Widerstand in der Angler-Szene

EU-Quote lässt Angel-Tourismus in Schleswig-Holstein bluten

EU-Quote lässt Angel-Tourismus in Schleswig-Holstein bluten

EU-Quote lässt Angel-Tourismus in Schleswig-Holstein bluten

Frank Jung/shz.de
Flensburg
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Foto: Arne Peters/shz.de

Seitdem Mengen-Kontingente beim Dorsch auch für Ausflügler gelten, haben schon drei von vorher 18 Kuttern an der Ostsee aufgegeben.

Drei Kutter besitzt Bernd Klement – noch: die „Ostpreußen“ in Heiligenhafen, die „Langeland“ in Möltenort an der Kieler Förde und die „Antares“, ebenfalls in Möltenort. Eigentlich war Klements drittes Schiff in Orth auf Fehmarn beheimatet. Doch dort, so dicht an Heiligenhafen, habe er es unter den neuen Verhältnissen nicht mehr vollbekommen, sagt der Eigner. Und selbst nach der Verlegung Richtung Landeshauptstadt: „Überleben konnte ich bisher nur, weil ich neben den Angelfahrten Marktführer bei Seebestattungen bin.“ In den „nächsten Wochen“, so Klement, müsse er überlegen, ob er eins seiner drei Schiffe verkauft.

Mit den neuen Verhältnissen meint der Skipper, dass die Europäische Union seit Anfang 2017 die Fang-Quote für den Dorsch in der westlichen Ostsee nicht nur auf die Berufsfischerei, sondern ebenso auf die Angler anwendet. Anders könnten sich die Bestände nicht ausreichend erholen, argumentiert die EU unter Berufung auf Wissenschaftler.

Folgen für den Tourismus

Seitdem darf ein Angler pro Tag höchstens fünf Dorsche fangen; während der Laichzeit im Februar und März gar nur drei. „Dafür wollen viele aber gar nicht mehr anreisen. Aus weiter entfernten Bundesländern oder Österreich und der Schweiz bleiben viele Kunden weg“, sagt Willi Lüdtke vom Verband der Bäder- und Hochseeangelschiffe. Seit Einführung der Quote für Angler seien die Buchungen um 30 Prozent eingebrochen. Drei Kutter haben sich laut Lüdtke bereits aus dem Geschäft verabschiedet.

Noch sind es 15 zwischen Maasholm an der Schleimündung und Burgstaaken auf Fehmarn, die meisten davon in Heiligenhafen. „Über kurz oder lang fährt keiner mehr“, befürchtet Lüdtke. Jens Meyer, Geschäftsführer der „Entwicklungsgesellschaft Ostholstein“ in Eutin und Vorkämpfer für den Hochseeangel-Tourismus, glaubt: „Es könnte sogar sein, dass schon zu Ostern die Hälfte der Kutter weg ist.“ Schließlich stünden bis dahin die zwei Monate mit den besonders niedrigen Angelmengen bevor.

Meyer und Lüdtke verweisen auf weitergehende Folgen für den Tourismus: Viele Angler hätten sich für mehrere Tage oder eine Woche an Land einquartiert, um täglich rauszufahren. Weniger Nachfrage nach Törns bedeutete deshalb auch weniger Übernachtungen. Allein auf Fehmarn und in Heiligenhafen gab es vor den Einschnitten pro Jahr 70.000 Kuttergäste.

„Hoffnung auf mehr muss da sein“

„Auch früher haben die Angler im Schnitt nicht mehr als drei Dorsche pro Tag rausgeholt“, sagt Lüdtke. „Aber es ist wie beim Lotto: Die Hoffnung auf mehr muss da sein, damit die Leute Lust haben zu kommen.“ Und Plattfische wie die Scholle, deren Bestände viel größer sind, reizen offenbar nicht als Alternative, sagt Kutter-Eigner Klement: „Da zuckelt es nur ein bisschen an der Angel, und schon hat man den Plattfisch. Sportlich gesehen, ist das im Vergleich zum Dorsch keine Herausforderung.“

In der Angler-Szene regt sich weiterer Widerstand: Der Rendsburger Angel-Aktivist Heinrich Stremmer hatte vor der Nordmarkhalle in seiner Heimatstadt für Samstag eine Demonstration angemeldet. Motto: „Nicht mit uns!“. In der Halle findet an diesem Wochenende die Norddeutsche Angelbörse mit 150 Ausstellern statt. Front machen will Stremmer gegen die Mengen-Begrenzung ebenso wie gegen die Angelverbotszone, die das Bundesumweltministerium zudem im September im nördlichen Fehmarnbelt eingerichtet hat.

„Unverhältnismäßige Einschränkungen“

Gegen die Verbotszone will am Montag am Verwaltungsgericht Schleswig die per Facebook gegründete „Initiative Anglerdemo“ eine Klage einreichen. Unterstützer hätten für einen Rechtsstreit rund 15.000 Euro gespendet, sagt Initiator Lars Wernicke aus Kaltenkirchen.

Erfolg wünscht dem Widerstand die Geschäftsführerin des Tourismusverbands Schleswig-Holstein, Catrin Homp: Die Einschränkungen für die Freizeitfischerei sind in ihren Augen „unverhältnismäßig und noch immer nicht mit nachvollziehbaren Fakten unterlegt“. Der Angeltourismus „trägt als ganzjähriges Angebot wesentlich zur Saisonverlängerung und zur Imagebildung der Ferienorte bei“.

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