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Die Frage nach kultureller Anleihe und Identität der deutschen Minderheit in Rumänien
Die Frage nach kultureller Anleihe und Identität der Minderheit in Rumänien
Minderheit in Rumänien: Die Frage nach kulturelle Anleihe

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Gibt es ein exklusives Recht auf Kulturelemente? Oder ist es ganz normal, dass sich diese in einer globalisierten Welt vermischen? Diese Frage stellt sich Nina May, Redakteurin der „Allgemeinen Deutschen Zeitung in Rumänien“ und zieht einen Vergleich zu Karl Mays „Winnetou“.
Im August 2021 nahm der Ravensburger-Verlag zwei Kinder- und Jugendbücher über Karl Mays „Winnetou“ aus dem Programm. Die Geschichten seien rassistisch, und angesichts der historischen Wirklichkeit, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, werde ein „romantisierendes Bild mit vielen Klischees“ gezeichnet.
Gibt es ein exklusives Recht auf Kulturelemente? Oder ist es ganz normal, dass sich diese in einer globalisierten Welt vermischen? Sind die rumänischen Schülerinnen und Schüler, die das deutsche Schulwesen in Rumänien dominieren, verkleidet, wenn sie in sächsischer oder schwäbischer Tracht in deutschen Volkstanzgruppen auftreten? Oder dürfen sie das, weil es ein Element der Kultur ist, die man ihnen näherbringt? Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien begrüßt inzwischen das Interesse der Mehrheitsbevölkerung an seiner Infrastruktur, seiner Kultur und seinen Kulturdenkmälern, denn ohne Rumäninnen und Rumänen könnte man diese nicht erhalten.
Unterschiede zwischen Stadt und Land
Ursula Philippi, Siebenbürger Sächsin, Musikerin und ehemalige Organistin von Hermannstadt (Sibiu), ist mit dem Thema kulturelle Aneignung erst konfrontiert worden, als sie wieder aufs Land nach Tartlau (Prejmer) ins Haus ihrer Kindheit gezogen ist.
„Als Musikerin hat man Musik gemacht und die Folklore des anderen mit Wonne gespielt und gesungen. Ethnie oder Hautfarbe waren da kein Thema. Aber hier auf dem Dorf ist das anders, hier gibt es noch alte sächsische Gemeinschaften, die kulturelle Anleihe ablehnen.“ Auf dem Dorf habe jeder seinen Friedhof: den evangelischen, den rumänischen, und man würde dort noch sagen: „Was sucht der in meiner Kirche?“
Philippi selbst bedauert das. „Sprache, Musik, Kirchen und Altertümer – es kann nicht sein, dass das nur einem gehört.“ Dennoch findet sie es wichtig, den historischen Hintergrund zu kennen.

Einen etwas anderen Ansatz zu diesem Thema hat die Sängerin Zeyla Tomlyn. Sich Kulturelemente anderer anzueignen, hält sie sogar für essenziell. Sie lässt sich gern von anderen Kulturen inspirieren, in ihrer Musik spielten afrikanische Einflüsse bisher eine große Rolle.
Eine Zeit lang trug sie Dreadlocks. „Der afrikanische Einfluss kam sehr natürlich“, sagt die Sängerin. „Seit ich 2013 zum ersten Mal bewusst afrikanische Musik gehört habe, hat es einfach geklickt, als ob ich die Information schon immer intus gehabt hätte und mich einfach nur daran erinnert habe. Kritik habe ich diesbezüglich noch nicht gehört. Ich glaube, das ist ein Beweis, dass meine Beziehung zu diesen Rhythmen und Melodien sehr natürlich ist.“

Auch die Kulturen zu mischen, ist für sie kein Widerspruch. Vergangenes Jahr hat sie ein siebenbürgisches Volkslied aus dem Jahr 1516, „Et sâs e klî wält vijelchen“, in Afro-Jazz verwandelt. Das „Kleine Wilde Vögelein“ war die erste Single des Albums „Afro Funk Party“ ihrer damaligen Gruppe „Petra Acker & the Band“, die mit Unterstützung der Deutschen Botschaft in Bukarest herauskam.
Erforschung verschiedener Kulturen
In ihrem neuesten Video „Pantam Dance & Zeyla Tomlyn – Până când nu te iubeam“ interpretiert sie ein rumänisches Lied mit dezenten Ethno-Elementen aus verschiedenen Kulturen. „Die Erde ist ein fantastischer Ort, die Vielfalt gigantisch. Und heutzutage ist die Fusion der Dinge gang und gäbe, weshalb also nicht Elemente der Kulturen mischen?“, fragt Tomlyn.
Allerdings solle man sich schon darüber bewusst sein, wenn man etwas anleiht, betont auch sie. „Generell glaube ich, dass es im Leben darum geht, sich kreativ zu entfalten, zu wachsen, das passiert in meinem Fall sehr viel durch die Erforschung der verschiedenen Kulturen. Von daher finde ich kulturelle Anleihe essenziell, solange man sich, wie gesagt, darüber bewusst ist, woher die Inspiration kommt. Das ist, finde ich, auf jeden Fall ein Zeichen von Respekt.“