Erste Hilfe

Leben retten auf Abruf: Der ehrenvolle Einsatz der „Hjerteløbere“

Leben retten auf Abruf: Der ehrenvolle Einsatz der „Hjerteløbere“

Leben retten auf Abruf: Der Einsatz der „Hjerteløbere"

Gravenstein/Gråsten
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Maibrit Kopp lebt in Gravenstein, wo sie bereits bei mehreren Reanimationsversuchen zur Hilfe eilte. Foto: Privat

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Seit zwei Jahren ist Maibrit Kopp aus Gravenstein „Hjerteløberin“. Dreimal war sie bereits bei Reanimationsversuchen im Einsatz – einmal am 31. Dezember. Wenn das Alarmsignal der „Hjerteløber“-App auf ihrem Handy ertönt, rennt Maibrit Kopp ohne zu zögern los, um Menschenleben zu retten. Statistiken belegen, dass die Anstrengung der 150.000 Freiwilligen in Dänemark von großer Wichtigkeit ist, denn in den meisten Fällen sind diese vor den Krankenwagen bei den Personen, die einen Herzstillstand erlitten haben.

Es ist der 31. Dezember, und Maibrit Kopp aus Gravenstein feiert das Einläuten des neuen Jahres im Kreise ihrer Familie, als sie plötzlich um Hilfe gebeten wird. Von einem Nachbarhaus kommt ein Mann angerannt, dessen Verwandter einen Herzstillstand erlitten hat. Maibrit Kopp ist zu diesem Zeitpunkt noch kein Mitglied der „Hjerteløbere“. Da sie aber Krankenschwester im Dansk Gigthospital Sønderborg ist, weiß sie, wie eine Herzdruckmassage durchgeführt wird. Ohne zu zögern ruft sie unter der 112 den Rettungswagen und beginnt den Reanimationsversuch.

„Der Mann ist leider verstorben, da er herzkrank war. Er hatte wohl schon über mehrere Wochen ein unwohles Gefühl, ist aber nicht zum Arzt gegangen. Um mich herum waren mehrere Menschen, die sich nicht getraut haben, etwas zu tun und mir anschließend gesagt haben, wie gut es war, dass ich mich gekümmert habe. Nach diesem Erlebnis habe ich mich vor etwa zwei Jahren als ,Hjerteløber’ registriert“, berichtet Maibrit Kopp, die seither bei drei Reanimationsversuchen in der Nähe ihres Wohnortes im Einsatz war.

Laut Maibrit Kopp befinden sich Defibrillatoren häufig bei Fitness-Zentren, Sporthallen, Pflegeheimen, Arztpraxen oder großen Einkaufsmärkten. Foto: Privat

„Ich habe inzwischen zwei Kinder im Alter von 15 und 18 Jahren, die auf sich selbst aufpassen können. Da ich zudem einen verständnisvollen Ehemann habe, breche ich meist auf, ohne nachzudenken. Letztens habe ich nur durch das Haus gebrüllt: ,Ich muss los. Es gibt einen Notfall’ … ,Okay’, war die kurze und selbstverständliche Antwort“, erzählt die Familienmutter, die bei einem Notfall eine Nachricht über die Handy-App „Hjerteløber“ erhält.

„Hjerteløbere“ sind in sechs von zehn Fällen als Erste vor Ort

Das „Hjerteløber“-System wurde im Jahr 2020 in ganz Dänemark ins Leben gerufen. Ein jeder kann sich über die App als freiwilliger und ehrenamtlicher „Hjerteløber“ registrieren (siehe Link unter diesem Artikel). Das Programm dient dazu, dass 20 der aktuell insgesamt 150.000 Freiwilligen, die sich bei einem Herzstillstand außerhalb eines Krankenhauses am nächsten an der betroffenen Person befinden, über die App eine Benachrichtigung erhalten. Die Aufgabe der „Hjerteløbere“ besteht darin, schnell zu handeln, indem bei einem Herzstillstand in der Nähe ein Defibrillator geholt und lebensrettende Erste Hilfe geleistet wird, bis professionelle Sanitäterinnen und Sanitäter eintreffen. Laut einer Pressemitteilung von „TrygFonden“ sind „Hjerteløbere“ heute in sechs von zehn Fällen vor den Rettungswagen vor Ort.

Mit dem Skateboard zum Reanimationseinsatz

„Wenn jemand die 112 ruft, wird den 20 Freiwilligen automatisch eine Handy-Nachricht geschickt. Wer Zeit hat, rennt oder fährt los und holt den nächstgelegenen Defibrillator. Die App zeigt einem an, wo sich dieser befindet, und auch, an welchem Ort die Person Hilfe benötigt. Und dann fährt oder läuft man also zum Ort, wo die Person den Herzstillstand erlitten hat. Als ich vor Kurzem bei einem Einsatz war, kam auch ein ,Hjerteløber’ mit seinem Skateboard angefahren. Er war durch Zufall gerade in der Nähe gewesen, als er die Nachricht auf sein Handy bekam“, berichtet Maibrit Kopp, laut der es von Vorteil sei, wenn mehrere der 20 benachrichtigten Freiwilligen Hilfe leisten.

Durch eine schnelle Wiederbelebung mit dem Defibrillator kann man lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, wie Kammerflimmern, unterbrechen. Deshalb ist es empfehlenswert zu wissen, wo sich der nächste Defibrillator in der eigenen Ortschaft befindet. Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix

„Es kann passieren, dass vor Ort mehrere ,Hjerteløbere’ eintreffen. Das ist aber nie verkehrt, und meist hat ja auch immer nur ein kleiner Teil der 20 Personen gerade in dem Moment die Möglichkeit zu helfen. Als ich das eine Mal ankam, waren bereits sechs bis acht ,Hjerteløbere’ vor Ort. Da habe ich mich dann stattdessen um die Angehörigen der betroffenen Person gekümmert. Es gibt viele Aufgaben, und alle Helfenden sind gleich wichtig, ganz egal, ob man die Herzdruckmassage ausübt, sich um Angehörige kümmert oder ob man die betroffene Person beispielsweise im Verkehr abschirmt, damit Neugierige nichts sehen“, meint die Gravensteinerin, die sich daher wünscht, dass sich noch mehr Menschen als „Hjerteløber“ registrieren.

 

Natürlich hinterlassen diese Erlebnisse Eindruck. Der Tod gehört zum Leben dazu, und diese Situationen zeigen, dass man jeden Tag wertschätzen sollte, der einem geschenkt ist.

Maibrit Kopp

Ebenso deutet Maibrit Kopp aber auch darauf hin, dass man sich vorher gründlich überlegen sollte, ob man sich den Einsatz als „Hjerteløber“ zutraut. Wenn ja, sollte man zuvor an einem Erste-Hilfe-Kursus teilnehmen (siehe Link unter diesem Artikel für mehr Informationen).

„Das System funktioniert sehr gut, aber bisher können sich auch Personen ohne jegliche Vorkenntnisse in der App registrieren. Man sollte sich überlegen, ob man emotional und psychisch damit umgehen kann. Wenn man sich das zutraut, sollte man sich unbedingt registrieren lassen. Wichtig ist es aber, vorher oder möglichst schnell nach der Registrierung an einem Kursus teilzunehmen, um die grundlegenden Erste-Hilfe-Techniken zu lernen. Bei meinem ersten Reanimationseinsatz kamen zwei Freiwillige angerannt, die nicht wussten, wie man die Elektroden des Defibrillators anbringt, da sie sich gerade erst zuvor als ,Hjerteløbere’ registriert hatten. Daher habe ich das Kommando übernommen, bis der Rettungswagen kam“, so Maibrit Kopp.

Rekordhohe Überlebensrate in Dänemark

Laut „TrygFonden“ erleiden heute etwa 5.000 Menschen in Dänemark jedes Jahr einen Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses. Mit jeder Minute, die nach einem Herzstillstand verstreicht, sinken die Überlebenschancen um 10 Prozent. Dies unterstreicht die Bedeutung der „Hjerteløbere“, dank deren Einsatz Dänemark im Vergleich zu den Nachbarländern in diesen Fällen eine deutlich höhere Überlebensrate hat.

„Das Wichtigste ist, schnell zu handeln. Man kann nichts verkehrt oder schlimmer machen. Alles, was man versucht, kann nur etwas Positives bewirken. Selbst wenn man der Person die Rippen bricht, was durchaus passieren kann“, meint auch Maibrit Kopp, die zudem allen Bürgerinnen und Bürgern raten würde zu überprüfen, wo sich eigentlich die nächstgelegenen Defibrillatoren in der eigenen Ortschaft befinden. Häufig finde man diese bei Fitness-Zentren, Sporthallen, Pflegeheimen, Arztpraxen oder großen Einkaufsmärkten. Aus ihren eigenen Erfahrungen als „Hjerteløberin“ habe die Familienmutter außerdem gelernt, für jeden Moment im Leben dankbar zu sein.

Natürlich hinterlassen diese Erlebnisse Eindruck. Das Wichtigste ist mir dabei stets, dass ich getan habe, was ich konnte. Der Tod gehört zum Leben dazu, und diese Situationen zeigen, dass man jeden Tag wertschätzen sollte, der einem geschenkt ist“, so Maibrit Kopp.

Wie registriere ich mich als „Hjerteløber”?

Wo kann ich mich für einen kostenlosen Erste-Hilfe-Kursus in Süddänemark anmelden?

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Judit Kürthy
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