führt zu vielen schweren Unfällen. Tatsächlich ist jeder dritte Todesfall oder jede dritte schwere Verletzung bei Unfällen mit Alkoholisierten auf junge Fahrende im Alter von 17 bis 24 Jahren zurückzuführen.

Ob da überhaupt noch von „Unfall“ die Rede sein sollte, wenn sich jemand betrunken hinter das Steuer einer tonnenschweren und pfeilschnellen Stahlkiste setzt, ist eine Frage für sich. Wir könnten auch sagen: Jeder dritte Mensch, der im Straßenverkehr stirbt, wird von betrunkenen Fahranfängerinnen und Fahranfängern getötet.

Um dieses Problem zu bekämpfen, empfiehlt der oben genannte Rat unter anderem eine Alkoholgrenze von 0,2 Promille für neue Fahrerinnen und Fahrer.

Das wird helfen – aber das Problem nicht lösen.

Es ist natürlich auch entscheidend, dass jeder für sich selbst und für Kinder, Freundinnen und Freunde Verantwortung übernimmt, um zu verhindern, dass sie alkoholisiert fahren.

Bevor wir zu einem sozialen Ereignis gehen, bei dem Alkohol serviert wird, muss feststehen, wie wir nach Hause kommen. Hier in Nordschleswig und anderswo auf dem Lande ist das nicht immer einfach, denn unsere Infrastruktur ist vollkommen auf das Automobil ausgelegt.

Doch das ist keine Ausrede: Wer eine Freundin oder einen Freund sieht, die oder der zu viel getrunken hat, muss eingreifen. Muss anbieten, sich ein Taxi zu teilen oder eine Übernachtungsmöglichkeit vorschlagen. Weg mit den Autoschlüsseln – und die meisten werden einem am nächsten Tag dankbar sein, wenn man verhindert hat, dass sie betrunken Auto fahren.

Damit es aber erst gar nicht dazu kommt, dass wir uns auf die Vernunft feierwütiger und übermütiger junger Leute und ihres Umfeldes verlassen müssen, ist es ein Muss, dass junge Menschen alternative Verkehrsmittel wie Bahnen, Busse und Fahrräder auf gesicherten Radwegen nutzen können. Überall und rund um die Uhr.

Dazu muss die Infrastruktur massiv verbessert werden. Besonders auf dem Land passieren viele „Unfälle“, an denen alkoholisierte junge Fahrerinnen und Fahrer schuldig sind. Obwohl nur 17 Prozent der jungen Menschen auf dem Land leben, sind 41 Prozent der Todesfälle und schweren Verletzungen bei „Unfällen“ mit betrunkenen 17- bis 24-Jährigen auf dem Land zu verzeichnen.

Wir haben eine kulturelle und ethische Verpflichtung, dass für sie das Auto nicht mehr die einzige und auch nicht mehr die erste Wahl ist.

Dazu gehört es auch, dass Autofahren endlich nicht mehr als coole Sache für wilde Kerle abgefeiert wird, sondern dass wir die Realität darstellen: Autofahren ist gefährlich und ungesund für alle Beteiligten. Würden beim Bus- und Bahnfahren jedes Jahr Hunderte in Dänemark ums Leben kommen und Tausende verletzt werden – der ÖPNV wäre längst abgeschafft.

Wir müssen alles tun, um die gleichsam traurigen wie empörenden Zahlen zu senken. Dazu gehört nicht nur, junge Menschen über die Risiken von Alkohol und Autofahren aufzuklären oder Regeln zu verschärfen – sondern vor allem, dass wir endlich die Rahmen dafür schaffen, dass das Auto in den meisten Fällen schlicht überflüssig wird.

 

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