Kult-Oldtimer: VW T1

Buschpilot Marcel Romdane holt Bullis aus Brasilien nach Flensburg

Buschpilot Marcel Romdane holt Bullis aus Brasilien nach Flensburg

Marcel Romdane holt Bullis aus Brasilien nach Flensburg

SHZ
Flensburg
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Farbenfrohe Sympathieträger aus Brasilien: Bislang beherbergt Ar-Car Flensburg in der Gutenbergstraße die T1-Bullis. Foto: Jörg Lorenzen

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Von den Elefantenbullen zum Bulli: Der Flensburger hat früher in Kenia als Buschpilot Dickhäuter gerettet. Aktuell überführt er die VW-Kultbusse T1 aus Brasilien und bereitet sie für den Verkauf in Flensburg vor.

Der himmelblaue Bulli knattert gemütlich durchs verregnete Flensburg, das ist kinderleicht mit süßen 42 PS. Die Höchstgeschwindigkeit sei schwer zu ermitteln, aber spätestens bei 100 hört der Spaß auf. Der Ganghebel sieht wie ein langer Stengel mit Köpfchen aus und fremdelt nicht beim Schalten. Genauso zart und zerbrechlich, fast wie Insektenfühler, wirken die Scheibenwischer, die lässig und mit Geräusch den heftigen Regen wegschieben.

Kleine Fahrerinnen müssen das große Lenkrad geradewegs umarmen, das Abbiegen ist ein bisschen Arbeit, aber auch kein Problem. Kupplung und Gaspedal reagieren prompt und geschmeidig, die Bremse braucht etwas Nachdruck. „Man muss vorausschauend fahren“, empfiehlt Marcel Romdane und vergleicht das Vergnügen doch mit einer „Zeitreise in die Vergangenheit“.


Der Flensburger ist Fotograf und Weltenbummler und normalerweise unterwegs, oft in der Luft. Als Buschpilot hat er mit seiner Lebensgefährtin Nicole Tepperies in Kenia Elefanten vor Wilderern bewahrt, Flugzeuge in Kanada gesteuert und sich um Pferde in Wyoming gekümmert. So wie viele hat die Pandemie auch den Globetrotter aus Flensburg gebremst. Er habe sich ein neues Betätigungsfeld erschlossen, erklärt der 54-Jährige.

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„Nonplusultra“ unter den VW-Kultbussen

Von den Elefantenbullen ist er nun auf Bullis gekommen. Der Autohauschef Murat Arici von Ar-Car Flensburg in der Gutenbergstraße habe von seiner Leidenschaft für die sogenannten Samba-Busse erzählt und Romdane irgendwie angesteckt. Das Sondermodell des VW T1 beschreibt Marcel Romdane als das „Nonplusultra“ unter den VW-Kultbussen der ersten Generation.

Der Flensburger stellte jedenfalls fest, dass den amerikanischen Markt insbesondere T1-Busse brasilianischer Provenienz beherrschen. So flog er im Januar 2021 für einen ersten Eindruck und ein paar Tage nach Südamerika.


Im Frühjahr blieb er dann gleich knapp zwei Monate und klapperte die Werkstätten ab. In Deutschland wurde der T1 seit 1950 bis 1967 gebaut – letzteres ist Romdanes Geburtsjahr. In Brasilien hatte VW Werke in der Region Sao Paolo und baute sogar bis 1975.

14 Schätze hat Marcel Romdane bei seiner Suche gefunden in allen drei Formen: normal, Pritsche, Samba. Zwei Busse davon seien gerade auf dem Schiff und zwei werden am 8. August erwartet. „Alle haben ihre Geschichte“, sagt Romdane, dazu „südländischen Charme“ und manche nur einen Vorbesitzer.


Gegenentwurf für die Wegwerfgesellschaft

Der Tacho beim ausprobierten Bulli steht irgendwo Mitte der 90.000er – wie viele der fünfstelligen Durchgänge er schon gelaufen ist, ist nicht genau bekannt, aber der Flensburger vermutet den Kilometerstand bei unter 200.000. Auf den geselligen Bänken können neun Personen Platz nehmen. Die Fenster werden aufgeschoben, bei manchen Modellen sogar vorn nach außen aufgeklappt oder gar der ganze Himmel geöffnet. „Cabrio-Feeling“, sagt Marcel Romdane.

Den Verkauf betrachtet der Weltenbummler so wie sich eine Fahrt mit einem Bulli verhält: entspannt. Ziel sei, die T1-Busse über den TÜV zu bringen, den Originalzustand möglichst zu erhalten und damit für die meisten das H-Kennzeichen zu verdienen.

Das seien Arbeitstiere gewesen, erklärt der weitgereiste Romdane; die Technik sei simpel. Beim Blick unter die Haube blickt kein Plastik zurück, sondern der Motor. Romdane kennt keinen Grund, warum die Oldtimer nicht nochmal solange rollen sollen – und das sollen sie statt rumzustehen, findet die Bulli-Spürnase, wenngleich sie auch als Wertanlage taugten. Ein echter Gegenentwurf für die Wegwerfgesellschaft.


„Bullifiziert“

Die Fangemeinde, geradezu die Szene, für das Symbol des Wirtschaftswunders ist groß und spannt sich über alle Generationen. Marcel Romdane und Autoverkäufer Jörg Lorenzen von Ar-Car erzählen von herzallerliebsten Begebenheiten bei Foto-Sessions und Stadtfahrten mit den Kultmobilen. Daumen hoch und Lichthupen sind da noch die zurückhaltendsten Sympathiebekundungen, die beide erleben. Lorenzen hat auch schon Leute im Restaurant aufspringen sehen, die unverzüglich zum Bulli eilten und ein Gespräch samt Foto anzettelten. Und Marcel Romdane ergänzt, dass die Begegnungen stets erfreulich „neidfrei“ verliefen, anders vielleicht, als wenn man mit einem Porsche oder Lamborghini vorfahre.

Beim elften gut besuchten Kropper Bulli-Treffen im Juli stammten zwei der seltenen fünf T1 von den Flensburger Einkäufern und wurden gefeiert. Er sei „bullifiziert“, gibt Autoverkäufer Lorenzen zu und gesteht: „Meine Frau hat mir Bulli-Bettwäsche gekauft...“

Preise zwischen 25.000 bis 79.000 Euro

Apropos Geld: Der Pritschenwagen sei derzeit der günstigste der Busse, der zu erwerben sein wird mit 25.000 Euro. Der grüne Samba-T1 liegt bei 45.000 Euro; die anderen beiden dazwischen. Der teuerste Bulli von 1961 werde gerade in einer Fachwerkstatt aufgehübscht mit deutschen Ersatzteilen, sagt Marcel Romdane. 79.000 Euro wird er kosten. Derzeit sucht Romdane nach Räumlichkeiten mit Ambiente, vielleicht einer Scheune oder einem Resthof oder nach etwas Passendem am Hafen, sagt er, um die Schätze mittelfristig der Klientel angemessen zu präsentieren.

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